Verletzungssorgen des BVB gegen Bayern:Ohne vier plötzlich Außenseiter

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Damals, im Champions-League-Finale: Arjen Robben (links) und Mats Hummels (Mitte). (Foto: Getty Images)

Vom Verletzungspech geplagt gibt der BVB die Favoritenrolle für das Bundesliga-Spitzenspiel an den FC Bayern ab - auch von der Meisterschaft will Geschäftsführer Watzke vorerst nichts mehr wissen. Doch gänzlich sorgenfrei sind auch die Münchner nicht.

Von Johannes Knuth

Ein Schlag auf den Schienbeinkopf ist keine schlimme Sache, dieses Grundwissen in Anatomie haben sie sich nun auch in Dortmund angeeignet. Schlag auf den Wadenbeinkopf, das ist laut BVB-Trainer Jürgen Klopp die Diagnose für Manuel Friedrich. Der von Borussia Dortmund akquirierte Innenverteidiger war im Testspiel gegen Paderborn vom Platz gehumpelt, Beobachter hatten Schlimmeres befürchtet - doch Friedrich wird beim Bundesliga-Duell am Samstag gegen den FC Bayern vorrausichtlich im Kader stehen. "Ich freue mich sehr auf eine coole Zeit in Schwarzgelb", ließ der 34-Jährige am Mittwoch ausrichten.

Friedrichs Diagnose bildete das halbwegs versöhnliche Ende der turbulenten Länderspielepisode aus Sicht der Borussia. Am Mittwoch hatten sich die Defensivspieler Mats Hummels (knöcherner Bandabriss) und Marcel Schmelzer (Muskelfaserriss) mittelfristig abgemeldet.

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Addiert man die ebenfalls pausierenden Neven Subotic (Kreuzbandriss) sowie Lukas Piszcek (nach Hüft-OP noch nicht fit), ergibt das eine schlechte Ausgangslage, die Dortumunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gegenüber Bild so beschreibt: "So eine Extremsituation wie jetzt habe ich beim BVB noch nie erlebt."

Watzke beweist zudem, dass sie sich in Dortmund nicht nur in Anatomie, sondern auch mit Physik bestens auskennen: "Unsere komplette Abwehr vom Champions-League-Finale ist atomisiert worden", sagt er und ergänzt: "Die Viererkette, mit der wir das Double gewonnen haben - einfach weg."

Zur Erinnerung: Die Double-Abwehr, zuletzt vereint beim Champions-League-Finale im Mai gegen die Bayern, setzt sich zusammen aus: Piszcek, Subotic, Hummels, Schmelzer. Die Abwehr, die sich dem FC Bayern am kommenden Samstag entgegenstellen wird, lautet vermutlich: Kevin Großkreutz, Sokratis, Sven Bender, Erik Durm. "Wer jetzt noch sagt, die Chancen stehen 50:50", sagt Watzke mit Blick auf Samstag, "der leidet wirklich an Realitätsverlust."

Tatsächlich droht die große Bundesliga-Sondervorstellung am Samstagabend auszufallen. Zu viele Dortmunder Hauptdarsteller sind verhindert, neben den Abwehrleuten fehlt dem BVB weiter Ilkay Gündogan. Da hilft es wenig, dass Bayerns Franck Ribéry sich in der WM-Qualifikation die Rippe gebrochen hat und am Samstag ebenfalls zuschaut. "Das ist natürlich bitter, ich wäre so gerne mit dabei gewesen. Aber ich bin sicher, unsere Mannschaft packt das dieses Mal auch ohne mich", sagt Ribéry. Zu üppig ist der Münchner Kader bestückt, zu groß sind die Dortmunder Sorgen.

Sollte Bender am Samstag tatsächlich in der Innenverteidigung aushelfen, würde wohl Sebastian Kehl ins zentrale Mittelfeld rücken. Für Kehl kommt dieser Auftrag, das lässt sich auch ohne anatomische Grundkenntnisse vorhersagen, ein wenig früh. Der Kapitän hat jüngst einen knöchernen Bandausriss auskuriert. Friedrich weist zwar enorme Bundesligaerfahrung auf (247 Spiele, etwa 100 mehr als Hummels bzw. Subotic), allerdings war der 34-Jährige seit Saisonbeginn arbeitslos, kommt ohne Spielpraxis. Bleiben als Backup Marian Sarr (18) und Koray Günter (19). Sie spielen in der zweiten Mannschaft des BVB.

Watzke sieht sich dazu veranlasst, das große Saisonziel vorläufig zurückzunehmen: "Über den Meistertitel sollten wir jetzt ganz sicher nicht reden. Wir müssen den Anschluss halten."

Sportdirektor Michael Zorc pflichtet Watzke bei, auch wenn Zorc seine Eindrücke in diplomatischere Worte kleidet: "Für uns haben sich die Rahmenbedingungen in relativ kurzer Zeit deutlich verschlechtert", sagte er dem kicker. Nach Angriffen auf die DFB-Delegation, die Bayerns Manuel Neuer und Philipp Lahm nach dem Länderspiel gegen Italien entlassen und gegen England mehr Dortmunder als FCB-Akteure aufgeboten hatte, sucht man vergebens: "Wir machen den Verantwortlichen des DFB keine Vorwürfe. Und wir wollen jetzt auch sicher keine Alibi-Diskussion", sagt Watzke.

Bleibt den Dortmundern die Erkenntnis, dass sie ihr Versprechen vom Supercup im Juli, die Bayern als einziger nationaler Vertreter gefährden zu können, kaum einlösen können. Zorc spricht zwar noch immer von einem Spitzenspiel am Samstag, "in dem trotz unserer Probleme der spezielle Dortmunder Fußball erkennbar sein wird." Zorc sagt aber auch: "Ich hoffe."

Also beruft sich der Sportdirektor auf heroische Taten aus der Vergangenheit, am kommenden Dienstag müssen die Dortmunder ja auch noch gegen den SSC Neapel ihr Fortbestehen in der Champions League sichern. Eine ähnliche Situation, sagte Zorc, habe man bereits im Frühjahr gemeistert, mit zwei schweren Spielen gegen die Bayern und Real Madrid. "Mit so einer dichten Folge von wichtigen Spielen kann die Mannschaft umgehen", befand Zorc, "psychisch wie physisch - sie ist körperlich in einer sehr guten Verfassung."

Problem bei dieser dichten Folge von wichtigen Spielen ist allerdings nicht nur, dass die Viererkette Piszczek, Subotic, Hummels und Schmelzer komplett ausfällt. Manuel Friedrich kann für die Champions League frühestens im Winter nachgemeldet werden. Für die Spiele gegen Neapel und Olympique Marseille ist er nicht spielberechtigt.

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