Huub Stevens beim VfB Stuttgart:Heimlich den Trainer gewechselt

VfL Wolfsburg - VfB Stuttgart

Erfindet sich gerade ein bisschen neu: Huub Stevens beim VfB Stuttgart

(Foto: Peter Steffen/dpa)
  • Im Abstiegskampf wählt VfB-Trainer Huub Stevens einen offensiven Stil.
  • Stevens setzt dabei auf Spieler, die er zu Beginn seines Trainerjobs noch ignoriert hat.
  • Das Ziel ist es, die Fans in den kommenden wichtigen Heimspielen zu begeistern.
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Von Christof Kneer, Stuttgart

Am Montag fragte niemand, am Dienstag und am Mittwoch auch nicht, und als der Donnerstag kam und schließlich der Freitag, hatte immer noch keiner diese Frage gestellt. Niemand wollte in dieser Woche wissen, ob das Spiel gegen Werder Bremen ein Endspiel für Trainer Huub Stevens sei. Niemand fragte, ob im Falle einer Niederlage vielleicht am Montag schon Stevens' Nachfolger Alexander Zorniger auf den Hof fahre. Es fand sich nicht einmal jemand, der dem Sportchef Robin Dutt unterstellte, er habe Huub Stevens zu wenig unterstützt oder er habe ihn zwar unterstützt, es aber bestimmt nicht so gemeint.

Es war eine komische Woche beim VfB Stuttgart. Die Mannschaft hat sich in der Tabelle zuletzt von Platz 18 auf Platz 18 verbessert, der 15. Tabellenplatz ist nicht mehr zwei, sondern wieder fünf Punkte entfernt, und nach allem, was man weiß, ist das anstehende Spiel gegen Werder Bremen auch noch nicht gewonnen.

"Wir können uns über die Stimmung nicht beschweren"

Und doch kommt es diesem Tabellenletzten auf einmal so vor, als sei er ein anderer Tabellenletzter als vor ein paar Wochen. "Sagen wir so: Dafür, dass wir Achtzehnter sind, können wir uns über die Stimmung in der Stadt nicht beschweren", sagt Robin Dutt, der Sportvorstand. "Es hat sich eben ausgezahlt, dass wir in der Trainerfrage die Ruhe bewahrt haben."

Für alle, die es vergessen, verdrängt oder nie gewusst haben: Der VfB ist ein Verein, der sich immer einiges darauf eingebildet hat, dass in seiner Stadt Spieler wachsen, die schönen Fußball spielen können. Allerdings sind in dieser Stadt immer auch Zuschauer gewachsen, die umgehend bruddelten, sobald der schöne Fußball mal ausblieb. "Bruddeln" ist ein schönes schwäbisches Tunwort, das viel von seinem Originalcharakter verliert, wenn man es mit "meckern/motzen/mosern" übersetzt.

Die negative Wolke hängt stabil überm Stadion

An den Bruddlern auf der Haupttribüne sind schon viele Trainer und Manager verzweifelt, aber mehr noch an den Bruddlern in den eigenen Gremien, die nie Geld für Transfers rausrücken wollten, um es dann doch im falschen Moment für die falschen Spieler zu bewilligen. Was dann zu weiterem Bruddeln führte, in den Gremien und auf der Tribüne.

All das hat sich zu jener mit negativer Energie aufgeladenen Wolke verdichtet, die seit Jahren stabil überm Stadion hängt. Bis vor zwei oder drei Wochen hat der VfB dazu einen schlecht gelaunten, gehemmten und völlig untauglichen Bruddelfußball gespielt, und Huub Stevens wurde immer mehr zum Bruddler aus Kerkrade.

Stevens setzt auf Spieler, die er anfangs missachtete

Und jetzt? Der VfB habe natürlich das meiste Potenzial aller Kellerkinder, sagen sie jetzt plötzlich wie selbstverständlich in allen Sportsendungen, und Spieler wie der Stürmer Daniel Ginczek lassen sich gerne mit dem Satz zitieren, es werde "keinen Abstieg geben". Und die Leute auf den Tribünen machen eine erwartungsvolle Miene dazu, und wenn sie nach einem Fehlpass mal bruddeln, dann bruddeln sie wohlwollend.

Es gibt, nüchtern betrachtet, wenig neue Fakten, die diesen Stimmungsumschwung stützen - außer drei erstaunlich schönen Toren am vorletzten Spieltag gegen Frankfurt. Aber manchmal reicht es schon, ein Gefühl zu bedienen, das bedient werden will - und nun gibt der Trainer den Leuten in Stuttgart wieder das Gefühl, dass da unten der VfB spielt.

Dutt fühlt sich bestätigt

Es hat etwas gedauert, bis Stevens den Knurrer in sich bezwungen hat, aber auf einmal überrascht er die Stadt mit munteren Aufstellungen. Eigentlich gehört Stevens ja zu jenen Trainern, die das Spiel ausschließlich von hinten denken und den eigenen Torerfolg billigend in Kauf nehmen - aber plötzlich lässt dieser Stevens jetzt den Spielmacher Alexandru Maxim von der Leine und den rasend schnellen Flügelstürmer Filip Kostic; Spieler, die er zu Beginn der Rückrunde noch energisch missachtete.

"Huub weiß, dass wir jetzt auch die Zuschauer im Stadion brauchen", sagt Robin Dutt. Er fühlt sich bestätigt in seiner Treue zu einem Trainer, der das Spiel nicht neu erfindet, aber aus den Dingen beständig seine Schlüsse zieht. Stevens hat das Restprogramm gut studiert, er weiß, dass noch Heimspiele gegen Bremen, Freiburg, Mainz und den HSV folgen, und er geht davon aus, dass sich der sog. Heimkomplex am besten mit Hilfe eines entgegenkommenden Publikums überwinden lässt.

Ping-Pong der guten Laune

"Und dafür brauchen wir auch eine gewisse Spielweise", sagt Dutt. So etwa geht der Plan im Abstiegskampf: Die offensiven Leute auf dem Platz sollen den Leuten oben auf der Tribüne gute Laune machen, die dann wiederum dazu beitragen soll, dass die Leute unten auf dem Platz auch gut gelaunt spielen.

Die Stuttgarter haben also doch ein bisschen den Trainer gewechselt nach all den Fragen, die von Montag bis Freitag immer nur auf einen Trainerwechsel zielten. Der streng defensive Huub Stevens ist zurückgetreten und hat einem mutigeren Huub Stevens Platz gemacht. Ob dieser Wechsel aber noch früh genug gekommen ist, diese Frage könnte am Ende über den Klassenerhalt entscheiden - denn ein paar Spiele hat der VfB quasi hergeschenkt, das Heimspiel gegen Dortmund zum Beispiel, als Stevens fast ausschließlich Defensivspieler aufeinanderstapelte.

Die Personalie Zorniger hat aktuell keine Eile

Im Sommer wird der VfB dann wirklich einen neuen Trainer holen, egal, in welcher Liga er dann antritt. Der Schwabe Thomas Tuchel wird es nicht sein, obwohl er durchaus eine Phantasie für diese Mannschaft entwickelt hätte und aus alter Stuttgarter Verbundenheit eine Weile auch sehr interessiert war. Aber das Thema war schon vor Dutts offiziellem Dienstantritt im Januar kein echtes Thema mehr, inzwischen gilt der Schwabe Alexander Zorniger als Favorit. Offiziell besiegelt ist diese Personalie aber noch nicht, das hat ja auch keine Eile. Der VfB hat ja gerade erst einen Trainerwechsel hinter sich. Er hat Stevens durch Stevens ersetzt.

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