Verletzter Lionel Messi:Sorge um den Wunderknaben

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Fällt für den Rest des Jahres aus: Lionel Messi

(Foto: AFP)

Lionel Messi fällt schon wieder aus, der Weltfußballer erlebt sein bisher schwierigstes Jahr. Die vielen Reisen um den Globus schaden seinem früher so robusten Körper. Dabei soll die WM 2014 seine Karriere krönen - Argentinien braucht ihn noch dringender als sein Verein.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Argentiniens Präsidentin ist bald zurück im Amt, am Montag soll es so weit sein. Nach überstandener Operation lassen die Ärzte Cristina Fernández de Kirchner wieder das Land regieren, nachdem ihr Anfang Oktober ein Bluterguss im Kopf entfernt worden war. Aber kaum machte die Nachricht von ihrer Genesung die Runde, da kam der Republik ihr wahrer Anführer abhanden - der Erbe von Diego Maradona.

Am Sonntag wurde die Schreckensmeldung bekannt: Lionel Messi hatte sich im spanischen Ligaspiel mit dem FC Barcelona bei Betis Sevilla (4:1) am linken Oberschenkel verletzt. Ein Sprint, ein Tempowechsel, ein Tackling - nach 20 Minuten lag der beste Fußballspieler der Welt im Gras. Am Abend humpelte Messi deprimiert die Flugzeugtreppe hinunter. In der Heimat ahnten sie Schlimmes.

Tags darauf erreichte das Bulletin aus Katalonien den Río de la Plata. Messi fällt wegen eines Muskelrisses sechs bis acht Wochen aus, also mindestens für den Rest des Jahres. Frühestens beim Duell mit Atlético Madrid am 12. Januar dürfte der Patient wieder auflaufen. Bis dahin verpasst er voraussichtlich sieben Termine mit Barça in Liga und Champions League und zwei Testmatches mit Argentiniens Nationalmannschaft. Erst 2014 soll seine Pause beendet sein, sechs Monate vor der WM.

2014. Die magische Zahl. Sein Jahr? Die WM in Brasilien soll die Krönung des Jahrhunderttalents werden. Während des Turniers wird Messi 27 - in diesem Alter war Maradona bereits Weltmeister, er dribbelte die Argentinier 1986 praktisch allein zum Titel. Messi tat sich lange viel schwerer als Leitwolf im himmelblauweißen Trikot, zu schüchtern kam er trotz Technik und Tempo daher. La Pulga, der Floh.

Bei der WM 2006 saß er in entscheidenden Momenten auf der Bank, 2010 war der Volksheld Maradona sein überforderter Trainer. Danach hat sich der Wunderknabe aus Rosario verwandelt. Er trägt Maradonas 10 auf dem Rücken und ist der Kapitän. Unter Nationalcoach Alejandro Sabella schoss er zuletzt die wichtigen Tore, schlug die genialsten Pässe und führte das Wort.

Inzwischen ist der kleine Messi für das zuvor so skeptische Argentinien bedeutender als für den FC Barcelona, der so abhängig von ihm gewesen war. Der Klub kann mittlerweile zur Not auch ohne ihn auskommen, wie die Kollegen beim 4:1 in Sevilla bewiesen. Für Messi kam Iniesta, die Angreifer Neymar und Pedro besorgten das 1:0 und das 2:0, und auf der Bank sah der trickreiche Chilene Alexis Sánchez zu.

Messi fällt fast jeden zweiten Monat aus

Argentinien hat zwar ebenfalls ein Sammelsurium von Offensivkräften der Sonderklasse: Sergio Agüero (Manchester City), Ángel di María (Real Madrid), Gonzalo Higuaín (Neapel), Ezequiel Lavezzi (Paris Saint-Germain) und so weiter. Sabella verzichtet sogar auf Carlos Tévez, der auch bei Juventus triumphiert. Aber Messi kann niemand ersetzen. Obendrein wird dessen Barça-Nebenmann und brasilianischer WM-Rivale Neymar immer besser.

Der schmächtige Neymar kommt in Schwung, er soll mit Brasilien die Heim-WM gewinnen. Für Messi dagegen ist 2013 das komplizierteste Jahr seiner Karriere. Da war die Steueraffäre. Da sind angeblich Gehaltsdebatten, denn Papa Messi wollte nach Neymars Ankunft laut der Zeitung El País mehr Geld. Und da ist eine Verletzung nach der anderen, stets am linken oder rechten Oberschenkel. Die Serie begann im April im Pariser Prinzenpark, seither fiel Messi sechsmal aus, fast jeden zweiten Monat, viermal in dieser Saison.

Dabei war er früher so robust, trotz Wachstumsschwäche und Behandlung als Kind. Daher seine grandiose Bilanz: 501 Spiele als Profi, 395 für Barcelona und 106 für Argentiniens verschiedene Altersklassen. 327 Tore für Barça, 53 für die Albiceleste. Viermal Weltfußballer. 91 Treffer 2012, mehr als Gerd Müller. 58 Treffer 2010 und 2011.

2013 dürfte es bei 45 Toren bleiben.

Diese Fülle erklärt wohl auch einen Teil des Problems. Messi spielt zu viel - und reist noch mehr. Die Zeitung La Nación hat eine Weltkarte gezeigt: Der Globetrotter war allein vor der neuen Spielzeit an 64 Tagen 122.333 Kilometer unterwegs, dreimal um die Erde. Für die eigene PR und die des Klubs war der junge Vater binnen zwei Monaten auf vier Kontinenten. Kuala Lumpur, Bangkok, Jerusalem, Quito, Chicago, Los Angeles etc.; selbst das kickende Model Cristiano Ronaldo schont sich mehr. Außerdem nahmen die Blessuren zu, als Pep Guardiola die Aufsicht über sein Juwel abgab. "Ich gehe, sonst schaden wir ihm", soll der frühere Barça-Coach gesagt haben, als sein Einfluss auf Messi schwand. Unter Guardiola wurde Messi die Nummer eins, seine gegenwärtigen Unregelmäßigkeiten erinnern an die Zeit unter Frank Rijkaard.

Da macht sich mancher Sorgen. "Wir wissen nicht, wie das seinen Kopf belastet", sagt Barcelonas neuer Trainer Gerardo Martino. Und Landsmann Sabella ahnt: "Der Stress und der Druck wenden sich gegen ihn. Man muss vor der WM seine Angst kontrollieren." Messi hat einen neuen Ernährungsberater und sich von seinem alten Physiotherapeuten abgewandt, Argentinien schickt ihm einen Kinesiologen nach Barcelona. Erholen soll er sich im Dezember in Buenos Aires und Rosario. "Er muss innehalten", rät sein Barça-Mitstreiter Fàbregas, mit Überlastung erprobt: "Er kann so nicht weiter machen." Noch gut 200 Tage sind es bis Brasilien 2014.

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