US-Sieg gegen DFB-Elf:Im 1001. Versuch könnte es klappen

Deutschland - USA

Torschütze Bobby Wood (links) jubelt über seinen Treffer.

(Foto: Maja Hitij/dpa)
  • US-Trainer Jürgen Klinsmann formt mit seinen Visionen aus dem US-Team eine starke Mannschaft - und schlägt in einem Freundschaftsspiel die DFB-Elf.
  • College-Spieler Morris bereitet den Siegtreffer gegen den Weltmeister vor, Zweitliga-Fußballer Bobby Wood vollstreckt sehenswert.

Von Sebastian Fischer, Köln

Natürlich war dieses Tor auf einen Fehler von Shkodran Mustafi zurückzuführen, der sich foppen ließ. Ja, auch Antonio Rüdiger lief mal wieder irgendwo umher, wo er nichts zu tun hatte. Klar, Christoph Kramer hätte den Pass verhindern müssen. Und überhaupt: Die deutschen Spieler waren am Mittwochabend arg müde.

Davon mal abgesehen war es ein großartiges Tor, das der Zweitliga-Fußballer Bobby Wood in der 87. Minute schoss - und den USA einen 2:1-Sieg gegen den Weltmeister sicherte. Der Pass kam bei ihm an, weil sein Mitspieler Jordan Morris zuvor den Passweg gekreuzt und so die deutsche Verteidigung irritiert hatte. Und dann kontrollierte Wood den Ball mit seinem rechten Außenrist, Drehung, Linksschuss. Unhaltbar.

"Dieser Sieg ist etwas ganz Besonderes", sagte Jürgen Klinsmann hinterher und grinste, als hätte ihm jemand die Wangen mit Wäscheklammern an den Ohren befestigt. Der deutsche Trainer der Amerikaner war unverkennbar stolz, dass er bei der Rückkehr in das Land seines Sommermärchens seine Lieblingsmannschaft seines Lieblingstrainers Löw geschlagen hatte. Aber er wirkte vor allem auch stolz auf dieses entscheidende Tor. Es war Ausdruck der neuen Stärke seines Teams, Ausdruck einer Symbiose, die sie sich im US-Fußball schon lange wünschen.

Wood, 22, hat die typische Biografie eines talentierten Fußballers aus den USA, Klinsmann hat sie am Mittwochabend nochmals geschildert und erklärt: Wood wäre "work in progress", noch in der Ausarbeitung sozusagen. Der Hawaiianer wuchs in Kalifornien auf. Doch weil die Grundausbildung zum Berufsfußballer dort nicht so ernst genommen wird, verließ er schon mit 14 sein Zuhause und zog nach München, zu 1860. US-typisch blieb seine Biografie auch danach, weil er sich so recht nicht durchsetzen konnte. Nur drei Tore in drei Jahren schoss er für die Sechziger, im Winter wurde er nach einem Streit nach Aue verliehen.

"Aue hat ihm sehr geholfen", lobte Klinsmann am Mittwoch. Wood hat dort trotz einer Meniskusverletzung neun Mal gespielt in der Rückrunde und dabei so viele Tore geschossen, wie in drei Münchner Jahren zusammen. Deshalb will er nun ungern zurück nach München, sondern viel lieber woanders hin. Darüber hat er aber in Köln nicht gesprochen, sondern nur über sein Tor. Wood sagte: "Das ist lustig, dass es genau so geklappt hat. Wir haben das nämlich gestern im Training 20 Mal geübt."

Den Gold Cup vor der Brust

Zu diesem Tor gehörte neben Passgeber Brad Evans eben jener junge Mann namens Morris, 20, aus Seattle, den Klinsmann ungefragt erwähnte in seiner Analyse. Beide, Morris und Woods, hatte er eingewechselt. Morris hat auch eine typische Biografie eines talentierten US-Fußballers: Er spielt für die Stanford University.

Klinsmann hat Morris im vergangenen Jahr nach einem Trainingskick der Unispieler gegen die Nationalmannschaft in den Kader berufen, den Deutschen beeindruckte das unkonventionelle Spiel des Stürmers. Dabei ist Klinsmann einer der größten Kritiker des amerikanischen Fußballsystems und der amerikanischen Profiliga. Er sieht seine Spieler am liebsten in Europa und war auch nicht begeistert, als sein Kapitän Michael Bradley im vergangenen Jahr vom AS Rom zum FC Toronto wechselte. Bradley, der das 1:1 durch Mix Diskerud vorbereitete und über den Klinsmann sagte: "Er war der absolut beste Spieler auf dem Platz."

Woods, Morris, Bradley: Europa-Legionäre mit MLS-Stars und College-Talenten - vielleicht kann diese Mischung ja doch klappen. Der Sieg gegen Deutschland war nicht der erste dieser Art. Vor ein paar Tagen haben die Amerikaner die Niederlande mit 4:3 geschlagen. Auch da hat Woods das entscheidende Tor geschossen und "auch da hatten wir den Sieg verdient", sagt Klinsmann.

Das Ziel ist es, irgendwann mal ein WM-Halbfinale zu erreichen, und ja, Fußball als Sport in den USA zu etablieren. Tausendmal sollte es schon so weit sein, vielleicht gelingt es Klinsmann im tausendundersten Versuch nun wirklich.

Klinsmann hat seine eigenen Ideen und Visionen, er hat ein einfaches taktisches Konzept, dass die physischen Stärken des Teams zur Geltung bringt. Er hat die geläuterte Einsicht, sich auf die amerikanischen Eitelkeiten einzulassen, und auch die Lockerheit, dem US-Selbstverständnis zu begegnen, in allem Weltmeister sein zu müssen. Er hat eine erste WM hinter sich, die eine kleine Euphorie entfacht hat. Er hat außerdem bis 2018 noch viel Zeit, und bis dahin nur machbare Herausforderungen wie den Gold Cup in diesem Sommer.

"Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen", hat Klinsmann am Mittwoch gesagt und gelacht. So ein Sieg gegen Deutschland, der ist nämlich nicht nur etwas ganz Besonderes. Sondern: "Für uns etwas ganz Seltenes." Noch jedenfalls.

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