US-Sport:Harte, zu weiche Strafe

Louisvilles College-Basketballer verlieren wegen eines Sexskandals ihren Titel von 2013, 123 Siege wurden aus den Ergebnislisten gestrichen. Kritiker fragen: Ist das alles?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wenn Sportler nach den wichtigsten Momenten ihrer Karriere gefragt werden, dann gibt es eigentlich nur zwei Antwortmöglichkeiten: Es ist entweder der Augenblick des größtmöglichen Triumphes, wenn gewiss ist, dass es auf der ganzen Welt niemanden gibt, der noch besser ist - wenn also einer als Erster die Ziellinie überquert, das Endspiel gewonnen oder den Gegner in den Ringstaub geprügelt hat. Oder es ist, weil ein Comeback auch eine grandiose Geschichte bietet, eine schlimme Niederlage oder eine schreckliche Verletzung, die so ein Sportlerleben entscheidend geprägt hat.

So gesehen ist die Bestrafung für die Basketballabteilung der University of Louisville, so drakonisch sie zunächst einmal klingen mag, natürlich nicht mehr als ein Witz. Der Unisport-Verband NCAA hat Louisville den Meistertitel aus dem Jahr 2013 aberkannt und insgesamt 123 Siege zwischen 2011 und 2015 aus den Ergebnislisten gestrichen. Die Universität muss zudem 600 000 Dollar an Prämien für die Teilnahme an Ausscheidungsrunden zurückzahlen. Was Louisville freilich behalten darf, das sind diese Momente des Triumphes. "Die Entscheidung der NCAA ändert nichts an der Begeisterung, für die dieses Team gesorgt hat", schreibt Interimspräsident Greg Postel in einem offenen Brief auf der Webseite der Universität: "Es ändert auch nichts an dem Gefühl, das wir alle bei den Erfolgen hatten."

Partys mit Stripperinnen sollten offenbar Athleten für die University of Louisville anlocken

Der damalige Assistenztrainer Andre McGee hatte in den Jahren 2010 bis 2014 in einem Wohnheim auf dem Campus illegale Sexpartys mit Stripperinnen und Prostituierten organisiert, um mögliche Talente für Louisville zu begeistern. Es ist in den USA üblich, dass sich High-school-Absolventen erst nach einem Besuch für ein College entscheiden. Sportler dürfen an der Uni kein Geld verdienen, nur ein Stipendium plus Zuschüsse zu Miete, Essen und Büchern sind erlaubt. McGee wollte den oftmals erst 17 Jahre alten Besuchern offenbar zeigen, das in Louisville wie an vielen anderen amerikanischen Unis gilt: Sportler gehen durch Türen, von deren Existenz andere Studenten noch nicht einmal zu träumen wagen.

Es geht ums Geld im amerikanischen Unisport, auch wenn die Akteure offiziell keines verdienen dürfen. Die Fans kaufen Tickets und Trikots, Absolventen spenden großzügig, es gibt Verträge mit Ausrüstern und TV-Sendern. Die Sportabteilung von Louisville nahm im Jahr 2016 mehr als 112 Millionen Dollar ein, ungefähr so viel wie umgerechnet der Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt. Es gibt immer wieder kleinere und größere Skandale, mal geht es um gefälschte Prüfungsergebnisse für nicht ganz so strebsame Sportler, dann wieder um eine heimliche Bezahlung der Akteure oder deren Familien.

Sanktionen für die Gegenwart oder die Zukunft gibt es nicht

Der Basketballabteilung von Louisville zum Beispiel war bereits vor einigen Monaten vorgeworfen worden, über einen damaligen Mitarbeiter von Ausrüster Adidas 100 000 Dollar an die Familie eines begehrten Sportlers bezahlt zu haben, damit der nach Louisville kommt und später als Profi einen Ausrüstervertrag beim Sportartikelhersteller unterschreibt. Trainer Rick Pitino wurde deshalb im Herbst vergangenen Jahres suspendiert und später entlassen. Er behauptet, weder von den Bezahlungen noch von den Sexpartys gewusst zu haben und hat die Uni mittlerweile auf Schadenersatz in Höhe von 37,6 Millionen Dollar verklagt.

Die Universitäten entledigen sich solcher Skandale meist, indem sie sich selbst Sanktionen auferlegen wie den Verzicht auf die Teilnahme an den Playoffs, die Rückzahlung von Prämien oder die Suspendierung des Trainers - es sind selbst ausgestellte Persilscheine, mehr nicht. Die Bestrafung von Louisville wirkt deshalb erst einmal ziemlich hart, zum ersten Mal in der Geschichte des College-Basketballs wird einer Universität der Titel aberkannt.

Nur: Was passiert wirklich? Die Uni muss das Banner für die Meisterschaft 2013 aus der Halle entfernen und darf die 123 Siege nicht mehr in den Geschichtsbüchern führen. Es gibt jedoch keine Sanktionen für Gegenwart oder Zukunft - ach was: Die Leute dürfen die Erinnerungen an die Vergangenheit behalten. Louisville hat das Finale damals gegen die University of Michigan gewonnen, es war eine hochklassige und dramatische Partie. Michigan wird nun nicht, wie etwa bei Olympia üblich, nachträglich zum Meister erklärt. Warum auch? Michigans Trainer John Beilein sagt, und das ist die vielleicht klügste Zusammenfassung dieses Skandals: "Woran ich mich erinnere: Wir haben verloren damals."

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