Vertragsverlängerung von Lahm und Müller:Hallo Deutschland

Mit der Vertragsverlängerung von Philipp Lahm und Thomas Müller sendet der FC Bayern während der Vorbereitung der Nationalmannschaft auf das erste WM-Gruppenspiel gegen Portugal ein starkes Zeichen. Auch an Bundestrainer Jogi Löw.

Von Christof Kneer, Santo André

Seinen neuen Vertrag beim FC Bayern hatte Philipp Lahm schon unterschrieben, als er ins Flugzeug nach Brasilien stieg. Im Kopf ist Lahm schon immer Mittelfeldspieler gewesen, er ist einer, der die Dinge strukturiert haben möchte. Er will das Spiel unter Kontrolle haben, er mag dieses Gefühl: alles erledigt zu haben, was zu erledigen ist.

Deshalb hat er auch im Testspiel gegen Armenien nochmal die Dinge im Mittelfeld strukturiert, er wollte nach seiner Verletzung unbedingt nochmal 45 Minuten Spielpraxis mit nach Brasilien nehmen; und deshalb hat er vorher mit einem kurzen Autogramm auch noch schnell seine Zukunft geklärt.

Als Lahm am Dienstagmittag Ortszeit als Kapitän der Nationalelf auf dem Pressepodium saß, hat er nichts davon erzählt, dass der Kapitän des FC Bayern vor zehn Tagen seinen bis 2016 laufenden Vertrag bis 2018 verlängert hat. Er wusste nicht, dass die Nachricht ein paar Stunden später durchsickern würde, sonst hätte er bestimmt ein paar Sätze dazu gesagt.

Ein grober Verlust war das allerdings nicht, denn die Sätze, die Lahm bestimmt gesagt hätte, wären so unspektakulär gewesen, dass man sie auch ungesagt in die Zeitung schreiben kann. Lahm hätte gesagt: Dass er sich in München immer noch sehr wohl fühle. Dass er zu einem früheren Zeitpunkt hätte wechseln können, aber immer an den Erfolg des FC Bayern geglaubt habe. Dass er seine Karriere 2018 in München beenden wolle.

Und natürlich: dass er sich freue, dass auch sein Kumpel Thomas Müller vorzeitig verlängert habe, bis 2019. Auch diese Nachricht erreichte Brasilien am Dienstagabend Ortszeit.

Das Zeichen, das der FC Bayern ans andere Ende der Welt sendet, ist stark und mächtig, das Zeichen heißt: Hallo Deutschland, du darfst dich jetzt ruhig für ein paar Wochen in WM-Stimmung denken, aber der FC Bayern ist größer als all das. Die Bayern sind da wie ihr Kapitän, sie wollen die Dinge erledigt haben, bevor sie der WM die Bühne überlassen.

Es ist eine Vereinsgeschichte, die jetzt mitten in die Nationalmannschafts-Zeit platzt, aber der Bundestrainer wird da nicht neidisch sein. Joachim Löw kann in seinem Kader gerade jede Form von Sicherheit gut gebrauchen, und vor allem Müller stand zuletzt ja im Zentrum von jener Sorte Spekulationen, die kein Trainer mag, und schon gar nicht bei einem Turnier. Geht er zu Manchester United und seinem alten, schrägen Förderer Louis van Gaal? Wird er Deutschlands vierter Nationalspieler beim FC Arsenal? Geht er gar nach Barcelona, weil ihn in München ausgerechnet jener Trainer vertrieben hat, der aus Barcelona kommt?

Die Bayern würden "auf Teufel komm raus alles versuchen, um Müller zu halten", das hat Löw schon im Trainingslager in Südtirol gesagt. Er hat gewusst, dass Müller zuletzt nicht ganz glücklich war, aber er hat auch gewusst, dass Müller das ist, was auch Lahm ist: ein Bayer.

Lahms Wunsch: Bis 2018 verlängern

Niemand muss glauben, dass Lahm ohne sein Bekenntnis zu Bayern ein entscheidender Fehlpass rausgerutscht wäre bei der WM, niemand muss meinen, dass Müller ohne neuen Vertrag einen halben Meter weniger gelaufen wäre.

Trotzdem sind derartig wuchtige Bekenntnisse dazu angetan, jeden Trainer zu beruhigen: Jeder Trainer vertraut am liebsten Spielern, die ihre Verantwortung kennen, und Verantwortung werden sowohl der seriöse Klassensprechertyp Lahm als auch der lässige Klassenkaspertyp Müller künftig mehr denn je haben - jeder auf seine Weise.

Der Kapitän will weitere vier Jahre der Spieler sein, ohne den im deutschen Fußball nichts geht

Lahm und Müller bleiben die Namen, auf die der FC Bayern - neben Manuel Neuer - seine Zukunft baut. Müller hat sich im Gespräch mit den Verantwortlichen rückversichert, dass Trainer Guardiola ihn schätzt, obwohl er kein kunstvoller Passspieler ist, sondern ein anarchischer Instinktspieler, der seine Läufe nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip setzt.

Lahm dagegen irrt selten, er trifft selten Entscheidungen, die er später bereut. Er ist vor ein paar Jahren bei Bayern geblieben, obwohl der FC Barcelona heftig um ihn warb, und jetzt ist Bayern so groß, dass der Trainer aus Barcelona freiwillig zu Bayern übergelaufen ist.

Philipp Lahm ist 30 Jahre alt, und seine vorzeitige Vertragsverlängerung sagt vor allem eines: dass er weitere vier Jahre der Spieler sein will, ohne den im deutschen Fußball nichts geht. Lahms Macht ist erheblich, die Trainer Löw und Guardiola hören auf seinen Rat, und so wollen die Bayern die Personalie auch als Zeichen verstanden wissen: dass sie keinen Zweifel haben an dem Weg, den der Lahm-Förderer Guardiola eingeschlagen hat.

Im Frühjahr hat Bayerns Finanzvorstand Dreesen bei Lahms Management schon mal vorgefühlt, ob der Kapitän nicht vielleicht bis 2018 verlängern wolle; das traf sich insofern gut, weil Lahms Management gerade vorhatte, den FC Bayern von Lahms Wunsch in Kenntnis zu setzen. Lahms Wunsch: Er wolle bis 2018 verlängern.

Lahm hat beschlossen, dass ihm Fußball noch viel zu leicht fällt, um in zwei Jahren aufzuhören, aber sechs Jahre traut er sich nicht mehr zu. Lahm ist kein Typ, der seine Karriere bei Al Ahly oder Los Angeles Galaxy beendet, das Niveau dort würde ihn nerven.

Er wird bis 2018 bei Bayern spielen und dann aufhören, und für die Zeit danach hat er auch schon einen klaren Plan: Er wird, wie das im Branchendeutsch heißt, dem Verein erhalten bleiben. Wenn Thomas Müllers Vertrag 2019 ausläuft, könnte es gut sein, dass der Manager Lahm ihm einen neuen gibt.

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