US-Sport:Millionen für Neulinge

Millionenverträge für Talente ohne Profispiel, irrsinnige Rentenkontrakte und eine Luxussteuer, über die Eigentümer nur lachen: Der amerikanische Sport krankt an seinem eigenen System.

Jürgen Schmieder

Es war eine schöne Meldung, die da in der vergangenen Woche zu lesen war: Thomas Müller verlängerte beim FC Bayern, der 20-Jährige erhielt einen Vertrag bis zum Jahr 2015, der mit mehr als drei Millionen Euro pro Saison vergütet sein soll. "Der FC Bayern honoriert Leistung. Und die Leistungen von Thomas Müller in der abgelaufenen Saison waren außergewöhnlich", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Sam Bradford

Sam Bradford beim Training der St. Louis Rams: Der Verein gab ihm einen Millionenvertrag, ohne dass Bradford jemals ein Profispiel absolviert hat.

(Foto: AP)

Sollte diese Meldung zu einem amerikanischen Journalisten vorgedrungen sein, dann wird der sich vermutlich die Augen gerieben haben. 15 Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre, für den besten Torschützen der vergangenen WM? "Pocket money" würde man das im amerikanischen Sport nennen, Taschengeld. Und überhaupt: Seit wann muss einer außergewöhnliche Leistungen im Profisport vorweisen, um einen gut dotierten Vertrag angeboten zu bekommen? Betrachtet man die Millionenkontrakte für Talente ohne Profierfahrung, die irrsinnigen Rentenverträge und die aberwitzige Luxussteuer, dann kommt man zu dem Schluss, dass der amerikanische Sport an seinem eigenen System krankt.

Der Eishockey-Klub New Jersey Devils etwa hatte im Juli mit Ilja Kowaltschuk einen Vertrag vereinbart, der dem Stürmer 102 Millionen Dollar einbringen sollte. Nicht nur das Gehalt war exorbitant, sondern auch die Laufzeit: 17 Jahre, am letzten Tag des Kontrakts wäre Kowaltschuk 44 Jahre alt. Nun gab ein New Yorker Schiedsgericht einer Klage der National Hockey League (NHL) statt und erklärte den Vertrag für illegal. Die Liga hatte argumentiert, dass die Devils nur die Gehaltsobergrenze ("Salary Cap") umgehen wollten. "Die Entscheidung deckt sich mit den Vorstellungen der Liga", sagt Bill Daly, stellvertretender Vorsitzender der NHL.

Schon in der vergangenen Sommerpause hatten NHL-Klubs ein Schlupfloch in der Vereinbarung zwischen Liga und Spielergewerkschaft genutzt, um ganz legal die Gehaltsobergrenze aus den Angeln zu heben. Die Chicago Blackhawks hatten dem damals 30-jährigen Stürmer Marian Hossa einen Zwölf-Jahres-Vertrag angeboten und wurden mit seiner Hilfe Meister, die Philadelphia Flyers statteten den 35-jährigen Chris Pronger mit einem Kontrakt über sieben Jahre aus. Grund für diese absurden Laufzeiten: Für den Salary Cap ist der Gehaltsdurchschnitt aus allen Jahren entscheidend.

Es gibt zwar eine Gehaltsobergrenze in den amerikanischen Profiligen, die immer wieder als Vorbild herhalten muss, wenn es eine Diskussion um die Verdienste von Sportlern hierzulande gibt. Doch in jedem einzelnen Sport gibt es Wege, dieses Limit zu umgehen. Zu den zahlreichen Ausnahmen, bestimmten Spielern hochdotierte Verträge anzubieten, gibt es etwa im Baseball die sogenannte "luxury tax", bei der Vereine für jeden Dollar über dem Limit zusätzlich einen gewissen Prozentsatz als Steuern an die Liga abführen müssen. Die New York Yankees etwa, einer der reichsten Sportvereine weltweit, bezahlen mehr Steuern als andere Mannschaften für den kompletten Kader ausgeben. "Wir haben das beste Produkt im Sport, wir sorgen für volle Stadien, andere Vereine sollten uns dankbar sein", sagt Yankees-Manager Brian Cashman lapidar. Die Investitionen lohnen sich: In der vergangenen Saison feierte der Verein die 27. Meisterschaft.

Die Eishockey- und Baseballspieler mit den lukrativen Langzeit-Verträgen sind immerhin Akteure, die sich jahrelang im Profisport bewährt haben. Im American Football dagegen überbieten sich die Vereine derzeit gegenseitig mit Rekordsummen für talentierte Neulinge. Gerade hat der Footballverein St. Louis Rams den 22-jährigen Quarterback Sam Bradford mit einem Vertrag ausgestattet, der ihm in den kommenden sechs Jahren 86 Millionen Dollar einbringen kann. Die Detroit Lions verpflichteten den 23 Jahre alten Defensivspieler Ndamukong Suh und gaben ihm einen Vertrag, der auf fünf Jahre datiert ist und durch den Suh 68 Millionen Dollar verdienen kann.

Wohlgemerkt: Weder Bradford noch Suh haben jemals ein Spiel für einen Profivereins absolviert. "Wir müssen umdenken", sagt NFL-Chef Roger Goodell. "Ich will nicht, dass die Spieler weniger verdienen, so lange die Vereine sich das leisten können. Doch es muss gerecht verteilt sein." Junge Spieler sollten sich erst beweisen müssen, ehe ihnen Millionenverträge angeboten würden. Eine einvernehmliche Lösung sei jedoch nicht in Sicht, das Wettbieten geht also weiter.

Immerhin hat nun ein Schiedsgericht eines der vielen Schlupflöcher entlarvt und zumindest den Kowaltschuk-Vertrag für illegal erklärt. Die Devils müssen erneut mit dem Spieler verhandeln. Sollte es keine Einigung geben, soll es bereits eine 80-Millionen-Offerte der Los Angeles Kings für Kowaltschuk geben. Laufzeit: 15 Jahre.

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