Vettel holt auf:Gestärkt in den Schlussspurt

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Mit einem neuen Techniktrick am Rennwagen und einer überzeugenden Fahrt sichert sich Formel-1-Pilot Sebastian Vettel in Japan einen überlegenen Sieg. In vier Wochen hat Vettel 35 Punkte auf Fernando Alonso aufgeholt und nun wieder alle Chancen auf den Gewinn der WM.

René Hofmann

Er ist zurück im Titelrennen: Sebastian Vettel bei seinem Triumph in Japan. (Foto: AP)

Der große Verlierer des Formel-1-Rennens in Japan stand fest, lange bevor der Sieger das Ziel erreichte. Ferrari-Fahrer Fernando Alonso, seit dem Großen Preis von Europa Ende Juni in Valencia der Führende der WM-Wertung, kam lediglich wenige Hundert Meter weit. Im Getümmel der ersten Kurve kreiselte der Spanier ins Aus, was vor allem einem Rivalen Recht kam: Sebastian Vettel, 25, mit Red Bull in den vergangenen zwei Jahren Weltmeister. Auf der anspruchsvollen Strecke in Suzuka glückte ihm nicht nur der dritte Sieg in diesem Jahr. Vettel glückte vor allem ein mächtiger Schritt Richtung Titelverteidigung. Mit dem 24. Formel-1-Triumph seiner Karriere stellte er die Marke des legendären Argentiniers Juan Manuel Fangio ein und verkürzte den Rückstand in der Fahrerwertung dramatisch: Vor vier Wochen lag Vettel 39 Zähler hinter Alonso, nun trennen die beiden lediglich noch vier Punkte. "Mit Blick auf die WM war das heute ein wichtiger Schritt", wusste Vettel.

Überzeugend war vor allem die Art, in der ihm der Schritt gelang: Mit nur wenigen Runden hatte sich Vettel am Samstag die beste Startposition gesichert, vor seinem Teamkollegen Mark Webber. McLaren-Pilot Jenson Button, der schnellste Nicht-Red-Bull-Fahrer, der wegen eines Getriebewechsels anschließend um fünf Startplätze strafversetzt wurde, war fast eine halbe Sekunde langsamer. Im Rennen setzte sich diese Dominanz fort. Obwohl ihm der Kommandostand per Funk ausdrücklich ermahnte, die Solo-Fahrt zum Sieg mit keiner Unüberlegtheit zu gefährden, ließ Sebastian Vettel es sich nicht nehmen, auf dem vorletzten Umlauf noch die schnellste Rennrunde zu drehen. Sein Auto sei einfach zu gut gewesen, um jemand anderen diese Ehre zu überlassen, für die es keinerlei Extra-Punkte gibt, meinte Vettel dazu. "Wenn man nachts von einem Rennwagen träumt, dann von so einem", sagte er, nachdem er sich 95 Minuten lang dem Hochgeschwindigkeits-Gefühl hingegeben hatte.

"Er ist ein perfektes Rennen gefahren", lobte Teamchef Christian Horner. Bestes Beispiel dafür: "Die Reifen haben länger gehalten, als wir es brauchten", so Horner. Um Ferrari-Fahrer Felipe Massa und Sauber-Lenker Kamui Kobayashi auf Distanz zu halten, musste Sebastian Vettel nicht wirklich ans Limit gehen. Die anderen 21 Teilnehmer hatten ohnehin keine Siegchance: Button war als Vierter bester McLaren-Fahrer, sein Teamkollege Lewis Hamilton schaffte es nach einer völlig verpatzten Qualifikation noch auf Rang fünf. Kimi Räikkönen im Lotus wahrte als Sechster seine Außenseiterchancen im Titelkampf, Nico Hülkenberg war im Force India als Siebter der zweitbeste Deutsche.

Ein enttäuschendes Wochenende erlebten die Mercedes-Fahrer. Michael Schumacher verpasste nach seiner Strafversetzung auf Startplatz 23 wegen einer vermeidbaren Kollision beim Rennen in Singapur als Elfter einen WM-Punkt knapp. Für seinen Teamkollegen Nico Rosberg war die Dienstfahrt nach 22 Sekunden bereits vorüber. Der 27-Jährige stand an Position 13 an der Startampel, mitten drin im Feld also. In dem Durcheinander, das erneut der Franzose Romain Grosjean mit seinem Lotus in der ersten Kurve angerichtet hatte, wurde er ins Aus gedrängt.

Ein Leidtragender des Kuddelmuddels war auch Sebastian Vettels Teamkollege Mark Webber. Eine halbe Minute lang musste sein Auto nach der Berührung mit Grosjean an der Box nach Schäden untersucht werden, was den Australier auf den letzten Rang zurückfallen und am Ende lediglich Neunter werden ließ. Nach dem Rennen suchte der 36-jährige Routinier den zehn Jahre jüngeren Grosjean auf, um ihm ein wenig Nachhilfe zu erteilen: "Wir versuchen alle, ein möglichst gutes Resultat zu erreichen, aber ihm geht es offenbar nur darum, so schnell wie möglich in die dritte Kurve zu kommen", zürnte Webber. Grosjean, der in dieser Saison mehr als ein halbes Dutzend Unfälle erlebt hat, wurde von den Rennkommissaren mit einer Stop-and-Go-Strafe belegt. "Keineswegs angemessen" fand das Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko: "Der gehört drei Rennen gesperrt."

Bitterer Tag für Fernando Alonso: In Japan scheidet er früh aus und büßt an Vorsprung ein.  (Foto: dpa)

Die Szene diente den Verantwortlichen bei dem Rennstall, der in der Konstrukteurswertung mit einem deutlichen Vorsprung führt, als Mahnung, wie schnell sich in diesem Jahr alles ändern kann. 2011 war Vettel in Suzuka bereits als Weltmeister gekrönt worden; auf den vier Rennen, die anschließend noch folgten, drehte er Ehrenrunden. Nun warten noch fünf Auftritte: Am kommenden Sonntag gastiert die Formel 1 in Südkorea, zwei Wochen später geht es in Indien rund. Nach dem Auftritt in Abu Dhabi Anfang November folgt das Debüt in Austin im US-Bundesstaat Texas, bevor die Saison am 25. November mit dem Klassiker in Sao Paulo ausklingt.

Vettel und Red Bull wirken für den Schluss-Spurt gut gerüstet: In Japan beflügelte die dunkelblauen Rennwagen ein Aerodynamik-Trick im Heck, dank dem die zuvor vorhandene Schwäche des Autos in schnellen Kurven offenbar Geschichte ist. "Jetzt braucht Sebastian nur noch ruhig weiterfahren, um zum Titel zu kommen", glaubt deshalb nicht nur RTL-Experte Niki Lauda. Auch Red-Bull-Berater Helmut Marko klingt alles andere als kleinlaut, wenn er ankündigt: "Mit uns ist jetzt wieder zu rechnen. Wir wollen die WM von vorne gewinnen."

Vier Punkte muss Vettel dazu noch auf Alonso aufholen, der in Suzuka erst zum zweiten Mal in diesem Jahr ohne Punkte blieb. Nach dem Ausfall haderte der 31-Jährige über die Linienwahl seines Unfallgegners Kimi Räikkönen: "Keine Ahnung, was er in der ersten Kurve vorhatte." Die Auswirkungen der Nullrunde auf seine Titelchancen spielte der zweimalige Weltmeister routiniert herunter: "Jetzt warten eben fünf Mini-Weltmeisterschaften auf uns."

© SZ vom 08.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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