Van der Vaart und Hamburg:"Du kannst gehen, aber lass' Sylvie hier"

Hamburger SV v FC Schalke 04 - Bundesliga

Der Dressman geht: Rafael van der Vaart nach dem Sieg gegen Schalke inmitten der schwitzenden Mitspieler.

(Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Es war eine der schillerndsten Beziehungen der Bundesliga: Rafael van der Vaart spielte nicht nur beim HSV, sondern gab der Stadt auch was zum Tratschen. Jetzt zieht er nach Spanien zu Oma und Opa.

Von Carsten Eberts

Rafael van der Vaart ist geräuschlos verschwunden. Er hat darauf verzichtet, sich im Trikot von Betis Sevilla ablichten zu lassen, seinem neuen Verein. So wie 2007, als er unbedingt zum FC Valencia wechseln wollte und der Meinung war, dass er seinen Transfer mit ein paar Fotos forcieren könnte.

Van der Vaart strahlte damals, als er das weiße Jersey des fremden Klubs in den Händen hielt. Ganz Hamburg schäumte. Die Pointe der Geschichte ist, dass der Wechsel gar nicht zustande kam. Erst ein Jahr später verließ er den HSV, ging zu Real Madrid.

"Van der Verrat" ruft niemand mehr

Diese Lust an der Provokation ist Rafael van der Vaart abhanden gekommen. Diesmal hat er brav die Saison mit dem HSV beendet, ein paar Tage gewartet, ließ dann über seinen Berater seinen Wechsel nach Spanien verkünden. Niemand ist böse auf ihn, niemand ruft dem Niederländer "van der Verrat" hinterher. Im Gegenteil: Es war der HSV, der beschlossen hatte, den Vertrag nicht zu verlängern. Van der Vaart wäre gerne geblieben.

So endet eine der schillerndsten Beziehungen der Bundesliga. Der HSV und van der Vaart, van der Vaart und der HSV. Und zwar für immer - eine sportliche Rückkehr des mittlerweile 32-Jährigen ist selbst den Hamburgern nicht zuzutrauen. Beide Seiten haben voneinander profitiert, es war ehrliche Liebe. Van der Vaart erlebte in Hamburg seine erfolgreichste Auslandsstation, von 2005 bis 2008. Als er 2011 trotz misslicher Gastspiele bei Real Madrid und Tottenham Hotspur zurückkehren durfte, war er überglücklich.

Die Fans hatten ihm verziehen, trotz des Trikot-Eklats. Bei ihnen hatte van der Vaart immer einen seltsam anmutenden Heiligenstatus. Auch wenn er die Leistung auf dem Platz nicht mehr brachte, riefen sie seinen Namen besonders laut. Wenn er in Spanien kickt, werden die HSV-Fans immer noch mit seinem Trikot ins Stadion kommen. Und sich Geschichten erzählen von ihrer Nummer 23.

Geschichten vom Fußballplatz - und abseits davon. Von Rafa, und von Sylvie.

Hamburg mangelt es an großen Boulevard-Sternchen. Berlin ist die Hauptstadt, München hat die Schickeria, aber Hamburg? Hatte die van der Vaarts. Als sich Rafael im Valencia-Trikot hatte fotografieren lassen, hielten die Fans beim folgenden Heimspiel ein Plakat in die Höhe: "Du kannst gehen, aber lass' Sylvie hier."

Bald war er mehr Thema in den Klatschspalten als im Sportteil

Die Tratsch-Erwartungen haben die van der Vaarts in ihrer zweiten Hamburg-Zeit sogar übererfüllt. Bald nach der Rückkehr krachte es in der Ehe, ein verhängnisvoller Silvester-Streit, Sylvie heulte sich öffentlich aus. Es folgte Rafaels neue Liaison mit Sabia Boulahrouz, der Frau seines früheren Mitspielers Khalid und - tadaa: der besten Freundin von Sylvie. Auch Sylvie sah sich anderweitig um, jeder Schritt wurde von den Klatschmedien dokumentiert. Die Fotografen mussten fortan zwei Wohnungen beschatten: Sylvies Dachgeschosswohnung in Eppendorf, Rafaels Appartment in Alsterdorf.

Auf dem Platz wurde Rafael immer weniger beachtet. Seine Leistung blieb hinter der Medienaufmerksamkeit zurück. Sein Spiel wurde langsamer, er hatte seinen Anteil am Absturz des HSV. In einer Umfrage des kicker unter Bundesligaprofis wurde van der Vaart zum "Absteiger der Saison" gewählt. Eine einzige Torvorlage lieferte er in dieser Spielzeit, er verlor rund zwei Drittel seiner Zweikämpfe. Gewann er doch mal einen, dann mit verhängnisvollen Folgen: Van der Vaart stieß mit dem Mainzer Elkin Soto zusammen, ein Unfall, bei dem keine Absicht vorlag. Trotzdem musste Soto wegen einer Knieverletzung seine Karriere beenden.

Van der Vaart wollte beim HSV bleiben, wirklich gekämpft hat er jedoch nicht. Als Vorstandsboss Dietmar Beiersdorfer in der Rückrunde bekanntgab, dass einige Verträge nicht verlängert werden, entschlossen sich Kollegen wie Gojko Kacar zu Leistungsschüben - mit dem Effekt, dass im HSV-Vorstand nun diskutiert wird, ob Kacar nicht doch einen neuen Kontrakt unterschreiben soll. Van der Vaart saß häufig auf der Ersatzbank, war aber mit kolportierten 3,5 Millionen Euro Grundgehalt der Topverdiener im Team. Als er im letzten Ligaspiel gegen Schalke gesperrt fehlte, lief er im weißen Hemd und Anzug wie ein Dressman durch das Stadion. Es war der passende Abschied als Glamour-Boy.

Alles eine Spur kleiner, unaufgeregter, erwachsener

Jetzt zieht es van der Vaart nach Sevilla, zum Aufsteiger Betis. Eine schlimme Nachricht für die Stadt Hamburg - nicht so sehr für den HSV. Es soll auch Angebote aus Italien und Dubai gegeben haben, doch van der Vaart will zurück nach Spanien. Nur eine Autostunde von Sevilla entfernt liegt das andalusische Städtchen Chiclana de la Frontera, dort leben Rafaels Großeltern, Opa Rafael Garcia Peci und Oma Dolores. Hier will er Sabia im Sommer heiraten. Alles eine Spur kleiner und unaufgeregter, wenn man so will: erwachsener.

Einen letzten großen Dienst hat der Niederländer seinem HSV erwiesen. Im Relegations-Rückspiel in Karlsruhe war Hamburg fast in der zweiten Liga angelangt, als das Team einen Freistoß zugesprochen bekam. Van der Vaart hat in seinem Leben viele Freistöße geschossen, er baute sich auf, beäugte die Abwehrmauer, küsste den Ball - und überließ das Spielgerät Marcelo Diaz. Und ja, der traf.

"Die Aktion überhaupt", so lobte Sportdirektor Peter Knäbel van der Vaarts Verzicht. Lob für einen Ball, den er gar nicht geschossen hatte: Da kann der Niederländer die Stadt ruhigen Gewissens verlassen.

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