Verletzung bei Tennisprofi Rafael Nadal:Trauriger Gladiator im Wartestand

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Die Absage von Rafael Nadal für die US Open löst eine Welle von Gerüchten aus: Warum plagen den Gewinner von elf Grand-Slam-Turnieren seit Jahren chronische Schmerzen? Steckt er in einer Sinnkrise? Eine Knie-Operation soll vermieden werden - aber letztlich könnte es sogar um die Fortsetzung seiner Karriere gehen.

Milan Pavlovic

Es sieht nach Urlaub und Entspannung aus, nach einem Leben, das man womöglich selbst gerne führen würde. Rafael Nadal posiert vor der eigenen Kamera mit nacktem Oberkörper und breitem Lächeln. Er befindet sich an der Küste vor Mallorca und lässt wissen, "wie gut es sich leben lässt, habe ich wieder bemerkt, während ich mich hier erhole". Auf einem anderen Foto sieht man ihn an einer Tafel mit König Juan Carlos, der eine Visite auf der Insel ausnutzte, mit dem spanischen Vorzeige-Athleten zu dinieren.

Die US-Open werden ohne ihn stattfinden: Rafael Nadal.  (Foto: AP)

Nadal glänzt im Gesicht wie ein frisch eingeölter Gladiator. Das wird für die nächsten Wochen jedoch die einzige sportliche Assoziation bei Nadal sein. Denn die Bilder am Meer und mit dem König sind zwar frisch, aber dennoch hoffnungslos veraltet, wie man seit Mittwochabend weiß: Der Gewinner von elf Grand-Slam-Turnier kann nicht bei den US Open antreten, erstmals seit 2003 muss er das Turnier in New York auslassen. Die Knie, seit Nadals ersten Profitagen seine Schwachstellen, machen derzeit nicht mit.

Laut Sport-Informationsdienst war Nadals ewiger Rivale Roger Federer auf die Nachricht vorbereitet. "Die Absage ist zwar beunruhigend, aber sie ist jetzt keine Überraschung", berichtete der Schweizer. "Ich habe Rafa angeschrieben, und er hat mir mitgeteilt, dass es nicht gut aussieht." Andere Kollegen meldeten sich ebenfalls prompt. Olympiasieger Andy Murray, der Nadal schon in New York auf den vierten Platz der Weltrangliste schubsen könnte, schrieb: "Rafa hatte ja schon öfter Knieprobleme. Ich hoffe, er kann sich ausruhen und kommt nicht zu früh zurück."

Nadals Absage verblüfft niemanden, der ihn Ende Juni in Wimbledon beobachtet hatte. Da unterlag er in der zweiten Runde dem namenlosen Lukas Rosol. Der Tscheche hatte zwar den Tag seines Lebens erwischt, aber wer nicht gerade von den Cowboy-artigen Schüssen des Siegers überwältigt wurde, konnte sehen, dass mit Nadal etwas nicht stimmte.

Der Mann, dessen größtes Pfund Laufvermögen und Kampfgeist sind, bewegte sich miserabel, und er wirkte zunehmend verzweifelt angesichts der eigenen Machtlosigkeit. So oft wie seit Jahren nicht mehr wanderte sein Hilfe suchender Blick zu seiner Entourage, doch auch Onkel Toni, der seinen Neffen seit dessen ersten Gehversuchen auf der Tour betreut, wusste keinen Rat.

Wenige Tage danach kam die Bestätigung dafür, dass Nadal seinen Körper in diesem Frühjahr überlastet hatte: Der designierte Fahnenträger der spanischen Olympia-Delegation sagte seine Teilnahme für London ab - eine extrem schmerzliche Entscheidung ("Das ist der traurigste Tag meiner Karriere"), da er als Titelverteidiger angereist wäre.

Nach seiner US-Open-Absage machten nun sofort allerhand Gerüchte und Ratschläge die Runde. Von einer Operation an der Patellasehne war die Rede, aber auch von genereller Müdigkeit und einer Sinnkrise, weil er immer noch nicht über die Trennung seiner Eltern hinweg sei.

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Sportärzte meldeten sich, um zu erklären, dass Nadal seit Jahren einen "Missbrauch der Gelenke" betreibe und dass er zukünftig "am besten nur noch bei Sandplatzturnieren" starten solle, sonst riskiere er Arthrose. Er solle überlegen, wie er sein Spiel umstellen könne - ein Ratschlag, der angesichts des auf Kraft fußenden Spiels von Nadal so sinnvoll erscheint wie der Einfall, Spiele ohne Tennisschläger zu gewinnen.

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Toni Nadal war am Donnerstag deshalb zunächst einmal darum bemüht, die Spekulationen im Ansatz zu ersticken: "Seine Karriere ist überhaupt nicht in Gefahr", sagte er sport.es. "Die Ärzte haben uns zur Pause geraten, um eine OP zu vermeiden. Eine US-Open-Teilnahme hat keinen Sinn, wenn er nicht 100 Prozent bei Kräften ist."

Was die Erklärung nicht liefert, ist eine Idee, wie Rafael Nadal die 100 Prozent wieder erreichen soll. Schon einmal musste der Spanier eine monatelange Pause einlegen: 2009, nach dem Achtelfinalaus gegen Robin Söderling, seiner ersten - und bislang einzigen - Niederlage bei den French Open. Danach waren beide Knie entzündet, Nadal konnte einige Tage nicht mehr normal gehen, so heftig waren die Schmerzen. Anschließend stellte er sein Training um, verzichtete auf etliche jener Kraftübungen, die ihn wie einen spanischen Popeye hatten aussehen lassen.

Als er damals im Spätsommer 2009 zurückkehrte, leichter und bezeichnenderweise ohne seine aufdringlichen Muskel-Shirts, mit denen er jahrelang glaubte, seine Gegner zusätzlich einschüchtern zu müssen, wirkte Nadal anfällig, vor allem auf Hartplätzen. Aber bald danach hatte er sich an das neue Pensum gewöhnt, und 2010 wurde sein erfolgreichstes Jahr: Der Mallorquiner gewann drei der vier Grand-Slam-Turniere, darunter erstmals die US Open.

2009 war Nadal freilich erst 23 Jahre alt, und er konnte etwas an seiner Arbeitsweise umstellen. Die Frage ist nun, ob ihm ähnliches noch einmal gelingen kann. Hat er jetzt, da er alles gewonnen und mit dem siebten Sieg bei den French Open Björn Borg als Rekordhalter abgelöst hat, immer noch den Ehrgeiz, sich zu quälen? Normale Menschen würden es langsamer angehen lassen. Doch Rafael Nadal ist kein normaler Mensch. Er ist ein Gladiator, der ruhen muss.

© SZ vom 17.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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