Vergabe der WM 2022:Auch Australien überwies Geld

Jack Warner

Jack Warner: Bekam offenbar mehr Geld als Bälle zugespielt

(Foto: Gary Rothstein/dpa)

Korruption als Geschäftsprinzip: Vor der Vergabe der WM 2022 erhielt Skandalfunktionär Jack Warner nicht nur aus Katar Zuwendungen. Solche Zahlungen werden zumeist als Entwicklungshilfe deklariert.

Von Thomas Kistner

Sie wackeln bedrohlich, die Dominosteine im Fußball-Weltverband. Seit Monaten geht Michael Garcia, Cheffahnder der Fifa-Ethikkommission, der Frage nach, ob bei den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 Schmiergeld geflossen ist, und dabei erhält er spannende Einblicke in die schmutzige Praxis hinter der Nobelkulisse des Weltverbands.

Nach Millionenzahlungen des ehemaligen katarischen Spitzenfunktionärs Mohamed Bin Hammam an dessen karibischen Vorstandskollegen Jack Warner, nur Tage nach der Kür Katars, gerät eine weitere Geldgabe an Warner in den Fokus. Diesmal floss sie von Australiens Bewerbern um den nationalen Fußballverband FFA, die gleichfalls um die WM 2022 gebuhlt hatten: rund 350 000 Euro, deklariert für Warners Sportzentrum auf Trinidad & Tobago. Der Betrag war laut FFA als Entwicklungshilfe gedacht, soll in der Bilanz des Bewerberkomitees aber nicht zu finden sein, berichtet die britische Mail on Sunday.

Der Geldfluss ist auch in einem internen Prüfbericht des Kontinentalverbandes für Nord- und Mittelamerika (Concacaf) vermerkt. Die Concacaf hatte Warner als Präsident über Jahrzehnte für seine finanziellen Zwecke ausgebeutet. Ihm das nachzuweisen, war schon ob bekannter Sachverhalte aus seiner schillernden Funktionärskarriere unproblematisch; das gilt nun erst recht für den mit den US-Ermittlungsbehörden gut vernetzten Anwalt Garcia. Dass er nun tatsächlich Warners Umtrieben nachspürt, erhöht den Druck auch Fifa-intern.

Der angeblich unabhängige Garcia müsste bei der Aufklärung von Warners filmreifen Durchstechereien auch dessen Deals innerhalb des Weltverbandes einbeziehen. Dabei könnte er auf eine jahrzehntelange Liaison zu Fifa-Chef Sepp Blatter stoßen, der Warner immer wieder die WM-Fernsehrechte für die karibische Region zuschanzen ließ. Überdies stellte Warner selbst seine Arbeit als Blatters Wahlhelfer öffentlich als korrupt dar. Zu den neuen Vorwürfen sagte er nun der Heimatpresse in Trinidad: "Schreibt was ihr wollt. Auf eine Sache mehr kommt es nicht an."

Garcia, der alle damaligen Bewerberländer aufsucht, ließ sich Details zu der FFA-Zahlung von einer damaligen Mitarbeiterin der Australien-Werber liefern. Bonita Mersiades war bei wichtigen Treffen selbst zugegen, sie hatte sich sogar schon öffentlich geäußert zu Durchstechereien im Fifa-Kandidatenrennen. Demnach wurde Warners Zahlungsbegehr über Australiens damals "höchstrangigen Berater", Blatters Ex-Berater Peter Hargitay, vorgetragen. Daraufhin hätte eine australische Delegation das Geld nach einem Besuch in Warners Sportzentrum im August 2010 abgenickt - obwohl dort, so die Zeugin Mersiades, "erst im Jahr zuvor Kunstrasen verlegt worden war, auf Geheiß des regionalen Fifa-Entwicklungsbeauftragten, einer von Warners Söhnen".

Mysteriöser Betrag taucht in Bewerbungen nicht auf

Die Beraterin verwies auch darauf, dass Englands Bewerberchef Lord Triesman dieselbe Erfahrung gemacht habe: Der sei um 2,5 Millionen Dollar Entwicklungshilfe, zahlbar auf Warners Konto, angegangen worden. Triesman hatte dies einem Untersuchungsausschuss des britischen Unterhauses dargelegt.

Auch der Prüfstab des Erdteilverbandes Concacaf zu Warners Deals fand das australische Geld nirgendwo in den Büchern - wohl aber, wie es im Prüfreport heißt, auf einem Konto Warners, weshalb die Gutachter von "Betrug" sprechen. Erstaunlich genug, dass dies über Jahre folgenlos blieb; in Australiens Bewerbung waren auch Steuergelder enthalten. Groß ist das Echo erst jetzt, nachdem Mersiades ihr Wissen auch bei Fifa-Ermittler Garcia vortrug. Denn das macht den Vorgang offiziell; und sogar im Fifa-Kodex für die Bewerber ist ja vermerkt, dass Bestechung und versuchte Einflussnahme auf Fifa-Wahlleute verboten seien.

Eine FFA-Sprecherin erklärte auf Anfragen, Australien sei "wie alle Bewerberländer von der Fifa aufgefordert worden, Fußball-Entwicklungsprogramme in bedürftigen Nationen zu etablieren". Deshalb sei eine Zahlung auf ein Concacaf-Konto ergangen und das Programm in den Büchern vermerkt worden, einsehbar für die Regierung. Doch wie die Concacaf-Prüfer in ihren Bilanzen konnten auch Journalisten in den Bewerbungsbüchern den mysteriösen Betrag nicht finden. Garcia besucht Australien in diesen Tagen, geplant ist ein Treffen mit FFA-Chef Frank Lowy. Der hat mehrmals die WM-Vergabe an Katar als korrupt angezweifelt und Schritte angedroht, falls das Turnier aus dem vertraglich fixierten Zeitraum im Sommer 2022 gelöst werde. Dies bereitet die Fifa nun vor.

Garcias Ermittlungen zeichnen Zug um Zug ein Bild nach, das Beobachter des von Blatter seit dreieinhalb Jahrzehnten dominierten Weltfußballs so beschrieben: empfängliche Fifa-Vorstände, Korruption als Geschäftsprinzip - dazu eine intensive verbandsinterne Vetternwirtschaft, etwa mit TV-Rechten und WM-Tickets. Doch letztere Problematik spielt bei der Aufklärung bisher keine Rolle. Ob er auch Spuren nachgehen wird, die in die Chefetage führen, wird zeigen, wie unabhängig der Anwalt Garcia wirklich ist.

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