VfB Stuttgart in Bremen:Hunt verdirbt Stevens den perfekten Einstand

Werder Bremen - VfB Stuttgart

Knapp vorbei am Auftaktsieg: Huub Stevens bei seinem ersten Spiel als VfB-Trainer.

(Foto: dpa)

Neuer Trainer, trotzdem kein Sieg: Unter Huub Stevens dominiert der abstiegsbedrohte VfB Stuttgart in Bremen zunächst das Spiel und geht verdient in Führung. Ein verschossener Elfmeter rächt sich spät.

Von Martin Anetzberger

Es wäre interessant gewesen zu wissen, was Stuttgarts Trainer Huub Stevens auf seinen Notizblock kritzelte, nachdem sein Stürmer Martin Harnik einen Handelfmeter an den Außenpfosten gesetzt hatte. Gut gezielt? Zu gut gezielt? Oder einfach nur: Elfmeter üben?

44 Minuten zuvor hatte er zum ersten Mal als Coach des VfB den Anpfiff erlebt. Der Holländer, den die Schwaben als Nachfolger für den unglücklichen Thomas Schneider verpflichtet hatten. Der 41-Jährige hatte seine erste Chance als Profitrainer nicht nutzen können, schaffte es nicht, den Verein als junger Trainer erfolgreich zu führen. Stattdessen erhielt der 60 Jahre alte Stevens seine nächste Chance, es ist seine elfte Station als Cheftrainer im Profifußball. Mit seiner ganzen Erfahrung soll er jetzt nur noch eines: die Stuttgarter vor dem Abstieg bewahren.

Den Gegner, den Stevens und seine Mannschaft als erstes vorgesetzt bekamen, war ein äußerst unangenehmer. Werder Bremen hatte sich mit dem Auswärtssieg in Nürnberg so gut wie aus dem Abstiegskampf verabschiedet und konnte erleichtert - noch dazu vor Heimpublikum - ins Spiel gehen. Vielleicht deswegen verzichtete Stevens im Gegensatz zum letzten Schneider-Spiel zunächst auf die jungen und technisch starken Moritz Leitner und Alexandru Maxim. Neu ins Team beorderte er Ibrahima Traoré als Antreiber im offensiven Mittelfeld und Gotoku Sakai in der Viererkette. Er stellte um auf ein 4-2-3-1-System, dessen offensives Quartett Harnik, Traoré, Cacau und Konstantin Rausch bildeten.

Und die Taktik von Stevens ging, was das Spielerische betrifft, auch gut auf. Bei Windstärke neun waren die Gäste über große Teile des Spiels die bessere Mannschaft. Doch der Bremer Aaron Hunt egalisierte die Führung durch Georg Niedermeier - das Spiel endete 1:1. "Schade, dass wir den Sack nicht zugemacht haben nach der Führung", sagte Stevens: "Ich kann mit der Art und Weise unseres Spiels zufrieden sein, aber nicht mit dem Ergebnis."

Schon in den ersten Minuten sah Stuttgart nicht aus wie eine Mannschaft, die keines der vergangenen neun Spiele gewonnen hat. Die offensiven Kräfte traten sehr selbstbewusst auf und wechselten häufig die Positionen, hinten verteidigte der VfB aggressiv. Gefahr für das Tor von Werder-Keeper Wolf entstand aber nicht, weil die Gäste zwar im Spielaufbau gut kombinierten, ihnen aber im und um den Strafraum die Präzision abhandenkam. Werder ließ den Gegner bewusst kommen, bemühte sich um eine sichere Verteidigung und verzichtete auf schnelle, riskante Angriffe, um nicht in einen Konter der Stuttgarter zu laufen.

Diese kontrollierten Angriffe brachten aber gegen die Stuttgarter nichts, nur Hunt gelang es zwei Mal innerhalb der ersten halben Stunde, mit starken langen Pässen Lücken in die Defensive zu reißen. Chancen resultierten daraus aber nicht. Stuttgart kam trotz mehr Ballbesitz und Aufwand ebenfalls nur zu zwei Gelegenheiten. Ein Kopfball von Daniel Schwaab ging weit am Tor vorbei, ein Fernschuss von Traoré blieb ungefährlich.

Mehr Chancen nach der Pause

Brenzlig für die Schwaben wurde es zum ersten Mal in der 32. Minute. Luca Caldirola hatte sich in einem heftigen Zweikampf gegen Niedermeier durchgesetzt und den Ball von der Grundlinie scharf nach innen gebracht, wo ihn Franco di Santo aus kurzer Distanz weit über das Tor beförderte. Nur Sekunden später hatte Werder-Verteidiger Sebastian Prödl nach einem Freistoß eine gute Schussgelegenheit. Doch der Ball landete abgefälscht in den Armen von VfB-Keeper Sven Ulreich. Bremen wurde jetzt stärker, das Spiel insgesamt aufregender. Stuttgarts Rausch kam nach einer starken Einzelleistung zum Abschluss, sein gezirkelter Schuss ging aber daneben (37.). Rüdiger schickte einen umstrittenen Freistoß wenig später weit neben und über das Tor.

Gerade als sich die Zuschauer auf ein 0:0 zur Pause einstellen wollten, ließ Harnik im Strafraum stark auf Sakai prallen. Der zog aus halblinker Position ab, Assani Lukimya warf sich wie ein Torwart in den Schuss und bekam den Ball an den Unterarm. Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer entschied nach ausführlicher Überlegung auf Elfmeter. Nach Harniks Fehlschuss war Halbzeit.

Nach der Pause entwickelte sich von Beginn an ein offeneres Spiel mit mehr Chancen. Ludovic Obraniak zielte für Werder bei einem direkten Freistoß knapp vorbei (49.), Cacau brachte Bremens Keeper Wolf mit einem abgefälschten Schuss in arge Bedrängnis (53.), und Ignovskis Flachschuss vom rechten Strafraumeck blieb zu harmlos für VfB-Keeper Sven Ulreich (54.). Dann setzten die Schwaben den ersten Stich: Harnik ließ die gesamte Werder-Abwehr stehen und schoss aus etwa 20 Metern, Lukimya konnte gerade noch klären. Die anschließende Ecke klärten die Bremer nur halbherzig. Rausch chippte den Ball auf Niedermeier, dessen Kopfball Keeper Wolf noch klären konnte. Den Nachschuss drosch Niedermeier unhaltbar unter die Latte.

Die Bremer beeindruckte der Rückstand, die Stuttgarter traten noch selbstbewusster auf, und dachten nicht daran, die Führung nur über die Zeit zu bringen. Die starken Traoré (60.) und insbesondere Sakai freistehend vor dem Tor (66.) versäumten es, den Vorsprung zu erhöhen. Von Werder war bis zu Beginn der Schlussviertelstunde nichts zu sehen.

Dann machten die überlegen spielenden Stuttgarter den Fehler, Werder einen Freistoß in zentraler Position vor dem eigenen Tor zu schenken. Hunt schlenzte den Ball halbhoch ins rechte Eck und verzückte das trotz Rückstand nie verstummte Heimpublikum. In den verbleibenden Minuten bemühten sich beide Mannschaften noch um den entscheidenden Treffer. Stevens brachte noch Maxim und den im Abiturstress steckenden Timo Werner. Doch es blieb beim 1:1, das Bremen erleichtern und dem VfB vor allem wegen der engagierten Leistung neue Hoffnung im Abstiegskampf geben dürfte.

Bis zum Ende des Spiels hatte sich Stevens so einiges in seinen Notizblock notiert. Manches Negatives, aber auch viel Positives. "So, wie wir gespielt haben, kann das der Weg sein", resümierte Stevens: "Wenn wir so weitermachen, dann kommen wir auch unten raus."

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