Vergleich Bayern und DFB-Elf:Sammer sticht in Löws wunde Stelle

WM-Qualifikation - Pressekonferenz Deutschland

Bundestrainer Joachim Löw und Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer.

(Foto: dpa)

"Wir haben es besser verteidigt, inklusive Pirlo weggenommen": Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer vergleicht das 2:0 gegen Juventus mit dem EM-Halbfinale gegen Italien, damit trifft er Bundestrainer Joachim Löw. Der Verweis ist jedoch höchstens zum Teil berechtigt. Die Antwort folgt prompt.

Von Thomas Hummel

Matthias Sammer sah eigentlich nicht so aus, als wollte er an diesem Abend zu einer Generalkritik anheben. Er stand entspannt im großen Münchner Interviewraum zwischen Kabine und Arena-Ausgang und analysierte, warum sein FC Bayern gerade Juventus Turin im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League beherrscht hatte.

Der Sportvorstand sprach davon, dass David Alabas Tor nach 27 Sekunden beileibe kein Zufallsprodukt war, "weil wir den Gegner natürlich gut analysiert und gesehen haben, dass er da recht anfällig ist". Er meinte die Strategie, über außen zu kommen und es auch mit Fernschüssen zu versuchen. Dann ging er über zum auffällig guten Pressing der Bayern mit dem Dauerrenner Mario Mandzukic. Und kam somit schnurstracks zu einem Vergleich, der nun eine aufgeregte Debatte nach sich zieht.

Sammer sagte wörtlich:

"Das Stören in der ersten Linie vorne, das war entscheidend, weil damit alle Spieler mitgezogen werden. Die Abstände waren klein, die Zweikampfstärke war erkennbar und das, was uns ein bisschen kaputt gemacht hat beim Spiel gegen Italien im Halbfinale 2012 war in Spielzügen ja die gleiche Strategie von Juve - und wir haben es besser verteidigt, inklusive Pirlo weggenommen."

Da war er: der Hinweis auf die Nationalmannschaft und das verlorene Halbfinale bei der Europameisterschaft in Warschau. Im Juni standen immerhin sieben Bayern-Spieler und sechs Akteure von Juventus in der Startelf. Die Partie verlief völlig konträr zu Partie vom Dienstagabend, die Italiener siegten hochverdient mit 2:1 und Andrea Pirlo im Spielzentrum dirigierte großartig. Doch ist Sammers Vergleich zulässig?

Die Reaktion kam prompt, in der Bild-Zeitung sagte Bundestrainer Joachim Löw: "Man kann das EM-Halbfinale und das Champions-League-Spiel nicht vergleichen. Schon wegen der unterschiedlichen Besetzung. Die italienischen Nationalspieler Balotelli und Cassano zum Beispiel sind gar nicht bei Juventus. Und Pirlo hatte diesmal einen selten schwachen Tag. Aber der FC Bayern hat es auch sehr gut gelöst."

Flankiert wird Löw von Sammers Nachfolger als Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), Robin Dutt: "Ich würde nur sehr ungern die eine sehr gute Mannschaft, also die Bayern, gegen die andere sehr gute Mannschaft, also die Nationalmannschaft, aufwiegen - weil das doch ein Vergleich ist, der unrealistisch ist", sagte er der tz. Klubs hätten "immer die Möglichkeit, eine Weltauswahl zu sein" - anders als eine nationale Auswahl.

Wer hat recht?

Wer hat nun recht? Darf man die beiden Partien vergleichen und damit auch die Trainer- und Taktikteams? Antwort: Recht haben beide, Vergleiche sind aber nur zum Teil berechtigt.

Bundestrainer Löw und den DFB trifft Sammers Verweis an einer wunden Stelle. Waren die Verantwortlichen der Nationalmannschaft doch so stolz auf ihre theoretische Abteilung gewesen, auf ihre detaillierten Analysen vor den Partien und ihre oft wundersam passenden Lösungen. Genau das aber war im Halbfinale gegen Italien völlig schief gegangen. Löws Plan ging überhaupt nicht auf, er hatte sich schlicht vercoacht. Damals brachte er Toni Kroos für den Außenspieler Thomas Müller, um die Kreise von Pirlo einzuengen. Doch Kroos scheiterte an dieser Aufgabe, während sich die Deutschen ihrer wirkungsvollsten Waffe entledigten: dem Spiel über die Außenpositionen.

Der Unterschied diesmal im Spiel gegen Pirlo trug zwei Namen: Mario Mandzukic und Thomas Müller (nach der Verletzung von Kroos zentral offensiv spielend). Die beiden attackierten den Juve-Spielgestalter hart und eifrig, nahmen ihn stets von vorne und hinten in die Zange. Auch Arjen Robben und Franck Ribéry halfen beizeiten mit. Das beeindruckte den 33-jährigen Feinfüßler, Pirlo erlebte einen ganz schwachen Abend.

Dagegen konnten Kroos, Mesut Özil, Lukas Podolski und Mario Gomez den italienischen Aufbau bei der EM kaum stören. Dass Löw damals schlicht das falsche Personal ausgewählt hat, ist hinlänglich kritisiert worden. Allerdings hatten Pirlo und Kollegen auch eine Lösung gegen etwaiges Pressing parat, die Juventus diesmal nicht hatte: zwei gefährliche Stürmer, die man in Bedrängnis auch mal mit einem weiten Pass anspielen kann. Mario Balotelli und Antonio Cassano verbreiteten einigen Schrecken in der deutschen Abwehr, Fabio Quagliarella und Alessandro Matri entlockten der Bayern-Abwehr höchstens ein Lächeln.

Und so ist Sammers Einlassung weniger als Kritik an Löw zu werten, sondern als Lob an sein Team. Der FC Bayern hat schlicht vom EM-Halbfinale gelernt, hat aus dem negativen Anschauungsunterricht Schlüsse gezogen. Wie Trainer Jupp Heynckes sagte: "Wir haben uns sehr gut vorbereitet", die Mannschaft habe ihm "sehr gut zugehört" und seine Anweisungen "hervorragend umgesetzt".

Statistiken zu Bayern - Juventus

Hier finden Sie alle Statistiken zum Spiel Bayern - Juventus

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