US-Sportler in Osaka:"Das ist eine amerikanische Geschichte"

Die US-Leichtathleten dominieren die Weltmeisterschaft in Osaka. Der amerikanische Verbandschef erklärt sogar Dopingskandale zu einem Standortvorteil.

Der Jamaikaner war der Schönheitsfehler, Usain Bolt aus Trelawny, der sich im Finale über 200 Meter mit seiner Zeit von 19,91 Sekunden auf Rang zwei rannte. Das amerikanische Trio war auseinandergerissen, nur Sieger Tyson Gay (19,76) und Wallace Spearmon (20,05) durften aufs Podium, Rodney Martin (20,06) nicht, weshalb man fast schon von einer Niederlage sprechen konnte, wenn man den Anspruch der US-Sprinter bedachte. Tyson Gay war trotzdem gerührt von sich selbst. "Ich glaube, das war das schwerste Rennen meines Lebens", sagte er und machte seinen Gegnern Komplimente. Wallace Spearmon wirkte etwas zerknirscht, weil er gerne mehr gehabt hätte als Platz drei, aber konnte sich dann doch zu dem Urteil durchringen: "Es ist eine gute WM."

Das stimmt, es läuft gut für die Amerikaner, was sie selbst natürlich nicht anders erwartet haben, denn ihr Selbstbewusstsein ist traditionell groß. 20 Medaillen sind das Ziel, und mit strammen Schritten strebt das Team darauf zu. 13 haben sie schon, sechs davon sind aus Gold, die USA steht wieder auf Platz eins im Medaillenspiegel, und dabei sagt das noch gar nicht alles aus über das Ausmaß des Erfolges, der sich in Osaka abzeichnet. Die Laune von Craig Masback, Geschäftsführer des Leichtathletik-Verbandes USATF, ist nämlich nicht nur deswegen so gut, weil er in Gay wieder den überragenden Sprinter im Team hat. Sondern auch weil seine Mannschaft Medaillen in Disziplinen gewinnt, in denen sie bisher immer leer ausging. Über 10.000 Meter zum Beispiel durch Bronze-Gewinnerin Kara Goucher oder über 1500 Meter, wo Bernard Lagat das erste amerikanische Gold seit dem Olympiasieg von Mel Sheppard in London 1908 holte.

Ein Land profitiert von seinen Einwanderern

Dass Lagat gar nicht aus den USA kommt, ist Masback dabei egal. Er nimmt alles, und er macht aus allem eine Story. Lagat ist ein eingebürgerte Kenianer, sein Trainer James Li hat chinesische Wurzeln und die Gattin ist Kanadierin. "Wir sind ein Einwanderer-Land, das ist eine amerikanische Geschichte", jubelt Masback. Im Grunde findet er auch, dass seinem Verband die Goldmedaillen von Veronica Campbell (Jamaika, 100 Meter) und Donald Thomas (Bahamas, Hochsprung) gehören, weil sie in den USA trainieren.

Die Kunst der guten Laune hat Masback dann wohl auch über die schwierigen Zeiten gebracht, die sein Unternehmen hinter sich hat. In Europa raunen die Leichtathletik-Beobachter, dass die USA ein halbtoter Markt sei, weil das Fernsehen zu selten übertrage und die Meetings nicht mit denen teuren Traditionsveranstaltungen in Europa mithalten können. Stimmt schon ein bisschen, sagt Masback sinngemäß, um gleich dazu überzugehen das Bild eines florierenden Marktes zu zeichnen mit stundenlangen WM-Übertragungen aus Osaka in Fernsehen und Internet, Einschaltquoten, die sogar über denen von Profi-Eishockey und Golf mit Meister Tiger Woods lägen.

Masback erklärt Dopingskandale zum Standortvorteil

Zuschauer? "Unsere Olympia-Trials nächstes Jahr in Eugene sind schon jetzt ausverkauft", sagt Masback, "Sie bekommen keine einzige Karte mehr." Er schafft es sogar, die Dopingskandale der jüngeren Vergangenheit zu einem Standortvorteil zu erklären. Die weitreichende Affäre um das Dopinglabor Balco, die er als Sündenfall einiger weniger Sportbetrüger verklärt, sei der Ursprung eines scharfen Antidopingkampfes gewesen. Und den positiven Testosteron-Befund des 100-Meter-Olympiasiegers Justin Gatlin deutet er als Nachweis für die Stärke der amerikanischen Antidoping-Bewegung: "Das hat uns ungeheure Glaubwürdigkeit gegeben."

Das sind natürlich alles Vorlagen für seine Leute, die sich nach vergangenen Erfahrungen mit dem amerikanischem Leichtathletik-Markt einem ewigen Dopingverdacht ausgesetzt sehen. Glaubwürdigkeit ist für sie alle ein wertvolles Gut, vor allem für Tyson Gay, der bei der vorigen WM in Helsinki noch die Nummer vier in einem siegreichen US-Quartett war mit Sieger Gatlin und Silber-Gewinner Spearmon und nun die wertvollste Kraft der Auswahl ist. Allerdings wirkte er tatsächlich etwas müde im Finale, wenn man bedachte, wie er etwa bei den US-Trials um die Kurve geschossen kam und mit 19,62 Sekunden die zweitbeste je erzielte Zeit lief. Tyson Gay entschuldigte sich fast dafür, dass er nicht als Erster aus der Kurve gekommen war. Er wollte ein braver US-Sprinter sein. Und US-Sprinter dominieren nunmal.

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