USA bei der Fußball-WM:Made in Germany als Übergangslösung

World Cup 2014 - Group G - USA vs Germany

Einer der Bundesliga-Legionäre im US-Team: Jermaine Jones.

(Foto: dpa)

Nur der Titel zählt: Viele Amerikaner fordern von ihrem Team in Brasilien den Gewinn des WM-Pokals, darunter Präsident Obama. Achtelfinal-Gegner Belgien gilt schon als Außenseiter. Der ehemalige Nationalspieler Tom Dooley fürchtet in dieser Euphorie um die jüngsten Fortschritte im US-Fußball.

Von Boris Herrmann, Salvador da Bahia

Die Vereinigten Staaten von Amerika spielen gegen Belgien. Im Land der aufgehenden Soccer-Sonne ist den Fußballexperten natürlich auch nicht entgangen, dass diese Belgier gar nicht so schlecht sind. Aber es ist eben immer noch Belgien, ein Land, das 20 Mal in Texas rein passt. Das Spiel, von dem hier die Rede ist, endete 1:0 - für Belgien. Im September 2011 war das. Für Jürgen Klinsmann war es das dritte Spiel als US-Coach, das dritte ohne Sieg.

Und Thomas Dooley, 52, damals Klinsmanns Co-Trainer, erinnert sich gut daran, wie die Fußballexperten bereits fleißig an den Klinsmann-Nachrufen feilten. Wie kann so ein großes Land wie die USA gegen so ein kleines Land wie Belgien verlieren? Das war der Tenor. Dooley sagt: "Da sieht man mal, dass viele Amis immer noch keine Ahnung von Fußball haben."

Tom Dooley, ein Name wie ein Folksong, darf so etwas sagen. Der in Bechhofen in der Pfalz geborene Sohn eines US-Soldaten steht nicht im Verdacht antiamerikanistischer Umtriebe. Er hat 81 Länderspiele für die USA in seiner Vita stehen, zwei Weltmeisterschaften. Das Team von 1998 führte er als Kapitän an. Dooley argumentiert so: "Ein Jugendlicher in Belgien trainiert acht Mal die Woche. Bei uns trainieren die meisten 18-Jährigen zwei Mal die Woche im College auf einer halbierten Platzhälfte." Für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit ist es aus seiner Sicht relativ unerheblich, wie groß Texas ist.

Hype und übertriebene Erwartungshaltung

Solche Zwischentöne gehen gerade ein wenig im allgemeinen Soccer-Fieber unter. Am Dienstag spielen die Vereinigten Staaten von Klinsmann mal wieder gegen Belgien, diesmal im WM-Achtelfinale von Salvador. US-Präsident Barack Obama, ein Basketball-Experte, hat sich bereits öffentlich den Titel gewünscht. Und die Mehrheit seiner Bürger hat es Klinsmann nicht verziehen, dass er leichte Zweifel anmeldete, was die Titeltauglichkeit seiner Truppe betrifft. Belgien sieht aus Sicht vieler Amerikaner gerade wieder ziemlich klein aus.

Tom Dooley ist seit Februar nicht mehr beim US-Verband beschäftigt. Er hat die Nationalmannschaft der Philippinen als Chefcoach übernommen und pendelt jetzt zwischen Los Angeles und Manila hin und her. Aber auch von dort macht er sich ein bisschen Sorgen um seinen alten Kumpel Klinsmann.

Er fürchtet, dass die jüngsten strukturellen Fortschritte im US-Soccer erschlagen werden könnten von dem Hype und der übertriebenen Erwartungshaltung an die Klinsmannschaft. Vor allem dann, wenn die Masseneuphorie mit einem Mal in eine Massenenttäuschung umschlagen sollte, falls das kleine Belgien sich mal wieder als das größere Fußballland erweisen sollte. "Man kann doch nicht erwarten, dass wir da einfach so durchmarschieren", sagt Dooley.

Fußball ist Schulsport Nummer eins

Dass überhaupt so viele Amerikaner auf die Idee kommen, das zu erwarten, hängt auch ein bisschen mit Dooley zusammen. Der Mann, der eigentlich immer ein Pfälzer war, der mit dem 1. FC Kaiserslautern 1990 Pokalsieger und 1991 deutscher Meister wurde, hat vor gut zwei Jahrzehnten Pionierarbeit geleistet, die sich jetzt, mit reichlich Verspätung, auszuzahlen scheint. Damals, im Vorfeld der WM 1994 in den USA, haben sie ihn gefragt: "Hey, du hast doch einen amerikanischen Vater, warum kickst du nicht bei uns mit?" Also kickte Dooley bei den USA mit. Im Achtelfinale war Schluss, 0:1 gegen Brasilien durch ein Tor von Bebeto. Aber eine Idee ist geblieben.

Klinsmann, der damals für den DFB in den USA kickte, hat sie später gemeinsam mit Dooley aufgegriffen und in einen Trend verwandelt: den Import von Spielern Made in Germany. Nicht zuletzt dank der deutsch-amerikanischen Soldatensöhne Jermaine Jones, Fabian Johnson und John Anthony Brooks haben die USA das Achtelfinale erreicht. Brooks erzielte das Siegtor gegen Ghana, Jones traf gegen Portugal, Johnson ist bislang einer der besten Außenverteidiger des Turniers. "Die Nationalmannschaft ist durch sie stetig besser geworden", sagt Dooley.

Wenn die Entwicklung aber weitergehen soll, dann kann das aus seiner Sicht nicht nur importgesteuert geschehen. Dann müsste die Profiliga MLS verbessert werden - und vor allem die Nachwuchsarbeit. Dooley hat einmal eine private Talentschule betrieben und Bücher zur Trainingslehre herausgegeben. Er meint zu wissen, wovon er spricht. Zarte Ansätze kann er ja durchaus erkennen. Die MLS-Klubs sind inzwischen kollektiv dazu verpflichtet, eine Jugendakademie ab der U16 zu betreiben. Allerdings werde das Potenzial damit nicht einmal ansatzweise ausgenutzt.

Wenn man sich bei Dooley nach der Größe dieses Potenzials erkundigt, sagt er einen Satz, den man erst einmal verdauen muss: "Basketball und Football wird es hier wahrscheinlich immer geben." Ja sicher, wer hätte daran je gezweifelt? Nun: "Fußball ist inzwischen die Sportart Nummer Eins in den Schulen", sagt Dooley. Aus seiner Sicht müssten diese Kids jetzt nur noch in den Genuss eines professionellen Vereinstrainings kommen. Das kleine Belgien könnte da eigentlich ein gutes Vorbild sein für das größte aller Amerikas.

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