VfB Stuttgart:Die allerfalscheste Neun

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Der VfB muss den Dezember ohne Punktspiel-Tor beenden, obwohl das Team gegen den FC Bayern einen Elfmeter in der Nachspielzeit zugesprochen bekommt. Für die Rückrunde hoffen sie beim VfB auf eine stabilere Gesundheit ihrer Angreifer.

Von Christof Kneer, Stuttgart

Christian Gentner konnte diesen Elfmeter unmöglich schießen. Er hat zwar schon einige Strafstöße verwandelt in seiner Karriere, und er ist ein Kapitän, der nicht dafür bekannt ist, sich zu drücken. Aber das hier: Das ging jetzt wirklich nicht. Seit Gentner nach seinen komplexen Gesichtsverletzungen diese spektakuläre Maske trägt, fällt er als Elfmeterschütze im Grunde aus, denn die Maske garantiert dank großer Augenausschnitte zwar eine blendende Rundum-Sicht, eines aber ist tatsächlich ein bisschen blöd: Um einen Ball, der direkt unter seinen Füßen liegt, gut zu erkennen, muss Gentner den Kopf ein bisschen mehr beugen als sonst - weil die Maske sozusagen die Nase verlängert und damit die Sicht nach unten erschwert.

Man könnte nun also sagen: Einen Elfmeter zu schießen, bei dem man vor dem Schuss den Kopf beugen muss, ist irgendwie unpraktisch, weshalb Gentner zurecht auf die Ausführung verzichtet hat.

Man könnte aber auch sagen: So einen Elfmeter wie den am Ende geschossenen hätte er wahrscheinlich sogar ohne Augenausschnitte hinbekommen.

"Ein Spiegelbild der vergangenen fiesen vier Wochen" sei die Schlussphase der Partie gegen Bayern gewesen, sagte VfB-Trainer Hannes Wolf und war mit dieser Analyse treffsicherer als seine Leute. Null Punkte hat der munter in die Saison gestartete Aufsteiger im Dezember geholt, und er hat in dieser Zeit null Tore geschossen - "obwohl wir oft nah dran waren", wie Wolf betonte. Nie war der VfB im Dezember aber näher an einem Tor als in dieser fünften Minute der Nachspielzeit gegen Bayern: Chadrac Akolo legte sich den Ball also auf den Elfmeterpunkt, und dann rutschte ihm ein Schüsslein raus, das wohl auch Manuel Neuer inklusive Krücke gehalten hätte.

"Wir werden die Klasse halten, ganz klar", sagt Sportchef Reschke

Vielleicht war die Sache am Ende einfach zu groß geworden. So wuchtig war die Dramaturgie der letzten Minuten, dass sie vom schmalen, ohnehin angeschlagenen Akolo kaum zu schultern war. Seriös hatte der VfB verteidigt und dabei immer mal zügig angegriffen; vom klassischen und damit vorherfühlbaren späten Bayern-Tor hatte sich die Elf nicht kränken, sondern zur eigenen Schlussoffensive hinreißen lassen. Und dann folgte nach Foul von Süle an Ascacibar eine dramatische Videobeweis-Unterbrechung, in der sich die Stuttgarter Gedanken verselbstständigten: Sie reichten von "Hurra, gleich gibt's Elfmeter!" bis zu "Heilix Blechle, wer soll den schießen?" Die üblichen Schützen waren wegen Verletzung ausgewechselt (Simon Terodde) oder gar nicht dabei (Daniel Ginczek), oder sie trugen eine Maske mit langer Nase.

"Einen guten Jahresabschluss" hatte sich Wolf gewünscht, er wollte dieses spektakuläre 2017 mit Aufstieg, Zuschauer- und Mitgliederrekorden nicht mit vier Liga-Niederlagen enden lassen. Nur elf Meter war der VfB schließlich vom guten Jahresabschluss entfernt, aber nach dieser emotionalen Fallhöhe in der Nachspielzeit sehen sie sich im Klub offenbar gezwungen, den Tonfall zu verändern. "Wir werden mit dieser Mannschaft die Klasse halten, ganz klar", beschloss also der Sportchef Michael Reschke. Wenn das Ergebnis kein Selbstvertrauen hergibt, muss es eben von außen künstlich zugeführt werden.

Ob der bewährte Kaderplaner Reschke noch einen neuen Stürmer auftreibt, wird sich zeigen, erst mal hoffen sie auf eine stabilere Gesundheit ihrer grundsätzlich sehr tauglichen Angreifer Chadrac Akolo, Anastasios Donis und Daniel Ginczek. Wie sehr der VfB unter deren Fehlzeiten leidet, zeigte sich nach der Pause: Als auch noch Terodde verletzt raus musste, rückte tatsächlich Marcin Kaminski in den Sturm - ein Innenverteidiger und damit die allerfalscheste Neun der Welt.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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