VfB Stuttgart:Korkut coacht spektakulär pragmatisch

VfB Stuttgart v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

An Tayfun Korkut (Mitte) gab es noch vor seinem ersten Spiel für den VfB viel Kritik, doch der Trainer funktioniert.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der neue Stuttgarter Trainer Tayfun Korkut hat beim VfB großen Erfolg.
  • Das liegt auch an seiner Art, zu coachen.
  • Es zeigt sich, dass die Mannschaft bereits nach seiner "Handschrift" spielt.

Kommentar von Christof Kneer

Es war eine dieser Geschichten, die wie sehr gut erfunden klangen. "So, das habt ihr jetzt davon", soll Willi Lemke, damals Manager von Werder Bremen, den Spielern gesagt haben, als er ihnen Felix Magath als neuen Trainer vorstellte. Ende der Neunzigerjahre war das, und Magath war auf dem Höhe- bzw. Tiefpunkt seines Ruhms, je nachdem. Er lebte damals ausgezeichnet davon, in Städte zu gehen, die unter verwöhnten Fußballspielern litten, und er hat die ehemals verwöhnten Fußballer dann unter Hinzuziehung Dutzender Medizinbälle so lange bedrohlich angeschwiegen, bis sie wie von selbst zum Klassenerhalt durchrannten.

Die Geschichte stimmt übrigens, Willi Lemke hat sie mal selbst erzählt. Er hat das wirklich gesagt: So, Burschen, das habt ihr jetzt davon. Abgesehen davon, ob man das nun für pädagogisch wertvoll hält oder nicht, so erzählt die Geschichte doch vor allem eines: dass es viele Jahrzehnte diesen klar definierten Trainertypen in der Bundesliga gab. Diesen Red Adair der Branche, der mit Blaulicht angesaust kommt und Brände löscht, gerne mit Methoden, für die man im zivilen Leben einigermaßen schräg angeschaut worden wäre. Magath hieß früher auch mal Rolf Schafstall oder Friedel Rausch, später hieß er Huub Stevens, heute heißt er Bernd Hollerbach.

Den Neue-Besen-Effekt gibt es immer noch

Die Liga und der Fußball haben sich extrem entwickelt seit Magaths und Lemkes Tagen, inzwischen ist es üblich und voll akzeptiert, Mannschaften auch mit anderen Methoden zu retten. Lucien Favre hat Gladbach mal mit rein fußballerischen Mitteln vor dem Abstieg bewahrt, und heute finden auch die neumodischen Akademietrainer mit streng fachlichen Argumenten Zugang zu abstiegskampfgestressten Profis.

Es sind längst unterschiedliche Trainerprofile zugelassen im Abstiegskampf, aber die aktuellste Wendung, die die Liga zu bieten hat, ist nun diese: dass es auch mit Trainern funktioniert, die über gar kein klar definiertes Profil verfügen. Wofür steht Tayfun Korkut? Er ist kein Offensiv- und kein Defensivtrainer, er zählt nicht zu den Routiniers und auch nicht zu Rookies, und dennoch ist es ihm nun gelungen, den zuvor sehr kriselnden VfB Stuttgart ein weiteres Stückle aus dem Keller rauszucoachen. Zehn Punkte aus vier Spielen sind kein Zufall, zumal die zu dieser Serie gehörigen Spiele einander extrem ähnlich sehen: zwei Mittelstürmer, viel Wucht, frühe Führungen, dann seriöses Verteidigen - auf diese nahezu identische Art hat der VfB jetzt dreimal nacheinander mit 1:0 gewonnen. Es ist: die Handschrift eines Trainers.

Den sogenannten Neue-Besen-Effekt gibt es immer noch, dieses schwer erklärbare Phänomen widersetzt sich mit erkennbarer Genugtuung der zunehmenden Verwissenschaftlichung dieses Sports. Das Rätselhafte macht sich immer wieder einen Spaß daraus, den Akademikern eine lange Nase zu drehen. Korkut erfindet nichts neu, er überdreht nichts, er begegnet dem Abstiegskampf mit einem geradezu spektakulären Pragmatismus. Die Art des Fußballs, die er in Auftrag gibt, erinnert ein wenig an die Spielauffassung des ehemaligen Kölners Peter Stöger, der seine Mannschaft ebenfalls radikal auf Kompaktheit abgerichtet hat.

Ob Korkut auch der Mann ist, der diese Mannschaft im Falle eines Klassenerhalts weiter prägen und zuspitzen kann, ist völlig offen, im Moment interessiert das in Stuttgart auch kaum jemanden. Fest steht allerdings dies: Solange es den Korkut-Effekt auch in Zeiten von Packing, Heat Maps und Laptopspielzügen noch gibt, werden in der Liga weiterhin Trainer entlassen und wieder neu eingestellt werden. Das perpetuum mobile läuft weiter und immer weiter, nur wahrscheinlich ohne Felix Magath.

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