Vettel und Ferrari:Suche nach vergangener Pracht

Sebastian Vettel Fernando Alonso Ferrari

Neue Wege: Sebastian Vettel, r., ersetzt Fernando Alonso bei Ferrari.

(Foto: dpa)

Als es offiziell wird, wirkt Sebastian Vettel erschöpft. Sein Wechsel zu Ferrari zog sich lange hin, sogar ein Twitter-Fake-Account machte Furore. Und die Verbindung Vettel-Ferrari ist aktuell alles andere als eine Hochzeit im Himmel.

Von René Hofmann, Abu Dhabi

Es ist ein Tag des Abschieds. Und wie das oft ist in solchen Momenten: Zum Adieu möchte partout keiner ein böses Wort sagen. Sebastian Vettel sagt: "Das ist keine Entscheidung gegen irgendwen oder gegen irgendwas gewesen. Es war eine Entscheidung für meine Zukunft." Fernando Alonso sagt: "Die vergangenen fünf Jahre waren eine tolle Zeit. Am Montag werde ich zwar aufhören, ein Ferrari-Fahrer zu sein. Aber ich werde immer ein Ferrari-Unterstützer bleiben."

Den Platz des 33 Jahre alten Spaniers bei der Scuderia wird dann Sebastian Vettel einnehmen. Zu ahnen war das lange schon gewesen; bereits Anfang Oktober hatte Vettel verlautbart, dass er Red Bull verlassen wird. An diesem Donnerstag schließlich gab es die Bestätigung zu der Nachricht, um die es zuletzt eine Jagd gegeben hatte, die immer absurdere Züge angenommen hatte. Nach dem Großen Preis von Brasilien vor zwei Wochen hatte Sky Italia - gegen alle Absprachen - Bilder veröffentlicht, die Vettel beim Ausfüllen eines Fragebogens gezeigt hatten. Auf die Frage "Sebastian Vettel ist . . ." hatte der 27-Jährige ergänzt: ". . . ein Ferrari-Fahrer". In der Bild am Sonntag hatte Vettel selbst bereitwillig darüber geplaudert, wie das sei, bald seinen Freund Kimi Räikkönen als Teamkollegen zu haben.

Im Frühjahr sollte Alonso seinen Vertrag noch verlängern. Im September kündigte er

Am Mittwoch war die Deutsche Presseagentur auf die Meldung eines Fake-Twitter-Accounts hereingefallen und hatte voreilig verbreitet, der Wechsel des viermaligen Weltmeisters sei perfekt. Erst der Tag vor dem ersten Training zum letzten Saisonrennen, das am Sonntag um 14 Uhr in Abu Dhabi gestartet wird, aber brachte Klarheit: 10.55 Uhr - Ferrari gibt bekannt, dass der noch zwei Jahre laufende Kontrakt mit Alonso aufgelöst wird. "In gegenseitigem Einvernehmen", wie es heißt. 11.21 Uhr - Ferrari begrüßt Vettel als neuen Fahrer. Und gibt ein nicht unwesentliches Detail zu dessen Vertrag preis: Das Schriftstück gilt für drei Jahre. Bis 2017 gibt man sich also erst einmal Zeit, gemeinsam alte Höhen zu erklimmen.

"Für mich geht ein Kindheitstraum in Erfüllung", sagt Vettel, "ich muss nicht betonen, wie magisch Ferrari ist und welche Strahlkraft es hat. Ich werde Teil einer Legende." So viel Pathos dürfte gut ankommen in Italien. Aber Vettel wirkt fast erschöpft, als er die Sätze auf der obligatorischen Pressekonferenz zum Auftakt des Rennwochenendes sagt. Es sieht so aus, als habe das enttäuschende Jahr und das quälende Warten auf die Bestätigung des Wechsels Spuren hinterlassen. Vettel und Ferrari: Im Lichte der aktuellen Resultate betrachtet ist das alles andere als eine Hochzeit im Himmel. Es ist eher eine Zweckehe zweier Größen, die um vergangene Pracht ringen.

Schon vor dem letzten Rennen, in dem es - um die Spannung zu erhöhen - doppelt so viele Punkte gibt wie in den 18 anderen in diesem Jahr, ist klar: Sebastian Vettel kann seinen Teamkollegen Daniel Ricciardo nicht mehr überholen. Der Australier hat den Serien-Sieger der vergangenen Jahre entzaubert. Ihm glückten 2014 drei Siege, Vettel glückte noch nicht einer. Bei seinem neuen Arbeitgeber sieht es ähnlich aus. Ferrari rangiert in der Konstrukteurs-Wertung hinter Mercedes, Red Bull und Williams lediglich auf Rang vier. Zuletzt war die Scuderia 2009 ähnlich schlecht. Auch dem Rennstall glückte 2014 noch kein Triumph. Sein letztes siegloses Jahr ist schon etwas länger her: Es war 1993.

Alonso hätte im Frühjahr verlängern können

Die Ergebniskrise war es, die Alonso in die Flucht trieb. Der Weltmeister der Jahre 2004 und 2005 war vor fünf Jahren zu Ferrari gewechselt, um endlich seinen dritten Titel zu gewinnen. 2010 und 2012 hatte er die Chance dazu: Zweimal unterlag er im Saisonfinale Vettel. Bereits im vergangenen Jahr, so erzählte Alonso es am Donnerstag neben Vettel sitzend, hätten ihn Zweifel beschlichen, ob er seinen noch bis Ende 2016 laufenden Rentenvertrag bei Ferrari wirklich erfüllen solle. Der damalige Ferrari-Präsident Luca Cordero di Montezemolo habe ihn überredet weiterzumachen. Montezemolo habe ihm versprochen: Wenn Ferrari mit dem neuen Technik-Reglement nicht klarkomme und der Sechszylinder-Turbo-Hybrid-Motor aus dem Hause nicht stark genug sei, könne man sich ja noch einmal zusammensetzen.

Der fünfte Deutsche

Deutsche Formel-1-Fahrer für Ferrari

Hans Stuck: ein Rennen 1952, GP Italien/nicht qualifiziert

Kurt Adolff, ein Rennen 1953, GP Deutschland/Ausfall

Wolfgang Graf Berghe von Trips, 25 Rennen von 1957 bis 1961, zwei Siege

Michael Schumacher, 179 Rennen von 1996 bis 2006, 72 Siege, fünf WM-Titel (2000 bis 2004)

Sebastian Vettel ab 2015

Als sich abzeichnete, dass das Triebwerk zu schwach, zu schwer und zu durstig geraten war, gab es dann noch einmal eine Charme-Offensive. "Ich hatte im Frühjahr das Angebot, meinen Ferrari-Vertrag vorzeitig bis 2019 zu verlängern", verriet Alonso in Abu Dhabi. Er lehnte ab. Nach dem Abschied von Teamchef Stefano Domenicali im April reifte in der Sommerpause dann der Entschluss, den Rennstall zu verlassen. Die Ablösung von Montezemolo durch Fiat-Chef Sergio Marchionne im September dürfte ein weiteres Argument dafür gewesen sein. "Ich konnte immer gut mit dem Präsidenten. Wir haben jede Woche telefoniert", so Alonso sehr konkret und - eher allgemein: "Wenn man sieht, wie sich ein Team verändert, in welche Richtung sich bestimmte Dinge verändern, dann findet man manches vielleicht gut und manches vielleicht auch nicht. Und ich habe nicht mehr so viel gut gefunden." Wie ein Glückwunsch an Vettel, die richtige Wahl getroffen zu haben, klang das nicht.

Wie es mit Alonso weitergeht, ist noch ungewiss. Die Vermutung ist, dass er zu McLaren zurückkehrt und dort Jenson Button, 34, ersetzt. Das britische Team will seine Fahrer für 2015 Anfang Dezember bekannt geben. Zum Abschied von Ferrari wird Alonso in Abu Dhabi mit einem besonderen Helm antreten. Auf diesen hat er die italienische Flagge lackieren lassen. Und die Unterschriften aller Teammitglieder.

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