US Open:Sloane Stephens gewinnt das Finale der Freundinnen

Lesezeit: 3 min

Sloane Stephens mit der US-Open-Trophäe. (Foto: USA Today Sports)
  • Mit 6:3 und 6:0 gewinnt Sloane Stephens das Finale der US Open gegen Madison Keys.
  • Stephens gewinnt das Turnier als ungesetzte Spielerin - und nach einer langen Verletzungspause.
  • Am Ende gewinnt sie, weil sie den ersten entscheidenden Moment auf ihrer Seite hat.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es kann einen schon einschüchtern, dieses größte Tennisstadion der Welt, das sie da im Corona Park von Flushing Meadows hingestellt haben: drei Etagen, vier wahnwitzig große Videowände, Promis wie Emma Stone, Michael J. Fox und Uzo Aduba in den VIP-Logen. Es kann einem schon mulmig werden, wenn man zum ersten Mal in seinem Leben in dieser Arena antritt. Wie muss es einer Spielerin gehen, die ihr erstes Grand-Slam-Finale darin spielt?

Es war kein hochklassiges Finale zwischen Madison Keys und Sloane Stephens, es war vielmehr eine Partie zweier Spielerinnen, die als Freundinnen Respekt voreinander, vor allem aber Respekt vor diesem Stadion und der zu gewinnenden Trophäe hatten. Schon beim Einspielen unterliefen beiden Finalistinnen derart viele Fehler, dass die mehr als 23.000 Zuschauer bereits vor der Partie ahnten, dass sie die gewinnen würde, der zuerst eine schöne Aktion gelingen würde, ein bedeutender Gewinnschlag, ein wichtiger Punkt. Wer zuerst die Nervosität ablegen und seinem Spiel ein bisschen Rhythmus würde verleihen können.

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Das war Stephens, die das Break Mitte des ersten Satzes nicht schaffte, sondern von Keys geschenkt bekam. Stephens agierte danach selbstbewusst und sicher, während ihre Gegnerin verzweifelt zu ihrer Box blickte, als wolle sie fragen, ob ihre Gegnerin so gut oder sie selbst so schlecht spiele. Es war eine Mischung aus beidem, Stephens gewann die Partie mit 6:3, 6:0 und wurde damit die Siegerin mit der schlechtesten Weltranglistenposition (83) in der US-Open-Geschichte - sieht man einmal von Kim Clijsters ab: Die Belgierin war bei ihrem Erfolg im Jahr 2009 nicht in der Rangliste vermerkt gewesen.

Stephens agiert geduldiger und cleverer

Keys war die aktivere, die aggressivere Spielerin. Sie scheuchte Stephens von einer Ecke in die andere, doch konnte sie die einzelnen Punkte nicht beenden. Es wirkte wie ein Tischtennisspiel zwischen Vater und Sohn, bei dem der Jüngere wild drauf los prügelt und die Partie scheinbar dominiert. Der Ältere spielt die Bälle geduldig und sicher zurück und wartet darauf, dass der Filius austobt und einen Fehler macht. Es gibt eine Zahl, die die Geschichte dieses Finales erzählt: Stephens leistete sich die komplette Partie über sechs leichte Fehler, Keys 30. Das sind nicht zu viele, das sind viel zu viele.

"Ganz offenbar habe ich heute nicht mein bestes Tennis gespielt", sagte die Unterlegene nach dem Match. "Aber Sloane ist eine meiner Lieblingsmenschen. Und wenn ich schon verlieren muss, dann am liebsten gegen Sloane", sagte Keys, die nach der Partie ihre Freundin lange umarmte und danach minutenlang neben ihrer Gegnerin saß und sich mit ihr unterhielt, oft giggelnd. "Ich hatte schlimme Verletzungen - wenn mir jemand vor zwei Monaten gesagt hätte, dass ich das Finale in einem Grand-Slam-Turnier erreiche, dann hätte ich das niemals geglaubt."

Stephens besuchte, das ist so Tradition für Grand-Slam-Siegerinnen, die Box mit Familie, Freunden und Trainern. Anschließend nahm sie ihren Stuhl und setzte sich zu Keys, ein nie gesehenes Bild vor einer Siegerehrung eines Grand-Slam-Turniers. Danach sagte sie: "Ich hätte im Januar gesagt: Es ist unmöglich, die US Open nach diesen Verletzungen zu gewinnen. Ich wollte nach dem Finale neben Madison sitzen, weil sie meine beste Freundin auf der Tour ist. Ich habe mir ein Unentschieden gewünscht, ich wünsche ihr nur das Beste. Dafür sind Freundschaften da."

Die Geschichte von Stephens, 24, ist eine, die die Amerikaner lieben und in Filmen immer wieder erzählen. Sie war ein ungehobelter Teenager, oftmals arrogant und hochnäsig. Sie wurde vor vier Jahren als kommende Grand-Slam-Siegerin und künftige Wattanglisten-Erste gefeiert, doch dann verlor sie häufig früh, in der Weltrangliste lag sie drei Jahre lang auf einem Platz um 35 herum. Das ist ordentlich, gewiss, aber eben nicht der angekündigte Weltstar.

Wie das Script für einen Tom-Cruise-Hit

Ein junger Sportler läuft hin und wieder gegen eine Wand, und dann wird die Frage gestellt, die Karrieren definiert: Findet er beim nächsten Versuch einen Weg darüber oder drumherum, oder läuft er stur und mit dem Kopf voraus dagegen? Stephens lief dagegen, immer wieder, bis sie sich im Juli vergangenen Jahres eine komplizierte Stressfraktur im rechten Fuß zuzog. "Ich konnte elf Monate lang kein Tennis spielen, das hat mir die Augen geöffnet", sagte sie nun: "Ich habe gelernt, wie glücklich ich mich schätzen darf, dass ich mit Sport meinen Lebensunterhalt verdienen darf. Ich bin dadurch bescheiden geworden."

Sie kam zurück - und keine Geschichte lieben die Amerikaner mehr als jene, wenn der zunächst arrogante und hochnäsige Held erniedrigt wird, geläutert zurückkehrt und nach einigen Erfolge erklärt, wie bescheiden er nun sei. (Tom Cruise hat etwa 20 Filme nach diesem Muster gedreht.) Bei den US Open präsentierte sich Stephens als junge Frau, die noch immer selbstbewusst, aber eben nicht mehr arrogant oder hochnäsig ist. "Ich bin noch immer die gleiche Spielerin", sagte sie: "Aber ich bin eben auch ein bisschen älter und weiser."

Was sie nun auch ist: US-Open-Siegerin. Und dieses riesige und bisweilen einschüchternde Stadion, es sah plötzlich so als, als böte es genau den richtigen Rahmen für die Größe dieses Erfolgs.

© SZ vom 10.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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