US-Schwimmer Michael Phelps:Kontrollverlust an Land

Michael Phelps

Michael Phelps: Im Becken besser aufgehoben als auf der Straße

(Foto: Mark J. Terrill/AP)

Schwimmlegende Michael Phelps feierte gerade erst sein umjubeltes Comeback - nun wird er wegen Raserei am Steuer verhaftet. Betrunken war er auch. Über einen, der sein Leben nicht in den Griff bekommt.

Von Saskia Aleythe

Es sind die letzten Meter, die weh tun, und zwar richtig. August 2014, Michael Phelps springt bei den Pan-Pazifik-Meisterschaften über 100 Meter Schmetterling ins Becken, liegt gut im Rennen, auf der Nebenbahn schwimmt Kollege Ryan Lochte voraus, dann kommt die letzte Bahn. Phelps dominiert den Schlussspurt beeindruckend und schlägt als Erster an - "The Champion is back" schreiben die Zeitungen.

Michael Phelps holt seine erste internationale Medaille in einem Einzelrennen nach seinem Comeback, die USA und ihr Schwimmheld sind wieder vereint. Doch nur für ein paar Monate im Guten.

Vielleicht geht es für Phelps weiter in diesem Sog aus sportlichen Erfolgen, in der Weltjahresbestenliste steht wieder sein Name, ganz oben sogar über 100 Meter Schmetterling. Er gehört zu den Nominierten bei der Wahl zu Amerikas Schwimmer des Jahres. Doch sein Heldenstatus ist nicht mehr, was er mal war. Er bröckelt. In seiner Heimat Baltimore wurde er von der Polizei angehalten, mit 135 Stundenkilometern war der US-Schwimmer unterwegs, erlaubt waren lediglich 72. Schlimmer aber: Phelps war betrunken. Und das nicht zum ersten Mal. "Die Nachrichten über Michael Phelps und sein Verhalten sind enttäuschend und zweifellos ernst zu nehmen", teilte der US-Schwimmverband mit. Laut Polizeiunterlagen hatte Phelps 1,4 Promille, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Der erfolgreichste Olympionik des Planeten hat die Kontrolle über sich verloren, zu einem Zeitpunkt, als er sein Leben vielleicht zum ersten Mal wirklich selbstbestimmt führte. Nach den Olympischen Spielen 2012 war er mit 27 Jahren vom Sport zurückgetreten. "Es gibt so viele Dinge, die ich in meinem Leben noch machen möchte", sagte er damals. Doch dann, als das stundenlange Training wegfiel aus seinem Tagesplan, war da plötzlich die Leere. Große, unausfüllbare Leere.

"Es gab Tage, an denen ich aufgewacht bin und gedacht habe: Ok, heute könnte ich Golf spielen. Oder daheim bleiben", sagte er einmal dem Nachrichtensender ESPN. Er rief Freunde an, doch die mussten sich ihr Leben mit Arbeit finanzieren. "Das fand ich doof", sagte Phelps und gab zu, dass er mit der freien Zeit überfordert war. Langeweile trieb ihn zurück ins Becken, er hatte zwar reichlich Geld, aber keine Aufgabe mehr und 14 Kilo zugenommen. Eineinhalb Jahre nach seinem Rücktritt wollte er wieder zurück zu den Konstanten in seinem Leben: Schwimmen und Trainer Bob Bowman. Es war Phelps eigener Antrieb, es noch einmal zu versuchen, bei der WM 2015 anzutreten und vielleicht in Rio ein Jahr später.

Skandal mit Marihuana

Als Elfjähriger war Phelps zum Schwimmen gekommen, es war eigentlich eine Art Therapie gewesen für den hyperaktiven Jungen. Schon damals war Bowman auf ihn aufmerksam geworden, er trainierte ihn als Kind, als 15-Jährigen bei seinen ersten Olympischen Spielen in Sydney, als späteren mehrfachen Weltrekordhalter und Goldmedaillen-Einheimser vom Dienst. Für Bowman muss die Raserei unter Alkoholeinfluss nun ein Déjà-vu-Erlebnis sein: Bereits 2004 war Phelps betrunken im Verkehr aufgefallen.

0,8 Promille hatte der Alkoholtest damals ergeben, Phelps wurde zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und musste an einer Universität zum Thema Alkohol am Steuer referieren. Das Ausnahmetalent war damals 19 Jahre alt, es schien ein Delikt der Kategorie "Jugendsünde" gewesen zu sein. Je mehr er die Weltelite im Becken deklassierte, desto aufmerksamer wurden die Sponsoren, Phelps erhielt Verträge in Millionenhöhe, hatte davon teilweise bis zu zehn gleichzeitig. Einen verlor er 2010 infolge eines weiteren Vergehens: Ein Foto zeigte ihn beim Rauchen von Marihuana auf einer Studentenparty, das war in Amerika ein Skandal. Der US-Schwimmverband sperrte ihn für drei Monate.

"Ich werde eine Million Fehler in meinem Leben machen", hatte Phelps in einem CNN-Interview gesagt, "aber so lange ich denselben Fehler nicht wiederhole, werde ich daraus lernen und daran wachsen." Doch gewachsen ist er in dieser Sache nicht.

Gerade erst hat Phelps einen neuen Ausrüstervertrag mit Aqua Sphere unterschrieben, der bis 2022 dotiert ist. Besonders gut wird seine Eskapade dort nicht angekommen sein. Dass sich Phelps zeitnah zum Bekanntwerden seiner Alkoholfahrt reuig zeigte, könnte allerdings für Milde sorgen. "Ich entschuldige mich bei jedem, den ich enttäuscht habe", twitterte er wenige Stunden später, "ich begreife die Schwere meiner Tat und übernehme die volle Verantwortung."

Auf Phelps wird nun ein Gerichtsverfahren zukommen, vom Bußgeld bis zur Gefängnisstrafe ist alles denkbar. Es wäre das bittere Aus einer beachtlichen Rückkehr, ein ironisches Ende für einen Schwimmer. Die letzten Meter tun am meisten weh.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: