VfB Stuttgart:Dortmund war gestern

Volle Konzentration aufs "Endspiel" in Bremen: Beim verunsicherten VfB Stuttgart empfiehlt Sportvorstand Robin Dutt, auf eine Analyse der klaren Niederlage gegen Dortmund zu verzichten.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Auf dem Weg von Stuttgart nach Bremen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um in der Abgeschiedenheit des ländlichen Raums etwas Ruhe und innere Einkehr zu finden. Das Sporthotel Klosterpforte beispielsweise bietet sich in Harsewinkel an - oder die legendäre Sportschule in Barsinghausen, wo schon Sepp Herberger die Nationalspieler versammelte und einst sogar Pelé mit dem FC Santos vorbeischaute. Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart wollen ja in dieser Woche nichts unversucht lassen, um dieses vorentscheidende Montagsspiel am 2. Mai bei Werder Bremen irgendwie zu gewinnen: "Wenn der Trainer Wünsche hat, werden wir die zu 100 Prozent erfüllen, das ist kein Problem", kündigte Sportdirektor Robin Dutt nach dem 0:3 (0:2) gegen Borussia Dortmund an. Nur dünne zwei Punkte beträgt der Vorsprung der Stuttgarter auf den Tabellen-Sechzehnten Bremen, drei Spieltage vor Saisonende. Das Treffen im Weserstadion wird daher in der Tat zu einer Art Endspiel um den Klassenverbleib.

Dutt, 51, fand nach dem erschreckend körperlosen Auftritt seiner Spieler gegen den BVB eine etwas eigenwillige Form der Analyse, indem er auf eine Analyse des Spiels komplett verzichtete - und so tat, als habe es die Partie überhaupt nicht gegeben. Seine Spieler waren zuvor harmloser und braver als die Wiener Sängerknaben aufgetreten: "Das Spiel heute interessiert mich null Komma null, mich interessiert nur nächste Woche Bremen", sagte also Dutt, der es gar für "Blödsinn" hielte, "wenn wir jetzt anfangen, die Partie gegen Dortmund bis Mittwoch zu analysieren und darüber nachzudenken, ob wir Reus so oder anders hätten attackieren müssen. Wir dürfen uns nur noch mit den Zweikämpfen gegen Werder beschäftigen", ergänzte der frühere Bremer Coach.

Bundesliga 15/16 - VfB Stuttgart vs. Borussia Dortmund

Falscher Ort, falsche Zeit: Dortmunds Mkhitaryan schießt den Ball zum 3:0 ins Tor, VfB-Keeper Przemyslaw erwartet ihn schon - hinter der Linie.

(Foto: Fishing4)

Seinem Befehl zum Gedächtnisverlust wollten jedoch nicht alle Folge leisten. VfB-Trainer Jürgen Kramny gestand, dass er das Ergebnis gegen Dortmund "sehr enttäuschend" fand. Dabei hatte seine Mannschaft zumindest in der Anfangsphase erahnen lassen, wie sie reüssieren wollte. Nach Balleroberung in der eigenen Hälfte wollten die Stuttgarter mit überfallartigen Kombinationen über die schnellen Außenstürmer Filip Kostic und Martin Harnik im Strafraum die Konter abschließen: "Wir wollten so verhindern, dass der BVB in sein gefährliches Positionsspiel kommt", sagte Kramny. Der Matchplan sah auch ganz ordentlich aus - 20 Minuten lang, bis zum ersten Gegentor von Shinji Kagawa. Danach versuchte der VfB zwar, an seiner Strategie gegen lustvoll aufspielende Dortmunder festzuhalten, doch "wir haben die Situationen nicht konsequent ausgespielt", wie Kramny es ausdrückte.

Dutts Ansatz der Problembewältigung durch selbstverordnete Amnesie mag vielleicht aus seiner Sicht plausibel erscheinen, um die nach sechs sieglosen Spielen in Serie verunsicherte Elf aufzurichten und zugleich auf das große Spiel in Bremen einzuschwören. Aber es offenbart auch die Ratlosigkeit des VfB und den fehlenden Handlungsspielraum in diesen Tagen. Dutt kann nicht entgangen sein, dass die flinken Dortmunder auch die neu formierte Stuttgarter Innenverteidigung um Daniel Schwaab und den erstmals eingesetzten Italiener Federico Barba häufig einer dramatischen Hüftsteife überführte. Hinzu kommt Torwart Przemyslaw Tyton, der sich ständig zwischen den Extremen Genie und Wahnsinn bewegt - er zeigte starke Paraden, ermöglichte durch eine schwache Abwehr nach vorne aber auch das 0:2-Abstaubertor des 17-jährigen Dortmunder Toptalents Christian Pulisic.

Fünf zittern, drei hoffen: Das Restprogramm im Abstiegskampf

11. Hamburger SV (37:44 Tore) 37 Punkte

Mainz 05 (Auswärtsspiel), VfL Wolfsburg (Heimspiel), FC Augsburg (A).

12. FC Augsburg (40:48) 36

1. FC Köln (H), Schalke 04 (A), Hamburger SV (H).

13. SV Darmstadt 98 (35:48) 35

Frankfurt (H), Hertha BSC (A), Gladbach (H).

14. TSG Hoffenheim (35:45) 34

Ingolstadt (H), Hannover 96 (A), Schalke 04 (H).

15. VfB Stuttgart (46:63) 33

Werder Bremen (A), Mainz 05 (H), Wolfsburg (A).

16. SV Werder Bremen (43:63) 31

VfB Stuttgart (H), 1. FC Köln (A), E. Frankfurt (H).

17. Eintracht Frankfurt (29:49) 27

Mainz (H), Darmstadt (A), BVB (H), Bremen (A).

18. Hannover 96 (28:56) 22

Schalke 04 (H), Hoffenheim (H), FC Bayern (A).

Dutt hält einen weiteren Trainerwechsel auf der Zielgeraden der Saison für "völlig ausgeschlossen". Er bemühte lieber die jüngste Abstiegskampf-Historie des Vereins, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Lage in Stuttgart nicht hoffnungslos sei: "In der vergangenen Saison waren wir nach der Niederlage gegen Schalke am viertletzten Spieltag schon für alle abgestiegen", erinnerte er. Danach folgten in der Tat drei unverhoffte Siege - und doch noch der Klassenverbleib. Ob sich die Geschichte beim VfB in diesem Jahr wiederholten lässt, zweifelt aber sogar Kapitän Christian Gentner vor dem Spiel in Bremen an. "Das ist mental eine ganz brutale Nummer", stellte er ehrlich fest.

Anders als im vergangenen Jahr unter Huub Stevens scheint die Mannschaft psychisch und physisch noch nicht im Abstiegskampf angekommen zu sein, wenn man Zweikampfverhalten und Körpersprache als Referenzgrößen heranzieht. Den Stuttgartern fehlte all das, was die Dortmunder am Samstagnachmittag so leidenschaftlich vorlebten, obwohl deren zweiter Tabellenplatz ja unverrückbar ist.

Der VfB kann dagegen noch alles verlieren und zum ersten Mal nach 41 Jahren absteigen. Robin Dutt glaubt aber weiter unbeirrt an das Happy End und sagt: "Bremen ist nicht Dortmund. Nach dem Spiel dort wird nur eine Mannschaft ein Grinsen im Gesicht haben - und ich wüsste nicht, warum wir das nicht sein sollen."

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