VfB-Profi Daniel Didavi:Zidane vom Neckar

Carl Zeiss Jena v VfB Stuttgart  - DFB Cup

Leidenschaftlicher Fußball-Profi: VfB-Spieler Daniel Didavi

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Christof Kneer

Als der weise Professor Lucien Favre im Juli gefragt wurde, welche Mannschaft in der anstehenden Bundesliga-Saison wohl das neue Gladbach werden könnte, da musste er nicht lange überlegen. "Stüttgaaart, ooh Stüttgaaart!!!" rief er unter Zuhilfenahme mehrere Ausrufezeichen: Stüttgaaart könne die Überraschungself werden. Bei der Frage nach dem Grund für diese innovative Einschätzung überlegte er noch kürzer, er überlegte eigentlich fast gar nicht mehr. "Ginczek!", rief er mit Betonung auf der letzen Silbe , und "Kostic!" und dann, kurze Pause vor dem Höhepunkt: "Didavi!".

Man sollte Favre überhaupt viel häufiger nach Spielernamen fragen, und wer jemals in diese glückliche Lage kommt, dem sei empfohlen, sofort die Aufnahmefunktion des Handys zu aktivieren. Bei keinem anderen Trainer klingen Spielernamen so sehr nach Chanson. Di-da-víííí!

Mit so einem Namen müsste man eigentlich Spielmacher der französischen Nationalelf sein, aber Didavííí ist bisher eher ein Zidane vom Neckar geworden. Immerhin ist er damit der beste Spieler beim VfB Stuttgart, der Favre im Übrigen auf kuriose Weise Recht gegeben hat.

Ja, der VfB ist eine Überraschungself geworden, aber anders als erwartet. Bisher überraschte der VfB mit einer nicht zählbaren Menge an Torchancen, von denen eine ebenfalls nicht zählbare Menge verschlampert und verschleudert wurde. Sehr zählbar ist deshalb die Anzahl der Punkte, die Favres Geheimtipp in zehn Spielen gesammelt hat. Es sind sieben.

Daniel Didavi, 25, ist eigentlich völlig deplatziert im Tabellenkeller, eigentlich hat er mit seinem Talent nichts verloren in einer Elf, die in der Tabelle hinter dem sonntäglichen Gegner Darmstadt 98 liegt, aus dessen Spielernamen sich kaum Chansons herstellen lassen. Andererseits ist Didavi froh, dass er überhaupt wieder Spiele gegen Darmstadt bestreiten kann. Er ist ein Profi, der alles hat, was es für eine größere bis große Karriere braucht, aber er ist eben auch ein Profi, bei dem alle immer zittern, ob er überhaupt ein Profi bleiben kann.

Seit er sich Mai 2012 in einem Testspiel einen Knorpelschaden im linken Knie zuzog, weiß keiner seiner Trainer mehr so genau, ob er Didavi jetzt mitrechnen kann bei der Saisonplanung. In der Saison nach diesem Knorpelschaden (2012/13) bestritt er drei Ligaspiele für den VfB. In der Saison 2013/14 waren es sieben Spiele, in der Saison 2014/15 elf.

Didavi ist Zornigers wichtigster Mann

Daniel Didavi ist zum Teilzeit-Zidane geworden beim VfB, aber das hat gereicht, um (neben Favre) zum Lieblingsspieler weiterer Trainer aufzusteigen. Armin Veh liebt lässigen Spielmacherfußball, Huub Stevens liebt bärbeißigen Abwehrspielerfußball, aber in ihrer hemmungslosen Schwärmerei für Didavi waren sie sich einig. Didavi kann Veh glücklich machen, weil er coole Spielmacherpässe spielt. Und er kann Stevens glücklich machen, weil er nicht wie ein anständiger Spielmacher stehen bleibt, wenn er seinen Pass gespielt hat. Er haut sich rein, er grätscht und rempelt und fürchtet weder eine gelbe Karte noch die Knorpel im linken Knie.

Im Moment mache Didavis Knie "einen stabilen Eindruck", sagt Robin Dutt, der Sportvorstand des VfB. Es hat ja eine gewisse Ironie, dass Ginczek und Kostic zurzeit verletzt fehlen, während Didavi, der vermeintlich anfälligste der drei Favre-Helden, den VfB retten muss. Ein Blick in die Statistik hilft, um den Wert dieses Profis für seinen grundsätzlich kriselnden Heimatverein zu verstehen: Er hat bisher tatsächlich alle zehn Saisonspiele bestritten, und nur in zwei dieser zehn Spiele gab es kein Didavi-Tor oder keine Didavi-Vorlage zu protokollieren.

Vier Tore hat er erzielt, vier hat er vorbereitet, und das, obwohl er in der fanatischen Spielidee des Trainers Alexander Zorniger nicht nur als Passgeber, Dribbler und Torschütze eingeteilt ist, sondern auch als Balljäger, Abwehrspieler-Anläufer und Torwart-Attackierer. Dass das alles etwas viel verlangt ist, sieht man am Punktestand des VfB und an den dazugehörigen Profis, die mitunter überfordert wirken von diesem radikalen Multitasking. Nur Didavis Spiel sieht man die Überforderung kaum an.

Wechelt er im Sommer nach Leverkusen?

Man darf die These wagen, dass der VfB vielleicht gar kein grundsätzlich kriselnder Klub wäre, wenn sein bester Spieler in den letzten Jahren statt sieben immer 27 Spiele gemacht hätte. Der Schwabe Didavi hätte zum Gesicht eines neuen VfB werden können, aber ohne ihn ist der Klub auf ein Maß geschrumpft, das dem Spieler nicht mehr gerecht wird. Im Juni 2016 endet Didavis Vertrag, und beim VfB ahnen sie, dass sie ihm nichts Begabungsadäquates bieten können.

Schon diesen Sommer wäre Didavi gern zu Bayer Leverkusen übergelaufen, aber Dutt hat ihn nicht gehen lassen. "Wir wollen ihn immer noch halten, wir müssen unser neues Vertragsangebot nur ausdrucken", sagt Dutt; aber alle gehen davon, dass der Trainerlieblingsspieler den Wechsel nach Leverkusen im Sommer 2016 nachholen wird.

Wenn das Knie hält, hat Daniel Didavi noch viel Karriere vor sich. Seit sieben Jahren ist er Profi, aber wegen des Knies hat er erst 62 Erstligaspiele absolviert - neun weniger als sein 19-jähriger Teamkollege Timo Werner.

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