VfB Stuttgart:Viele Eitelkeiten und ein Glücksfall

Jan Schindelmeiser muss gehen, Michael Reschke vom FC Bayern kommt als neuer Sportdirektor. Warum noch mal? Beim Aufsteiger schwärmen sie als Erklärung einfach vom Neuen.

Der Samstag beim VfB Stuttgart begann mit einem gemeinsamen Frühstück. Die Spieler, so wurde berichtet, aßen auf dem Vereinsgelände zusammen, bevor sie trainierten. Mit dabei war auch erstmals der am Freitag verpflichtete Verteidiger Holger Badstuber. Schon am Vorabend, als der Vertragsabschluss vermeldet worden war, hatte der so oft verletzte frühere Nationalspieler, 28, gesagt, er habe Angebote aus dem Ausland ausgeschlagen, sogar von Champions-League-Vereinen, weil "es nirgendwo so geknistert hat wie beim VfB". Badstuber war einst Jugendspieler beim VfB. Wer zufällig am Samstag in Bad Canstatt vorbeischaute und am Vortag nichts über den VfB gelesen hatte, der hätte wohl glauben können, hier bereite sich ein Bundesliga-Aufsteiger in perfekter Harmonie auf den ersten Spieltag vor.

Doch damit hätte der Bobachter nicht ganz recht gehabt. Denn natürlich war das Thema in Stuttgart weder das reichhaltige Frühstück, noch die emotionale Rückkehr Badstubers. Sondern die überraschendste Personal-Rochade dieser Bundesliga-Saison, die so jung ist, dass sie noch nicht mal begonnen hat.

"Es gibt im Leben Chancen, die man einfach ergreifen muss", sagt Reschke

Was sich am Freitag nach der Entlassung von Sportvorstand Jan Schindelmeiser bereits abzeichnete, bestätigte der VfB am Samstag: Sein Nachfolger wird Michael Reschke, dessen Kontrakt als Kaderplaner beim FC Bayern aufgelöst wurde. Reschke erhält in Stuttgart einen Dreijahresvertrag und wird den Posten nach Angaben des Klubs zum Monatsende übernehmen. Er sei stolz, sagte der Stuttgarter Aufsichtsratsvorsitzende und Präsident Wolfgang Dietrich. Die Anforderungen, die der VfB Stuttgart an den neuen Sportvorstand stelle, seien "deckungsgleich mit dem Lebenslauf von Michael Reschke". Und Reschke sagte, es gäbe "im Leben Chancen, die man einfach ergreifen, und Herausforderungen, denen man sich stellen muss. Und dies trifft jetzt beim VfB Stuttgart exakt zu."

Jan Schindelmeiser

Er verlässt den VfB Stuttgart: Jan Schindelmeiser.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Reschke, der einst in Leverkusen vom Jugendtrainer zum Nachwuchsleiter und Leiter der Scouting-Abteilung aufstieg und 2014 nach München gewechselt war, hatte beim FC Bayern zuletzt mit dem Klubvorstand über seine Zukunft verhandelt. Sein Abschied soll weniger mit der Vorstellung von Hasan Salihamidzic als neuer Sportdirektor und mehr mit Reschkes eigenen Ambitionen zu tun haben. "Ich habe mich immer als Diener der Mannschaft und den Mitarbeitern meiner Clubs gesehen und hoffe, dass ich den Erwartungen und Verpflichtungen gemeinsam mit dem Mitarbeiterteam des VfB Stuttgart gerecht werden kann", so wird Reschke in der Klub-Mitteilung zitiert. Angebote hatte er immer wieder: Pep Guardiola wollte Reschke im vergangenen Sommer mit zu Manchester City nehmen, auch Schalke 04 warb heftig um ihn. Nun wagt er also den Schritt aus dem Schatten.

Beim VfB sangen sie am Samstag Loblieder auf den Neuen. "Er ist ein absoluter Glücksfall für unseren Verein, sagte Präsident Dietrich. Blieb nur die Frage zu klären, warum sie beim Aufsteiger eigentlich so unglücklich waren, dass sie einen Glücksfall brauchten.

Wer in den vergangenen Tagen mit dem Stuttgarter Trainer Hannes Wolf sprach, der hörte ihn ungefragt Schindelmeiser loben, voller Vorfreude auf die kommende Saison. Der Manager, seit 2016 als Nachfolger von Robin Dutt beim VfB, hatte Wolf vor knapp einem Jahr geholt. Zuvor war Jos Luhukay nach nur 121 Tagen im Amt zurückgetreten. Schindelmeisers Wahl stellte sich als richtig heraus, der VfB schaffte den direkten Wiederaufstieg, der in Stuttgart eine positive Stimmung entfachte, die es so zuletzt zu Champions-League-Zeiten gegeben hatte.

"Es geht vor allem um die fehlenden Transfers", sagte Dietrich

Doch zuletzt waren nicht mehr alle zufrieden gewesen mit der Transferpolitik Schindelmeisers, auch von mangelnden Absprachen war die Rede. Der Beschluss, sich von ihm zu trennen, sei einstimmig erfolgt, hieß es am Freitag. Bislang hat der VfB seinen Kader abgesehen von Badstuber und dem Torhüter Ron-Robert Zieler vor allem mit jungen Spielern aufgerüstet, Mittelfeldspieler Chadrac Akolo aus Sion und Stürmer Anastasios Donis von Juventus Turin waren für zusammen rund zehn Millionen die teuersten. Es fehlen zum Beispiel noch ein defensiver Mittelfeldspieler und ein Rechtsverteidiger. "Es geht vor allem um die fehlenden Transfers", hatte Dietrich gesagt. Doch es soll bei Schindelmeisers Demission im Hintergrund, wie so oft im Fußball, auch um Eitelkeiten und Machtansprüche gegangen sein.

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Er wird Schindelmeiser ersetzen: Bayerns bisheriger Chefscout Michael Reschke (l.), hier mit Trainer Carlo Ancelotti.

(Foto: foto2press/imago)

Schindelmeiser selbst verschickte am Freitag eine Stellungnahme, die er mit der Feststellung begann, von der aktuellen Entwicklung überrascht worden zu sein. Er erklärte, dass er gerne die Hintergründe erklären würde, doch dies nicht tun dürfe. Er zählte die Erfolge der Vorsaison auf, nicht nur auf dem Platz, sondern auch strukturell. "Wir haben dem Verein eine neue Philosophie gegeben", schrieb er, "eine Rückbesinnung auf die Werte, die ihn immer stark gemacht haben." Wie es nun weitergeht? Ob noch Neue kommen? Und wenn ja, jene, die Schindelmeiser ausgesucht hat? Es dürfte viel zu bereden gegeben haben, beim Frühstück.

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