Er war der Mann des Abends. Doch als die FC-Bayern-Spieler sich nach dem 2:0-Erfolg gegen AS Rom von den Zuschauern feiern ließen, war David Alaba nicht dabei. Der sonst so redselige Österreicher hatte auch keine Lust, Fragen der Reporter zu seiner beeindruckenden Leistung zu beantworten. David Alaba hatte schlechte Laune. Auf Krücken humpelte er durch den Kabinentrakt. Dann stahl er sich durch eine Hintertür davon.
In der 81. Minute war Alaba verletzt ausgewechselt worden. Die erste Diagnose lautet: Innenbandverletzung im rechten Knie. Am Donnerstag ließ der Klub verlautbaren, dass der 22-Jährige wegen eines Teilrisses des Innenbands und einer Innenmeniskus-Verletzung voraussichtlich "mehrere Wochen" ausfallen wird; intern wird mit zwei bis drei Monaten gerechnet.
Nach nur vier Spielen in der Champions League stehen die Münchner als Gruppensieger fest, so früh wie noch nie in der Klub-Historie. Doch anstatt sich zu freuen, schaute Trainer Pep Guardiola nach dem Spiel nachdenklich. "Mit Alaba verlieren wir einen super Spieler", sagte er. "Das ist schade."
In der Partie gegen den AS Rom hatte Alaba gezeigt, warum er so wichtig für die Bayern ist. Laut Spielbogen war er in der Dreier-Abwehrkette vorgesehen. Doch während der Partie wechselte er seine Rollen mehrfach. Meist spielte er deutlich vor Juan Bernat, der sich dafür immer wieder in die Defensive zurückfallen ließ.
Mal schoss Alaba platzierte Flanken, mal leitete er mit einem cleveren Pass einen Angriff ein. Mal trat er einen gefährlichen Freistoß, der nur knapp über das rechte Toreck hinwegsegelte. Mal köpfelte er Zentimeter über das Tor. Mal klärte er mit so viel Geschick im eigenen Strafraum, dass er Szenenapplaus bekam. Auch die spielentscheidende Szene, die zum 1:0 führte, ging von Alaba aus: In der 38. Minute sprintete er von der Mittellinie aus los, schüttelte die Roma-Verteidiger ab, bekam von Franck Ribéry den Ball zugespielt, rannte weiter bis zum Strafraum und legte mit Übersicht zurück auf den Franzosen, der freistehend den Ball ins Tor lenkte.
Erster in der Liga, Erster in der Champions League. Doch nun hat sich Allrounder David Alaba verletzt und droht monatelang auszufallen. Kann der FC Bayern auch ihn reibungslos ersetzen?
63 Pässe spielte Alaba gegen Rom, er lieferte sechs Torschussvorlagen, dreimal zielte er selbst auf das Tor. Zuletzt hatte Alaba viele sehr gute Partien gezeigt, das Spiel gegen Rom war eine außergewöhnliche.
Seit Saisonbeginn verfolgt Guardiola den Plan, das Bayern-Spiel flexibler zu gestalten. Der Trainer ließ eine Dreier-Abwehrkette einüben, um im Mittelfeld Überzahl zu schaffen und den Gegner noch besser einschnüren zu können. In dem neuen Guardiola-System bekam Alaba eine Schlüsselrolle. In der Vergangenheit hatte der Österreicher meist als Linksverteidiger agiert, doch er selbst spielte am liebsten im Mittelfeld. Seit dieser Saison verband er die beiden Rollen. Wie selbstverständlich wechselte Alaba zwischen Abwehr und Angriff. Er lebte nun seine Spielfreude und seine kreativen Impulse aus, erledigte seine Defensivarbeit aber weiter zuverlässig.
Als Guardiola Mittwochnacht von der Verletzung erfuhr, wurde deutlich, welch große Rolle Alaba mittlerweile für ihn spielt. "Mit seiner Flexibilität ist er sehr wichtig für uns", sagte der Trainer. "Er ist ein kompletter Fußballspieler und kann auf allen Positionen spielen."
Auch in Österreich ist die Aufregung groß. Der mit Abstand beste Spieler des Landes und Sportler des Jahres droht, für das wichtige Spiel in der EM-Qualifikation gegen Russland auszufallen.
Der Franzose kehrt in die Startelf zurück und schießt das erste Tor. Jérôme Boateng spielt entschlossen und konsequent wie der GDL-Chef - nur Philipp Lahm lässt sich austanzen. Die Bayern beim 2:0 gegen AS Rom in der Einzelkritik.
Bayern-Trainer Guardiola muss nun an seinem System tüfteln und umstellen. Alaba kombinierte auf der linken Seite mit seinem Kumpel Ribéry, als wäre der Franzose nie verletzt gewesen. Auch mit Bernat harmonierte Alaba am Mittwoch auf dem Platz, als hätte er in ihm seinen Traumpartner gefunden. Nun kann der Spanier sich nicht mehr mit Alaba die Aufgaben teilen. Für die Dreier-Abwehrkette stehen eigentlich nur noch die Fachkräfte Dante, Medhi Benatia und Jérôme Boateng bereit. Wobei Guardiola auch schon Rafinha oder Philipp Lahm nach hinten beordert hat.
Der FC Bayern führt die Tabelle in der Bundesliga an, er hat souverän wie nie zuvor das Achtelfinale in der Champions League erreicht. Es schien alles perfekt zu sein aus Sicht der Münchner. Bis zu jener 81. Minute, als Alaba sich ans Knie fasste und vom Platz humpelte.