Verletzung von Messi:Wie Barças Kader auseinanderfällt

Lionel Messi

Verletzungen schmerzen: Lionel Messi liegt mit verzerrtem Gesicht während der Partie gegen UD Las Palmas auf dem Rasen.

(Foto: AP)
  • Die Verletzung von Lionel Messi trifft den FC Barcelona schwer.
  • Die Alternativen in der Offensive sind rar beim Champions-League-Sieger.
  • Ein Vorstoß beim spanischen Fußballverband bringt keinen Erfolg.

Von Oliver Meiler

Wenn das "Camp Nou in Eis erstarrt", wie die spanischen Zeitungen nun schreiben, wenn sich "alles Licht zu Dunkelheit wandelt", wenn "das Leben plötzlich in einen Leidensweg biegt- dann muss das Drama unbedingt etwas mit Lionel Messi zu tun haben. Mindestens. La Vanguardia, die größte Zeitung Barcelonas, schreibt sogar: "Es war, als habe man dem Camp Nou das Herz amputiert."

Es lief die dritte Spielminute im Meisterschaftsspiel Barças gegen UD Las Palmas, da gelangte ein langer, hoher Ball auf Messi. Der Argentinier nahm den Ball elegant an, legte eine Finte nach, einen Schuss, alles ganz schnell, den Zuschauern hing schon der Torschrei im Hals, da stellte sich ihm ein Verteidigerbein in den Weg. Knie gegen Knie. Messi ging zu Boden, griff sich ans linke Knie. Und da Messi nie simuliert, nie Schmerzen fingiert, legte sich sofort eine besorgte Stille aufs Stadion. "Schreie der Stille", kann man nun lesen. Prosa reicht in seinem Fall eben selten aus. El Mundo schreibt von einem "kuriosen Gefühl der Melancholie", das sich unweigerlich in einem breitmachte.

Wird Messi bis zum Clásico fit?

Messi hat sich das Innenband am linken Knie gerissen. Operiert wird er nicht, eine Bandage soll das Knie stabilisieren, damit das Band wieder zusammenwachsen kann. Ausfallen wird er für sieben bis acht Wochen. Neun Spiele muss Barça ohne seine wichtigste Figur auskommen, angefangen am Dienstag bei der Partie in der Champions League gegen Leverkusen. Und Argentiniens Nationalteam wird in vier Qualifikationsspielen für die WM 2018 auf ihren Kapitän verzichten müssen, wohl auch in jenem gegen Brasilien Mitte November.

Doch die große Frage, die auf allen Gemütern brennt, handelt vom 21. November - dem vielleicht wichtigsten Termin in der Saisonplanung des spanischen Fußballs. Dann wird in Madrid der erste Clásico dieser Saison gegeben, Real vs. Barça. Sollte Messi den Termin schaffen, dann taut das Eis, dann weicht die Melancholie, dann kehrt wieder Licht ins Gemüt. Mindestens.

Doch in der Zwischenzeit fällt Barças Kader bedrohlich auseinander. Begonnen hatten die Katalanen die Saison mit 22 Spielern - eine kurze Bank für ein Team, das alle Bühnen bespielt. Nach einer Serie von Verletzungen stehen Trainer Luis Enrique zurzeit nur noch 17 von ihnen zur Verfügung. Er sagt zwar, er nehme die Herausforderung gerne an. Auf der Ersatzbank sitzen aber zuweilen junge Spieler aus dem drittklassigen B-Team, die selbst dort Mühe mit dem Niveau bekundeten.

Die Offensive ist besonders geschwächt

In der Offensivabteilung sind die Alternativen besonders prekär: Für Messi wird nun Munir El Haddadi oder Sandro Ramírez auflaufen - beide 20, beide talentiert, aber beide unerfahren. Zur angemessenen Komplettierung des sagenhaften, nunmehr um einen Zacken verarmten Tridente um Neymar Junior (neuerdings mit Glatze) und Luis Suárez (zwei Tore beim 2:1 gegen Las Palmas) reicht die Klasse nicht. Andere Stürmer hat Barça nicht, nicht mehr.

Natürlich wird nun wieder darüber gestritten, ob es gescheit war, Flügelstürmer Pedro Rodríguez, der so oft entscheidend war in den entscheidenden Momenten in der jüngeren Vereinsgeschichte, zum FC Chelsea ziehen zu lassen. Und ob man Xavi Hernández nicht hätte bitten sollen, dem Verein noch eine Saison seines wertvollen Frührentnertums zu schenken, bevor er sich in leeren Stadien am Persischen Golf für Millionen die Beine vertritt. Diese Überlegungen schienen vor allem deshalb angezeigt zu sein, als Barça ja eine Transfersperre absitzt - bis zum 4. Januar 2016.

Der Weltverband Fifa sanktionierte den Klub dafür, dass er während etlicher Jahre die Regeln für die Verpflichtung minderjähriger Spieler aus aller Welt nicht erfüllte. Barça wehrte sich, legte Berufung ein. Doch die Fifa ließ sich nicht erweichen. Der Weltverband duldete zwar, zur Verwunderung vieler, dass der Verein im Sommer trotz Sperre zwei Spieler verpflichtete, den Türken Arda Turan von Atlético Madrid und den Katalanen Aleix Vidal vom FC Sevilla. Man fürchtete wohl, sie würden sonst andere Angebote annehmen. Die beiden wurden offiziell präsentiert, dürfen auch mit der Mannschaft trainieren. Doch spielen dürfen sie erst im Januar.

Barçelona versucht es über einen Passus

Nun versuchte es Barça noch einmal, über den spanischen Verband und einen Passus im Artikel 124 des spanischen Reglements. Dort steht, dass ein Verein einen Spieler nachnominieren darf, wenn sich jemand im Kader schwer verletzt hat und mindestens für fünf Monate ausfällt. Solches Unglück ereilte den Brasilianer Rafinha, den jüngeren Bruder des Bayern-Spielers Thiago Alcántara: Der Kreuzbandriss, erlitten in der Königsklasse gegen den AS Rom, kostet ihn womöglich die ganze Saison.

Barça hätte also gerne Arda Turan gemeldet, der eine ähnliche Rolle spielt wie Rafinha. Immerhin, sagte man sich, sei Turans Transfer ein inländisches Geschäft gewesen, zwischen Madrid und Barcelona, das gehe die Fifa nichts an. Ein etwas törichtes Denken. Der spanische Fußballverband wollte sich bei der Fifa vergewissern, ob das auch lauter sei, sandte den Antrag nach Zürich. Wieder gab es eine Absage.

Es kommt den Katalanen mittlerweile so vor, als habe sich die Fifa in Barça verbissen, gebe sich nur mit ihnen so pedantisch, überkorrekt bei der Auslegung der Regeln. Ausgerechnet die Fifa.

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