Valentino Rossi beim Ducati-Rennstall:"Mit diesem Motorrad kann ich nicht fahren"

Dass der Motorradprofi Valentino Rossi derzeit nicht so schnell fährt wie früher, ist offensichtlich. Der neunmalige Weltmeister schimpft über die Maschine seines italienischen Rennstalls Ducati. Eine gefährliche Entwicklung - denn die Trennung von dem Konstrukteur würde für den sensiblen Nörgler höchstwahrscheinlich das Karriereende bedeuten.

Birgit Schönau

Liebe war es eigentlich nie, eher ein vielversprechendes Zweckbündnis. Der Mythos Valentino und der Zweirad-Ferrari Ducati, il Rossi und la Rossa, eine von der Branche lang ersehnte und viel bedichtete Union des Made in Italy. Zweckbündnisse halten länger, angeblich. Dieses aber hielt noch nicht einmal zwei Jahre, es löste sich pünktlich zur Saisoneröffnung im Wüstensand von Katar auf.

Valentino Rossi beim Ducati-Rennstall: Der neunmalige Weltmeister Valentino Rossi fährt bald wohl nur noch Straßenmaschinen von Ducati.

Der neunmalige Weltmeister Valentino Rossi fährt bald wohl nur noch Straßenmaschinen von Ducati.

(Foto: AFP)

Und weil man im Motorradsport schlecht die altbewährte italienische Praxis des Getrennt-im-Haus-Lebens realisieren kann, fragt man sich: Wie wollen Valentino Rossi und sein Partner Ducati die nächsten 17 Rennen der MotoGP-Klasse überstehen? Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und blamablen Resultaten? Oder mit jener verzweifelten Paar-Therapie, die schon im Vorjahr nicht viel gebracht hatte?

Für Rossi ist die Sache klar: "Mit diesem Motorrad kann ich nicht fahren." Dass er nicht fährt wie früher, ist offensichtlich, der neunmalige Weltmeister wurde in Katar Zehnter, knapp hinter dem Teamkollegen Hector Barbera. Der hatte vor dem Rennen getönt: "Dieses Jahr werde ich der beste Ducati-Pilot." Die Chancen für Barbera stehen gar nicht so schlecht. Nur Nicky Hayden war noch ein bisschen besser als er.

Rossi aber würde am liebsten gleich Schluss machen. In der fünften Runde habe er überlegt, das Rennen abzubrechen, schäumte er. Nur aus Respekt vor dem Team sei er weiter gefahren. "Dabei ist es sinnlos. Die Hoffnung ist schon seit 2011 dahin." Die Maschine sei nicht verlässlich in der Kurve, "und wie es besser werden soll, weiß ich nicht. Ich bin doch kein Ingenieur."

Bei Ducati wird eisern geschwiegen. Ein Jahr lang haben sich die Ingenieure in Borgo Panigale bei Bologna nach Kräften bemüht, Dottore Rossi das optimale Motorrad zu verschaffen. Das innovative Carbonfaser-Fahrgestell der Maschine wurde durch konventionelles Aluminium ersetzt - vergebens, ebenso wie das Tüfteln am Vorderrad. In Katar klagte Rossi über die Reifen, doch bereits früher hatte er sein Motorrad so beschrieben: "Es ist eine Maschine, die für Wayne Rooney konzipiert wurde, aber von Lionel Messi gefahren werden muss." Unvereinbarkeit der Charaktere ist sogar für den päpstlichen Gerichtshof, die Sacra Rota, ein triftiger Grund für die Ehe-Annullierung.

Ganz sicher ist das aktuelle Desmosedici-Modell von Ducati nicht das Motorrad, das Rossi sich erträumt hat. Aber vielleicht ist der Pilot Rossi ja auch für Ducati längst zu einem Albtraum geworden. "Anstatt ihren Ruhm zu verdoppeln, haben sie die Konkurrenzfähigkeit halbiert", urteilte die Gazzetta dello Sport am Mittwoch über die Verbindung zwischen Rossi und Ducati, die sich so schnell von einem Ausbund italienischen Nationalstolzes zur peinlichen Mesalliance entwickelte.

Wenn auch die Gazzetta-Leser in Umfragen ihrem Idol die Treue halten und Ducati die Alleinschuld für das Desaster geben - in den italienischen Medien wird Rossi schon von der Fata Morgana zur Altlast. Einer, der mit 33 seine besten Profi-Jahre schon hinter sich hat, aber trotzdem nicht abtreten will. Der es nicht verkraftet, der Konkurrenz hinterher fahren zu müssen und deshalb alles andere und alle anderen dafür verantwortlich macht - nur nicht sich selbst.

Weil es zu demütigend ist, von der umschwärmten Nummer eins zur belächelten Nummer zehn zu werden. "Mit der Desmosedici kann man höchstens auf Platz sechs fahren", hatte Rossi in Katar geschimpft - und war die Erklärung dafür schuldig geblieben, warum es dann nicht wenigstens für den sechsten Rang gereicht hatte.

Champion oder Nörgler?

Dem Champion, der alle anderen Teilnehmer in seinem Schatten fahren lässt, glaubt man, wenn er technische Mängel an seinem Fahrzeug entdeckt. Einem Fahrer, der in der vergangenen Saison nur auf den siebten Platz der Gesamtwertung kam, wird schneller Nörgelei unterstellt. Valentino Rossi sei "langsam und ungeschickt" wie nie zuvor in seiner langen Karriere, bemängelt der Corriere della Sera, "auf ein Motorrad gebunden, dass er nicht versteht und das ihn nicht versteht". Rossi und Ducati bliebe nur noch, "die Angelegenheit elegant und zum gegenseitigen Vorteil zu Ende zu bringen". Das aber ist wirklich leichter gesagt als getan.

Für Rossi würde die Trennung von Ducati höchstwahrscheinlich das Laufbahnende bedeuten. Ein anderer Rennstall, der bereit wäre, ihn zu verpflichten, ist derzeit nicht in Sicht. Ducati zu ersetzen, wird nicht ganz leicht für Rossi, doch Rossi zu ersetzen, ist womöglich gar nicht so schwierig für Ducati. Zum Saisonende endet nicht nur der Kontrakt des italienischen Piloten, sondern laufen auch die Verträge von Jorge Lorenzo, Casey Stoner und Daniel Pedrosa aus.

Einer von ihnen könnte zu dieser weltbekannten Firma wechseln, bei der die Konstrukteure Italiener sind, aber die Besitzer vielleicht bald Deutsche. Audi bemüht sich in diesen Wochen um die Übernahme der hochverschuldeten Motorrad-Marke, vielleicht wird bereits bei der VW-Hauptversammlung kommenden Mittwoch der Kauf verkündet.

"Würden Sie Ducati kaufen?", wurde der Geschäftsmann Valentino Rossi vor gerade einmal einer Woche gefragt. Und Rossi, der mit knapp 15 Millionen Euro Jahresgehalt immer noch der bestbezahlte italienische Sportler und zugleich Besitzer von drei Unternehmen ist, antwortete: "Dafür habe ich nicht genügend Geld. Aber eine gute Investition wäre es schon. Ducati baut nämlich sehr schöne Straßenmaschinen."

Vielleicht sollte Dottore Rossi diese schönen Maschinen daheim auf den kurvenreichen Panoramastraßen der Marken einfach ein bisschen öfter fahren. Um den Glauben an Italiens Ingenieure wieder zu finden. Und den Glauben an sich selbst.

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