VfB Stuttgart:"Super Abschluss, danke schön"

TOR zum 1 1 durch Artjoms Rudnevs HSV Hamburg Hamburger SV per Flugkopfball Kopfball vor Georg Niede

Das Spiel gewann der VfB, das schönste Tor gelang dem HSV - Rudnevs beim 1:1 per Flugkopfball.

(Foto: Michael Weber/imago)

Trotz einer grotesken Chancenverwertung schafft der VfB Stuttgart mit einem 2:1 gegen den Hamburger SV den dritten Liga-Sieg in Serie. Der Klub sei einer "Katastrophe" entgangen, sagt Sportdirektor Dutt.

Von Frieder Pfeiffer, Stuttgart

Artem Kravets verschwand still und nahezu unbemerkt. Das ist nicht ungewöhnlich für einen Einwechselspieler, der gerade so lange mitmachen durfte, dass sich die Dusche lohnt. Es war aber doch überraschend für einen, der in dieser kurzen Zeit Dinge vollbrachte, die in Stuttgart gerne mal mit schwäbischem Nationalheldenstatus belohnt werden. Das Kopfballtor des leisen Ukrainers zum 2:1 in der 88. Minute gegen den Hamburger SV bescherte dem VfB drei Punkte in einer Partie, die eindrucksvoll bewies, dass Stuttgarts groteske Chancenauswertung auch vom Trainer Jürgen Kramny nicht so einfach abgestellt werden kann. Dank Kravets blieb es Kramny aber - anders als Vorgänger Alexander Zorniger - erspart, die Chancenstatistik bemühen zu müssen, um die eigene Arbeit zu rechtfertigen. Kramny sagte nur: "Super Flanke, super Kopfball, super Abschluss, danke schön."

Es war ein einfacher Satz, so angenehm klar und scheinbar beiläufig wie der Siegtreffer. Doch so einfach das Lob auch war, Artem Kravets hätte bis auf "super" und "danke schön" trotzdem nichts verstanden. In der Winterpause war der 26-jährige Nationalspieler von Dynamo Kiew nach Stuttgart gewechselt, auf Leihbasis mit Kaufoption; er soll im Kader die Planstelle des Sturmtanks besetzen, die wegen der langwierigen Bandscheiben-Verletzung von Daniel Ginczek immer noch vakant ist. Was er Kravets bei seiner Einwechslung in der 78. Minute mit auf den Weg gegeben habe, wurde Kramny gefragt. Der Trainer lachte und sagte: "Er hätte mich doch eh' nicht verstanden." So bleibt von diesem Stuttgarter Sieg ein Stürmer ohne Konzept, der einem leidenschaftlich anrennenden Team die Tür öffnet. Und es bleibt ein Team ohne Effizienz, das einem stillen jungen Mann aus dem fernen Kiew die Tür öffnet, ohne dass er etwas versteht.

Wie gut eine Gruppe funktioniert, ist zu sehen, wenn sie mit neuen Mitgliedern umgehen muss. Im Fußball ist das zuallererst eine sportliche Frage, doch Kravets' starker Auftritt spricht grundsätzlich für ein heraufziehendes Stimmungshoch im Stuttgarter Team - was unter Kramny sogar für die lange belächelte Defensivabteilung gilt. "Es macht unheimlich Spaß gerade", freute sich Innenverteidiger Daniel Schwaab. "Genau so stelle ich mir die Mannschaft vor", sagte Kramny. Und wer immer noch nicht überzeugt war, dass sich das launische Team derzeit wieder in Richtung Euphorie bewegt, der musste nur dem erneut starken Spielmacher Daniel Didavi zuhören. "Endlich spiele ich als Profi mal in einem Team, in dem es läuft."

Didavi sagt: "Endlich spiel' ich mal in einem Team, in dem es läuft."

Ein Satz, der viel über den Aufschwung des VfB erzählt, über zuletzt sechs Pflichtspiele ohne Niederlage. Aber eben auch über die lange Zeit vor dem Aufschwung. Daniel Didavi ist inzwischen 25, außer einem kurzen Abstecher nach Nürnberg und langen Abstechern in Rehazentren läuft er seit fast sechs Jahren für den VfB auf. Anspruch und Wirklichkeit sind sich in dieser Zeit fast gänzlich aus dem Weg gegangen. Und so reichen nun drei Bundesliga-Siege in Serie, um in Stuttgart den Traum zu wecken, beide wieder miteinander versöhnen zu können. Sieben Punkte beträgt der Vorsprung inzwischen auf einen direkten Abstiegsplatz, acht Punkte beträgt der Rückstand auf den internationalen Wettbewerb. "Wir können die Tabelle lesen", sagte Daniel Didavi. "Wir träumen nicht, aber wir sind ehrgeizig."

Immerhin, meinte Didavi trotz nur zwei Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang, habe man ein überragendes Spiel gemacht, "eines der besten in dieser Saison". Und tatsächlich, 24 Torschüsse sind ein beeindruckender Wert, die daraus resultierenden zwei Treffer aber auch - im negativen Sinn. 3,5,18,29,33,37,42,47,48,65 - allein das Notieren der Minuten, in denen es bis zum 1:0 gefährlich wurde für den HSV, führte zu einem stumpfen Bleistift.

Von einer "Katastrophe", der man entgangen sei, sprach deshalb auch VfB-Sportchef Robin Dutt. Er meinte das Unentschieden, das in der Luft lag, in der Hinrunde wäre sogar eine Niederlage nicht unwahrscheinlich gewesen. Doch weil Aaron Hunt einen Didavi-Kopfball hinter die eigene Linie stolperte (66.), der HSV nach dem Ausgleich von Artjoms Rudnevs (75.) zwei gute Chancen ausließen und Kravets zwar nicht versteht, was "Befreiungsschlag" (Kramny) bedeutet, aber für ihn sorgen kann, dürfen sie in Stuttgart die mangelhafte Chancenverwertung erst mal als Folklore abtun.

HSV-Trainer Bruno Labbadia zierte sich überraschend, das Ergebnis verdient zu nennen. Fakt ist jedoch, dass seine Mannschaft im heftigen Regen deutlich größere Probleme hatte. Viele Ballverluste begünstigten das schnelle Umschaltspiel der Stuttgarter. Die sonst so gerne gelobte HSV-Abwehr blieb fast durchgehend überfordert. Nach drei Niederlagen in Serie liegt der HSV nur noch einen Punkt vor dem VfB. Und weil VfB-Trainer Kramny immer noch davon spricht, im Abstiegskampf zu stecken, muss das nun auch wieder für die Hamburger gelten.

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