Entlassung von VfB-Trainer Wolf:Vieles erinnert an das Abstiegsjahr

VfB Stuttgart - FC Schalke 04

Ende gegen Schalke: Hannes Wolf muss als Trainer des VfB gehen.

(Foto: dpa)

Von Anna Dreher, Stuttgart

Am Ende trauten sich die Spieler des VfB Stuttgart gar nicht mehr bis über die Strafraumgrenze hinaus. Das hatten sie schon während des Spiels gegen den FC Schalke 04 nicht getan. Und auch der Schlusspfiff nach dem 0:2 (0:2) änderte nichts daran. Vielmehr schien er die Hemmungen zu verstärken. Was die Spieler dort hinter der Strafraumgrenze erwartete, klang aggressiv, frustriert und bedrohlich. Zu nah wollten sich die Spieler also nicht dorthin wagen, wo ihre Fans aufgesprungen waren und mit wutverzerrten Gesichtern pfiffen, "Wir haben die Schnauze voll!" und "Aufwachen!" schrien. Verunsichert und auch etwas ratlos über das, was gerade passiert war, staksten die Spieler mit großem Sicherheitsabstand auf der Stelle.

Es war eine Zeitreise ins Frühjahr 2016, die sich nicht gut anfühlte für den VfB Stuttgart. Seit der Klub in die zweite Liga abgestiegen war, waren die Fans eine eher fürsorgliche Beziehung mit der Mannschaft eingegangen. Nach Monaten der Unterstützung aber war am Samstag nach der siebten Niederlage im achten Spiel die Geduld vorbei - und die Stimmung wieder dort, wo sie im Abstiegskampf war, der mit dem Abstieg endete.

"Wir sind alle gut beraten, jetzt erst mal eine Nacht darüber zu schlafen", sagte Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke. "Wir werden uns morgen alle zusammensetzen, und dann zählt nur eins: Wie bereiten wir uns optimal auf Wolfsburg vor? Das ist das Wesentliche."

Viel geschlafen hat Reschke nicht, wie er am Sonntagmorgen zugab, der VfB verschickte eine Pressemitteilung. Reschke hatte dann doch nicht bis zum nächsten Tag warten wollen mit der Aufarbeitung der Geschehnisse. Noch am Samstag saß er mit Cheftrainer Hannes Wolf zusammen. Sehr intensiv und emotional sei das Gespräch verlaufen, wurde Reschke zitiert. Und das Gespräch endete mit einem eindeutigen Ergebnis. Die Partie gegen den FC Schalke war die letzte von Wolf als VfB-Trainer.

"Wir sind nach diesem Gespräch gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass die Gefahr, dass wir die Situation in der bestehenden Konstellation nicht mehr gedreht bekommen, zu groß ist und wir einen neuen Impuls brauchen, um wieder in die Erfolgsspur zu finden", erkärte Reschke die Trennung von Wolf, um den 36-Jährigen danach als "hervorragenden Trainer mit einem tollen Charakter" zu loben.

Ein Nachfolger steht noch nicht fest

Den Absturz auf den 15. Tabellenplatz konnte er nicht verhindern, die Trennung von Wolf am Sonntagmorgen kam aber dann doch etwas überraschend, weil Reschke die Option am Samstagabend noch "komplett" ausgeschlossen hatte. Aber in den Gesprächen haben alle Beteiligten wohl schnell gespürt, dass das gegenseitige Vertrauen fehlte. "Uns als Klubverantwortliche und ihm als Trainer hat gleichermaßen die letzte Überzeugung gefehlt, dass wir diese Situation gemeinsam meistern können", sagte VfB-Präsident Wolfgang Dietrich. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Das Training am Sonntag leiteten Torwarttrainer Marco Langner, Athletiktrainer Matthias Schiffers und Individualtrainer Andreas Schumacher. Auch Wolfs Co-Trainer Miguel Moreira verlässt den Klub.

Schon nach dem 2:3 gegen Mainz war von der Mannschaft eine Reaktion erwartet worden. Das Spiel gegen Schalke aber glich einer Reihung ausbleibender Reaktionen. Stuttgart spielte über die meiste Zeit ohne Ideen und mit einer erschreckend hohen Fehlerquote in entscheidenden Aktionen. Allein in der ersten Hälfte spielte der VfB 42 Fehlpässe. In den Zweikämpfen zu harmlos, verloren die Stuttgarter nach kurzem Aufbäumen zu Beginn beider Halbzeiten jegliche Emotionalität. Vor ein paar Tagen noch hatte Hannes Wolf seine Mannschaft gegen den Vorwurf der fehlenden Mentalität verteidigt, gegen Schalke aber zeigte sich die Problematik erneut. Zumal auch die ausbleibende Aggressivität im Angriffsspiel auffiel. Die Rolle des Spielmachers übernahm im Prinzip Abwehrspieler Benjamin Pavard.

Die Gäste hingegen waren sicherer und mutiger im Spielaufbau - vor allem durch die frühe Führung, die einem bewährten Muster folgte. Nach einem Freistoß von Daniel Caligiuri sprang Naldo höher als alle anderen und lenkte den Ball per Kopf zum 1:0 ins Tor (14. Minute). Fünf Minuten später foulte der am Dienstag aus Dortmund verpflichtete Jacob Bruun Larsen bei seinem Startelfdebüt Leon Goretzka in einer ungefährlichen Situation mit hohem Bein an der Strafraumgrenze. Den Foulelfmeter zum 2:0 verwandelte Amine Harit (19.).

Kurz vor der Pause immerhin kam der VfB durch Gomez zu zwei Chancen; die erste blockte Matija Nastasic ab, den kurz darauffolgenden Kopfball klärte Max Meyer auf der Linie. Dass Wolf in der zweiten Hälfte Daniel Ginczek als zweite Spitze neben Gomez einwechselte, brachte zwar anfangs neue Energie, aber keine weiteren Torchancen. "Wir haben gegen Berlin gewonnen, dann ein richtig schlechtes Spiel gegen Mainz gemacht und jetzt plötzlich das Gefühl, dass es hier eskaliert", sagte Wolf. Er hat da wohl schon geahnt, dass es sein letztes Spiel werden könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: