VfB-Niederlage gegen Gladbach:Die Schallplatte hängt

Lesezeit: 3 min

Oben auf: Granit Xhaka (r.) traf für Gladbach ins Tor, Stuttgarts Daniel Didavi nur die Latte. (Foto: Daniel Maurer/dpa)
  • Der VfB erarbeitet sich gegen Gladbach gute Chancen - und verliert mal wieder: 1:3.
  • Auch die Analysen des Trainers wiederholen sich. Trotzdem bekommt er Unterstützung vom Sportdirektor.
  • Alle Ergebnisse und die Tabelle der Bundesliga finden Sie hier.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Auch nach dem Schlusspfiff endete das Spektakel für die Spieler des VfB Stuttgart wie schon zuvor während des Spiels - abrupt vor dem Strafraum. Bis zum Sechzehner liefen die Profis, nachdem ihr Trainer Alexander Zorniger den Kreis an der Mittellinie aufgelöst hatte. Nicht weiter. Denn die Fans in der Cannstatter Kurve strahlten kein großes Verlangen nach Nähe aus. Sie pfiffen nach der 1:3 (0:2)-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach nicht, aber nach der vierten Niederlage im vierten Heimspiel spendeten sie nur höflichen Applaus, wie ein distinguiertes Theaterpublikum.

FC-Bayern-Sieg in Mainz
:Lewandowski will ein Joker bleiben

Bayern-Trainer Pep Guardiola lässt den Polen in Mainz von Beginn an spielen, doch der nimmt erst nach der Pause an der Partie teil. Und entscheidet sie flugs.

Von Thomas Hummel

Sie hatten während des Spiels genug gesehen, was sie schon kannten. Der VfB spielte wieder recht ansehnlichen Fußball, aber eben nur bis zum Strafraum. Sobald die Spieler in der Box waren, wie die Engländer sagen, schienen sie wieder von einer höheren Macht am Erzielen von Toren gehindert zu werden.

"Es ist eine schwierige Situation, weil ich nicht weiß, wo ich ansetzen soll", sagte Zorniger, "wir erspielen uns in jedem Spiel viele Chancen, aber wir machen einfach keine Tore." Auch der VfB-Trainer wiederholt sich seit Saisonbeginn. Seine Analysen, vor allem der Heimspiele, klingen wie alte Platten, die von Kratzern schon übersät sind. Für Gladbach endete dagegen eine aufregende Woche mit dem zweiten Sieg nacheinander.

Der überraschende wie seltsame Rücktritt von Lucien Favre scheint die Mannschaft von einer unsichtbaren Last befreit zu haben, unter Interimstrainer André Schubert spielen die gleichen Spieler plötzlich nicht mehr verzagt, sondern mutig, fast angriffslustig. "Wir fahren jetzt glücklich nach Hause", sagte Schubert.

Zorniger versuchte es mit einem ruhigeren Ansatz

Vor der Partie hatte es zwischen Stuttgart und Gladbach einige Gemeinsamkeiten gegeben. Auch Stuttgart hatte während der englischen Woche das erste Saisonspiel gewonnen. Deshalb hatte Zorniger auch keine Veranlassung gesehen, an der Startformation etwas zu verändern. Aber der Trainer änderte etwas an der Herangehensweise, seine Spieler sollten nicht von der ersten Sekunde an mit so viel Tempo und Wucht spielen wie es sein radikales Pressing-Konzept eigentlich vorsieht - und wie es die Stuttgarter zuletzt im Heimspiel gegen Schalke praktizierten, als sie etwa 999 Chancen vergaben.

Sie verteidigten wieder hoch mit der Viererkette, fast in der gegnerischen Hälfte, aber sie rannten nicht jedem Ball nach, sondern überließen diesen auch mal bereitwillig den Gladbachern für längere Stafetten. Auch der impulsive Zorniger ließ es diesmal ruhiger angehen und lehnte sich in der Anfangsphase fast entspannt an das Außengestänge der überdachten Spielerbank, statt die Coachingzone gleich wieder als Gefängniszelle zu empfinden.

Bis zur ersten schönen Kombination vergingen dann auch zehn Minuten. Timo Werner zog über rechts in den Strafraum ein und spielte flach auf Daniel Ginczek, der allerdings über den Ball trat; Daniel Didavi hinter ihm war zu überrascht, um den Ball aufs Tor zu schießen. Trotz des etwas gehemmten Angriffsfußballs des VfB blieb den Gladbachern zunächst kaum Raum und keine Zeit für ihre Konter, im Gegenteil: Andreas Christensen schlug nach einer Viertelstunde den Ball weit und hoch auf die Gegentribüne.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Quo vadis Thomas Müller?

Der Stürmer bleibt zum dritten Mal ohne Tor und landet auf dem Hosenboden. Robert Lewandowski beendet seine "Flaute" nach 80 Minuten und Trainer Guardiola sieht bei Rafinha verborgene Talente.

Von Jonas Beckenkamp, Mainz

Und doch waren es die Gladbacher, die in Führung gingen. Nach einem Freistoß von Raffael zögerte VfB-Torhüter Przemyslaw Tyton einen Moment, er wusste nicht, ob er den langen Ball fangen oder fausten sollte, machte also zwei Schritte vor, einen wieder zurück. Ein Fehler, Granit Xhaka köpfelte den Ball ins Tor (17.). Nur drei Minuten später führten die Gäste schon 2:0, weil Stuttgarts Kapitän Christian Gentner einen an sich harmlosen Kopfball von Patrick Hermann gegen die Laufrichtung seines Torwarts ins eigene Tor lenkte.

Die Fußballgötter
:Nicht anfassen!

Haben die Schiedsrichter eine "Anfassphobie"? Hoffenheims Trainer Markus Gisdol findet es heraus.

Mit der Noblesse eines Oberkellners legten die Stuttgarter auch in der Folgezeit die Bälle für die Gladbacher auf, dennoch durften die Heimfans in der Pause wieder auf den ersten Heimsieg hoffen. Daniel Ginczek verwandelte in der 40. Minute einen Foulelfmeter zum 1:2.

In den ersten fünf Minuten nach dem Seitenwechsel musste sich Zorniger allerdings wie der Trainer einer Schülermannschaft vorkommen, welcher er gerade das einfache Passen mit dem Innenrist beigebracht hat. Die zwei Innenverteidiger Timo Baumgartl und Toni Sunjic stürzten mit ihren Zuspielen den eigenen Torwart in Kalamitäten, doch weder Lars Stindl noch Raffael konnten die Slapstick-Einlagen verwerten. "Meinen Spielern ist wohl die Bedeutung von 1:1-Situationen nicht klar", schimpfte Zorniger.

Dutt wie der Seminarleiter eines Rhetorik-Kurses

Aber auch an den Aktionen im gegnerischen Strafraum hatte der 47-Jährige keine Freude. 22 Mal schoss seine Mannschaft wieder aufs Tor, doch bis auf den Elfmeter ging nicht ein Ball über die Linie, obwohl Ginczek (57.), Gentner (57.), Daniel Didavi (59.) und Alexandru Maxim (69.) wieder beste Torgelegenheiten hatten. Stattdessen mussten sie sogar noch das 1:3 durch Raffael hinnehmen (90.). "Wir spielen nicht wie eine Mannschaft, die unten drin steht", sagte Ginczek, "aber wir müssen unsere Dominanz schnellstens in Ergebnisse ummünzen." Noch so ein Satz, der einem nur zu bekannt vorkam.

An Alexander Zornigers Spektakelfußball will auch Robin Dutt nichts ändern. "Der Trainer ist nicht das Problem, sondern die Lösung", sagte der Sportchef. Er hörte sich wie der Seminarleiter eines Rhetorik-Kurses für kriselnde Führungskräfte an.

© SZ vom 27.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: