Uwe Seeler wird 70:Die treuste Seele des Fußballs

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Alter schützt vor Toren nicht: Uns' Uwe Seeler kann immer noch nicht ohne Fußball leben. Und leidet wie früher mit seinem Verein HSV - derzeit besonders stark.

Jürgen Schmieder

Es gibt eine Anekdote aus der Zeit, als Uwe Seeler für den Hamburger SV im Management arbeitete. Ein junges Talent wollte er damals aus dem bayerischen Straubing nach Hamburg holen. Im Wohnzimmer des jungen Mannes legte Seeler den Vertrag auf den Tisch, der nur noch unterschrieben werden musste.

Der junge Fußballspieler zögerte und überlegte einen Augenblick, ob er denn seinen Heimatverein verlassen sollte, um beim großen Bundesligisten viel Geld zu verdienen. Andere Manager hätten versucht, das Talent zu überreden, ihm noch mehr geboten. Uwe Seeler aber soll gesagt haben: "Weißt Du was? Ich versteh' Dich!" Dann soll er den Vertrag zerrissen haben - und einfach wieder nach Hause gefahren sein. Ohne Vertrag, ohne Jungstar. Aber zufrieden.

So kennt man Uwe Seeler: geradlinig, ehrlich - und vor allem treu. Dazu passt auch eine andere Geschichte aus der Zeit als Seeler noch aktiv Fußball spielte: 1961 bot Inter Mailand für den Mittelstürmer 1,2 Millionen Mark. Eine unglaubliche Summe für einen Fußballspieler in der damaligen Zeit. Seeler war im besten Fußballalter - und lehnte das Angebot ab. Die Treue zu seinem Verein war ihm wichtiger.

Als Fußballer sind vor allem zwei Momente von ihm in Erinnerung geblieben: eine Fotografie vom Endspiel der Fußball-WM 1966. Uwe Seeler schleicht deprimiert vom Platz. Das Foto wurde zum Symbolbild für die 2:4-Niederlage der deutschen Elf gegen England. "Dabei wurde das Foto in der Halbzeit gemacht", sagt Seeler. Und ergänzt grinsend: "Aber das passt ja irgendwie!"

Aussagen wie diese machen "Uns' Uwe" so beliebt. Immer fair, immer freundlich - und immer hart arbeitend. Und immer einen Spruch auf den Lippen. Über seine Position sagte er einmal: "Ein Mittelstürmer verbringt die meiste Zeit seines Lebens im Strafraum." Deshalb lieben ihn die Fans noch immer. Er ist einer, der trotz Erfolg nie abhob, nie Skandale lieferte, nie stänkerte. Aber immer Tore schoss.

Dabei wird der legendäre Treffer bei der Weltmeisterschaft 1970 immer in Erinnerung bleiben. Eine Flanke segelt durch den Strafraum - unmöglich, sie aufs Tor köpfen. Seeler springt, fällt, stürzt, liegt in der Luft. Der Ball tropft erst auf seinen Hinterkopf und dann ins Tor. Einen Moment später sieht man Uwe Seeler auf dem Boden sitzen, die Hände reckt er nach oben. Und aus seinem Gesicht sprach nicht: "Toll hab' ich das gemacht!" Sondern ein Seeler'sches: "Gibt's ja gar nicht!"

Seeler traf nicht nur spektakulär, sondern vor allem oft. Allein in 239 Bundesligaspielen schoss der Stürmer 137 Tore. In der Nationalmannschaft schaffte er 43 Tore in 72 Spielen. Unglaublich dabei: Uwe Seeler konnte niemals die Bundesliga gewinnen. 1961, als es noch ein Finale gab, da wurde er Deutscher Meister. Und nie Weltmeister: Er nahm an den Endrunden '58, '62, '66 und '70 teil - jene vier Turniere, die als "Durststrecke" zwischen den Titel '54 und '74 dienten.

Nur einen Wunsch zu Geburtstag

Nach der Karriere hätte er sich zurücklehnen können, sich auf den Lorbeeren ausruhen, sich im Stadion feiern lassen. Nein, er kann nicht anders, als sich weiter um seinen HSV zu kümmern - was nicht leicht ist im Moment: "Der HSV wird da wieder heraus kommen", sagt er zuversichtlich. "Aber das geht nur über den Kampf. Manchmal habe ich das bei einigen Spielern vermisst." Das wäre ihm eben nicht passiert: sich kampflos dem Schicksal ergeben wie mancher Spieler heutzutage.

Denen wird aber auch kein Denkmal gesetzt werden, wie es mit Uwe Seeler geschah. Vor der AOL-Arena steht seit 2005 ein überdimensionaler Fuß des Mittelstürmers. Dazu wurde er 2003 zum Ehrenbürger von Hamburg ernannt - als erster Sportler, dem diese Auszeichnung verliehen wurde. Dass er Ehrenspielführer der Nationalelf ist, versteht sich von selbst.

Am Sonntag feiert Uwe Seeler seinen 70. Geburtstag. Er könnte sich vieles wünschen, wahrscheinlich würde er das meiste sogar bekommen. Aber es passt einfach Uwe Seeler, dass er nur einen großen Wunsch hat: "Dass der HSV nicht absteigt!"

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