Vettel in Barcelona:Gestörte Beziehung zu Suzie

Spanish Formula One Grand Prix

Nach vier Runden geht nichts mehr vorwärts: Sebastian Vettel in Barcelona.

(Foto: dpa)

Sebastian Vettel hat vor dem Großen Preis von Spanien seinen Rennwagen aufbauen lassen. Der Formel-1-Weltmeister hofft, mehr Sicherheit und Selbstvertrauen zu bekommen - und womöglich endlich die Konkurrenz anzugreifen. Nun streikt im Training die Elektronik.

Von René Hofmann, Barcelona

Es ist überall das Gleiche. Wo die Formel 1 auch hinkommt, die Fahrer werden gefragt: Wie gefällt es Ihnen hier? Und so erging an Sebastian Vettel vor dem Großen Preis von Spanien auf dem Circuit de Catalunya (Qualifikation Sa., Rennstart So., jeweils 14 Uhr/RTL) die Frage: "Mögen Sie diese Strecke? Mögen Sie spanische Fans?" Vettel gab routiniert zurück: "Ja, ich mag diese Strecke. Ja, ich mag die spanischen Fans. Ich mag auch das Wetter, die spanische Sonne, die vielen deutschen Zuschauer." Am Ende all der Routine fügte er noch an: "Es wäre schön, wenn ich das Rennen in meinem alten Auto bestreiten könnte. Dann würde ich mich noch mehr wie zu Hause fühlen." Vettel und sein Auto - auch vor dem fünften Saisonrennen ist das eine spannende Beziehung.

"Suzie" hat der 26-Jährige den Red Bull Nummer zehn getauft, weil "RB 10" so selenlos und sperrig klingt. Vettel hält das immer so. In den vergangenen vier Jahren, als er vier Titel in Serie gewann, gaben "Luscious Liz" und "Randy Mandy" und all die anderen leicht lasziven Kosenamen viele Wortspiele her. Mit Suzie aber wurde er bisher schlicht nicht warm. Sie "rutscht einfach ein bisschen zu viel an den falschen Stellen": Auf diese Formel bringt Vettel es, wenn er seine Probleme für den Laien erklären soll.

Im vergangenen Jahr durften die Auspuffgase über Flügel strömen. Das ist nun verboten. Suzies Heck haftet deshalb nicht mehr so fest am Asphalt wie das ihrer Vorgängerin - damit kommt Vettel bislang nicht klar. Nachdem er beim Großen Preis von China in Shanghai abgehängt worden war, bezeichnete er sein Gefährt sogar als "Bock".

Ricciardo schwärmt, Vettel schimpft

Im Qualifikations-Vergleich mit dem neuen Teamkollegen Daniel Ricciardo, der vom kleinen Red-Bull-Team Toro Rosso aufstieg, steht es 1:3. In den vergangenen zwei Rennen wurde Vettel befohlen, für den zwei Jahre jüngeren Rivalen von der Ideallinie zu fahren - öffentlich, über den Boxenfunk. Für einen Champion eine ungewöhnliche Demütigung. Anders als Vettel bereitet Suzies Heck Ricciardo keine Probleme. Der Australier schwärmt sogar von dem Auto, das Vettel beschimpft: "Ich fühle mich gut hinterm Lenkrad."

Wie tief die Verunsicherung reicht, lässt sich daran erkennen, dass Vettel für die Fahrt über die Hügel nördlich von Barcelona quasi ein neues Auto gebaut wurde. Seine Fahrgastzelle wurde getauscht. Das Monocoque ist der Kern jedes Formel-1- Autos, daran werden alle Anbauteile geschraubt. Selbst kleinste Risse im Monocoque können drastische Auswirkungen haben. Für die sensiblen Fahrer fühlt sich das Auto dann "weich" an, sie verlieren das Vertrauen, die Beziehung zu ihrem Sportgerät ist erschüttert. Wie bei Vettel und Suzie. Deshalb der Wechsel. Nur: Am alten Monocoque wurden gar keine Risse gefunden, auch keine kleinen. "Letzten Endes entschließt man sich manchmal dazu, alles zu wechseln, um auf Nummer sicher zu gehen, auch wenn man nichts Messbares oder Greifbares in der Hand hat", sagt Vettel. Der Tausch ist einer, der die Psyche streicheln soll. Vertrauen und Selbstvertrauen - das sind gerade Schlüsselworte.

Liegengeblieben nach nur vier Runden

Auch ungewöhnlich: Das neue Monocoque ist keineswegs wirklich neu. Die Überlebenszelle war bereits bei Testfahrten im Winter zum Einsatz gekommen. "Ein junger Gebrauchter sozusagen", sagt Vettel. Zurück in die Komfortzone - unter diesem Motto könnte der ganze Umbau stehen.

Anderes Benzin wird Suzie in Barcelona auch bekommen. Mit den neuen Sechs- zylinder-Turbo-Hybrid-Antriebseinheiten ist es wichtig, aus jedem Tropfen Treibstoff so viel wie möglich herauszuholen. Ferrari gewann durch neues Benzin beim jüngsten Auftritt vor drei Wochen in China angeblich sieben PS, die halfen, den Rückstand auf Mercedes zu verringern. Fernando Alonso wurde bei der Gelegenheit Dritter. Vor seinem Heimspiel warnt der Spanier aber vor ähnlichen Erwartungen: "Von einer Podiumsplatzierung zu sprechen, wäre vermessen", so der 32-Jährige, der seinen letzten Sieg vor einem Jahr an gleicher Stelle feierte: "Mercedes dominiert bisher mit einem deutlichen Vorsprung. Das Einzige, was uns etwas helfen könnte, ist die Charakteristik der Strecke hier."

Der Circuit de Catalunya ist die erste Station in Europa. Viele Teams haben viele neue Teile mitgebracht, aber wirklich optimistisch klingt nach vier Mercedes-Siegen in Serie keiner der Verfolger. Auch Vettel nicht. "Das war schon eine große Lücke. Um diese zu schließen, müsste uns ein sehr, sehr großer Schritt geglückt sein. Man braucht nicht wirklich darüber zu reden, wer hier der Favorit ist", sagt er.

Lewis Hamilton oder Nico Rosberg - darauf dürfte es ganz vorne wieder hinauslaufen. Der Frage "landet Vettel mal wieder vor Ricciardo?", nimmt das aber nur wenig ihrer Brisanz. "Ich bin nicht da, um Zweiter zu werden oder Fünfter", sagt Vettel über seine Ansprüche. Gut begonnen hat der Grand Prix für ihn nicht: Im ersten Training am Freitag blieb er nach vier Runden liegen. Elektronikprobleme. Zum zweiten Training am Nachmittag konnte der Titelverteidiger gar nicht antreten.

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