US-Sport:Marschkapelle statt Weißkopfseeadler

Donald Trumps Ausladung des Super-Bowl-Siegers Philadalphia spaltet die Bevölkerung weiter.

Von Hubert Wetzel, Washington

Der Champion darf ins Weiße Haus. So ist das in Amerika. Die Archive sind voll von Bildern von US-Präsidenten, die eine Meisterschaftsmannschaft empfangen, egal ob diese nun Eishockey spielt, Basketball, Football oder Baseball, ob sie den Stanley Cup gewonnen hat, die NBA-Finals, den Super Bowl oder die World Series. Der Präsident steht dann da zwischen lauter Profisportlern, die in der Regel deutlich größer, breiter und kräftiger als er sind, und hält ein Trikot in die Kameras, auf dem sein Name steht. Die Politik sonnt sich im Ruhm des Sports. Und der Sport sonnt sich im Ruhm der Politik.

Jedenfalls war das früher so.

Seit Donald Trump Präsident ist, hat allerdings auch diese eigentlich recht harmlose Tradition gelitten. Trump liefert sich schon seit längerer Zeit wütende Twitter-Duelle mit etlichen prominenten Sportlern, die seine Politik kritisieren. Voriges Jahr zog der Präsident nach einem solchen Schlagabtausch seine Einladung an den Basketball-Star Stephen Curry zurück, den Spielmacher der Golden State Warriors. Daraufhin sagte das gesamte Team, das 2017 die Meisterschaft gewonnen hatte, den Besuch im Weißen Haus ab.

In dieser Woche folgte der zweite Eklat: Eigentlich sollten am Dienstag die Philadelphia Eagles im Weißen Haus zu Gast sein, die amtierenden Football-Meister. Alles war vorbereitet, der Name "Trump" war auf ein Trikot gestickt worden, der Präsident wollte sich mit der Mannschaft im Rosengarten zeigen. Am Montagabend sagte Trump den Termin dann jedoch völlig überraschend ab. Statt des geplanten Festes für die Eagles werde im Garten des Weißen Hauses eine patriotische Feier für Amerika stattfinden, teilte der Präsident in einer Erklärung mit. Statt der Eagles werde die Marschkapelle der Marineinfanterie die Gäste unterhalten.

Bisher ist noch nicht völlig klar, was genau vor der Absage passiert ist. Nach Darstellung von Trump liegt die Schuld aber - wie ja immer - alleine bei den anderen.

So, wie das Weiße Haus die Vorgänge erklärt, hatte die Mannschaft Ende voriger Woche zunächst mehr als 80 Personen für den Besuch angemeldet. Am Montag habe das Team dann jedoch mitgeteilt, dass nur "zwei oder drei" Spieler, der Besitzer Jeffrey Lurie sowie das Maskottchen Swoop kommen würden - mithin nur eine Handvoll Leute, von denen einer zudem als Weißkopfseeadler verkleidet sein und sich mit dem Präsidenten durch einen großen gelben Schnabel unterhalten würde. Das Weiße Haus fühlte sich veralbert, und Trump, der kaum etwas mehr fürchtet, als lächerlich zu erscheinen, strich kurzerhand die ganze Veranstaltung.

Der Hintergrund dieses bizarren Hickhacks ist freilich weit weniger heiter, als es klingt. Angefangen hat alles im August 2016, als der damalige Quarterback der San Francisco 49ers, Colin Kaepernick, vor einem Spiel demonstrativ sitzen blieb, als die Nationalhymne gesungen wurde. Nach dem Spiel erklärte Kaepernick, der einen afroamerikanischen Vater hat, er habe auf diese Weise gegen die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA protestieren wollen. "Ich werde nicht aufstehen, um meinen Stolz auf die Flagge eines Landes zu zeigen, das schwarze und farbige Menschen unterdrückt", sagte der Spielmacher. Später änderte er seinen Protest etwas - statt sitzen zu bleiben, kniete er während der Hymne nieder. Aber er stand nicht.

Kaepernick trat damit eine Lawine los.

Dutzende Football-Spieler, Schwarze wie Weiße, knieten von da an, wenn die Nationalhymne gespielt wurde. Das stieß in konservativen Kreisen zwar auf Kritik, weil es als respektlos gegenüber einem Nationalsymbol empfunden wurde. Aber zu einem echten Politikum wurde der Spielerprotest erst, als Donald Trump sich der Sache auf die ihm eigene spalterische und aggressive Weise annahm. Im September 2017 begann der Präsident, damals noch frisch im Amt, die knienden Spieler auf Twitter als Vaterlandsverächter zu beschimpfen, die keinen Respekt für ihr Land, die Flagge und für all die toten Helden hätten, die für Amerika gestorben seien. Assistiert wurde Trump dabei von rechtskonservativen Medien wie Fox News. Aus dem stillen, friedlichen Protest einiger Sportler, die ihr uramerikanisches, im 1. Verfassungszusatz verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung ausübten, wurde auf diese Weise ein Schlachtfeld im Kulturkampf zwischen Linken und Rechten, der das Land seit Jahren immer tiefer spaltet.

Trump griff mit seinen Tweets, die oft einen rassistischen Unterton hatten, eine der letzten Institutionen an, die in Amerika noch halbwegs überparteilich war - den Sport. Und er war spektakulär erfolgreich. Obwohl Football der mit Abstand beliebteste Sport im ländlichen, weißen, konservativen und patriotischen Amerika ist, wo Trumps Wähler leben, übernahmen die Anhänger des Präsidenten dort anstandslos dessen Sicht. Die National Football League (NFL) galt vielen Republikanern plötzlich als Hort linksradikaler Umtriebe, bevölkert von unamerikanischen Provokateuren. Für die Demokraten wurde Football, bisher ein eher verachteter Hinterwäldler-Sport, hingegen plötzlich zum Teil der Widerstandsbewegung gegen Trump. Aber das reichte nicht, um die Enttäuschung der konservativen Fans auszugleichen. Die Zuschauerzahlen im Fernsehen bei NFL-Spielen brachen ein, die Teams mussten um ihre Einnahmen fürchten.

Für die kommende Saison erließ die Liga daher ein Dekret, das einer Kapitulation gleichkam: Die Spieler sind unter Strafandrohung angewiesen, während der Hymne zu stehen. Wem das nicht passt, der kann so lange in der Kabine warten. Gegen Trump und das Milliardengeschäft, das mit Football in den USA gemacht wird, zog die Meinungsfreiheit den Kürzeren.

Dass nun ausgerechnet die Feier für die Eagles diesem Streit zum Opfer gefallen ist, war freilich erstaunlich. Denn von den Spielern der Mannschaft hatte in der vergangenen Saison überhaupt keiner bei der Hymne gekniet. Trump warf den Spielern zwar vor, sie weigerten sich, während der Hymne zu stehen. Das aber war, wie so oft bei Trump, eine Lüge.

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