Usain Bolt bei der Leichtathletik-WM:Der schillerndste aller Höhepunkte

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Usain Bolt: Nicht die einzige Attraktion in Moskau (Foto: AFP)

Usain Bolts souveräner Sieg über 200 Meter ist der glamouröseste Auftritt am vorletzten Tag der Leichtathletik-WM in Moskau. Das Luschniki-Stadion ist endlich gut besucht, für die Fans gibt es weit mehr Höhepunkte zu sehen als den jamaikanischen Ausnahmesprinter.

Von Thomas Hahn, Moskau

Der Höhepunkt sollte am Ende kommen, denn der Zeitplan sah zum Abschluss dieses zweiten Samstags bei der Leichtathletik-WM in Moskau das 200-Meter-Finale mit Usain Bolt vor. Und als Höhepunkt eines Wettkampftages gilt eben seit geraumer Zeit schon der Auftritt des jamaikanischen Sprintweltrekordlers.

Bolt war dann auch pünktlich zur Stelle, er gab sich lässig wie immer, erfreute die Leute mit seinen Mienenspielen. Und er rannte auch schnell. Nach seinem Erfolg über die 100 Meter wurde Usain Bolt auch über die doppelte Strecke seiner Favoritenrolle gerecht. Er siegte locker in 19,66 Sekunden, was wieder mal eine der besten Zeiten war, die je auf dieser Strecke gelaufen wurde, und die beste in diesem Jahr.

Es gab viel Applaus, er inszenierte seinen Jubel. Aber wenn man alle Ereignisse des Tages zusammenfasste, stellte sich die Frage: War Usain Bolts Finale wirklich der Höhepunkt des Tages gewesen? Am achten und vorletzten Tag der WM herrschte eine andere Atmosphäre als in den Tagen zuvor. Es war, als hätten die Moskauer endlich begriffen, dass in ihrer Stadt etwas Besonderes passiert. Anders als in den Tagen zuvor ließen sie jetzt nicht mehr viele Sitzschalen frei im weiten Rund des Luschniki-Stadions und entfachten eine pulsierende Atmosphäre, die dem Ereignis angemessen war und vor allem in den Augenblicken hochkochte, in denen Heim-Athleten zugange waren.

Es war ein herzliches Publikum, das da zusammengekommen war und es reagierte auch ohne falsche Abneigung, als Emma Green-Tregaro vorgestellt wurde. Der Auftritt der Schwedin Emma Green-Tregaro im Finale der Hochspringerinnen war mit einer gewissen Spannung erwartet worden. Die Olympia-Achte von London 2012 hatte in der Qualifikation Aufsehen erregt, weil sie dort mit Fingernägeln in Regenbogenfarben angetreten war, um gegen Russlands diskriminierende Homosexuelle-Gesetzgebung zu demonstrieren.

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Es war eine mutige, menschenfreundliche Aktion, und nun war die Frage, ob die russischen Zuschauer im Stadion sie dafür abstrafen würden. Sie taten es nicht. Es gab zwar vereinzelte Pfiffe, als Emma Green-Tregaro vorgestellt wurde, aber im Grunde war der Empfang freundlich wie für alle anderen auch. Allerdings hatte der Weltverband IAAF den schwedischen Leichtathletik-Verband vorher davon in Kenntnis gesetzt, dass Emma Green-Tregaro gegen die Regeln verstoßen habe mit ihrer Aktion.

"Wir haben dies auch der Athletin weitergegeben", sagte Albert Albertsson, der schwedische Verbandsgeneralsekretär, "nun ist es ihre Sache." Emma Green-Tregaro sagte nach dem Wettkampf: "IAAF und schwedischer Verband haben mich freundlich gebeten, meine Nägel nicht wieder so zu lackieren. Ich habe dann entschieden, die Regeln zu akzeptieren." Sie lackierte um auf Rot, was sie ebenfalls als Zeichen für die Kraft der Liebe verstanden wissen wollte, und machte einen guten Wettkampf.

Sie übersprang 1,97, wurde Fünfte und erntete warmen Applaus, als sie nach ihrem dritten Fehlversuch über 2,00 Meter aus der Matte kletterte. Ihr Fazit nach der Regenborgen-Aktion, die weltweites Aufsehen erregte? "Ich bin froh, dass ich es gemacht habe."

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Die Russen hatten allerdings auch noch was anderes zu tun, als sich über eine Schwedin zu ärgern. Ihre Heimathleten zeigten sich wieder mal sehr konkurrenzfähig. Gerade im Hochsprung: Swetlana Schkolina gewann mit 2,03 Metern vor der Amerikanerin Brigetta Barrett (2,00). Russlands Olympiasiegerin Anna Tschitscherowa wurde höhengleich mit der Spanierin Ruth Beitia Dritte (1,97). Vor allem aber wurde es laut im Luschniki-Stadion, als die russische 4x400-Meter-Staffel wie aufgezogen ihre Runden drehte und auch dank exzellenter Wechsel mit 3:20,19 zu 3:20,41 Minuten die USA besiegte, deren Langsprintstaffel normalerweise eine Gold-Bank ist.

Nach diesem dramatischen Rennen hielt bestimmt kein Russe mehr den Auftritt Usain Bolts für den Höhepunkt. Erst recht nicht, als wenig später Dimitri Tarabin im Speerwerfen seinen letzten Versuch auf 86,23 Meter streckte und damit die nächste Medaille für Russland gewann: Bronze hinter Vitezslav Vesely (Tschechien, 87,17 Meter) und Tero Pitkämäki (Finnland/87,07) - und vor dem kenianischen Wurf-Pionier Julius Yego (85,40).

Die weiteren Goldmedaillen des Tages gingen an Stephen Kiprotich aus Uganda im Marathon in 2:09:51 Stunden, an Meseret Defar aus Äthiopien über 5000 Meter in 14:50,19 Minuten und an Brianna Rollins aus den USA über 100 Meter Hürden in 12,44 Sekunden. Aber die Drei gingen tatsächlich ein bisschen unter an diesem WM-Samstag, an dessen Ende man darüber streiten konnte, was nun wirklich sein Höhepunkt war.

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Vielleicht doch das Bolt-Rennen? Bolt siegte überlegen, er sagte: "Bei 150 Metern ungefähr war ich mir sicher, dass ich gewinne." Und er gab zu, dass er nicht bis zum Schluss mit voller Kraft gelaufen war, um sich zu schonen: "Ich habe noch ein paar Rennen in dieser Saison." Sein Lauf war wirklich sehr schnell, wenn man bedachte, dass Bolt ihn am Ende im Sparschritt absolvierte. Die Russen im Stadion dürften diesen bewegten Wettkampftag wohl trotzdem eher wegen ihrer einheimischen Medaillen-Gewinner in Erinnerung behalten.

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