US-Open-Sieger Novak Djokovic:Näher dran als Serena

2015 U.S. Open - Day 14

In dieser Saison kaum zu bezwingen: Novak Djokovic jubelt über den Sieg in New York.

(Foto: AFP)
  • Novak Djokovic war 2015 sogar näher dran am Grand Slam als Serena Williams: Der Serbe gewinnt die US Open - und ärgert sich nun noch mehr über ein verlorenes Match in Paris.
  • Einer Person dankt Djokovic nach dem Triumph besonders. Nicht Boris Becker, sondern seiner Ehefrau.

Von Lisa Sonnabend

Novak Djokovic blieb regungslos stehen, bewegte nicht einmal die Mundwinkel. Dann hob er die linke Hand, wie in Zeitlupe, und deutete mit dem Zeigefinger auf seine Brust. Auf sich. Es war nur ein kleines Zeichen, doch es sagte viel aus: Denn ja, er hatte es schon wieder geschafft. Der 28-jährige Serbe hatte auch die US Open, das letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres, gewonnen.

6:4, 5:7, 6:4 und 6:4 rang er in der Nacht auf Sonntag Roger Federer nieder, nach drei Stunden und 20 Minuten. Nachdem Djokovic dem Unterlegenen die Hände geschüttelt hatte, jubelte er ausgelassen. Er reckte die Arme in die Luft, küsste seine Ehefrau, umarmte seinen Trainer Boris Becker und strahlte. Der 28-Jährige hatte auch allen Grund dazu.

"Das war eine unglaubliche Saison"

In diesen zwei Wochen in New York hatten viele auf Serena Williams geblickt, die als erste Tennisspielerin seit Steffi Graf 1988 die Chance hatte, den Grand Slam, also alle vier großen Turniere in einem Kalenderjahr, zu gewinnen. Am Ende fehlten der Amerikanerin dafür zwei Siege, sie scheiterte bei den US Open überraschend im Halbfinale. Djokovic dagegen war noch näher dran - lässt sich seit diesem Sonntag sagen. Ihm fehlte sogar nur ein einziger Sieg. Dass der Weltranglistenerste im Mai das Finale der French Open gegen Stan Wawrinka verlor, wird ihn nun noch einmal besonders ärgern. Die Turniere in Melbourne, London und New York gewann er. Er war verdammt nahe dran, das Kunststück von Rod Laver 1969 zu wiederholen.

"Das war eine unglaubliche Saison", resümierte der Serbe nach dem Triumph: "Es war die beste meines Lebens neben 2011. Ich genieße das noch mehr als Ehemann und Vater." Auch Trainer Becker war hochzufrieden. Der 47-Jährige lobte sich selbst, weil er seinen Schützling am Netz besser gemacht habe. Den entscheidenden Anteil am Erfolg sah jedoch auch Becker bei zwei anderen Personen: "Seine Frau und sein Sohn sind ihm wichtiger als das nächste Match. Und das macht ihn entspannter", sagte Becker: "Er hat dadurch mehr Lust, seine größte Leidenschaft auszuüben - und das ist Tennis."

Diese Leidenschaft ließ sich Djokovic auch nicht vom New Yorker Publikum kaputt machen. Drei Stunden harrten die 23 771 Zuschauer im Arthur-Ashe-Stadion aus, bis der Regen vorbeigezogen war und dann schrien und klatschten sie frenetisch für ihren Liebling Federer, um ihn noch einmal zu einem großen Triumph zu tragen. Doch vergebens.

Federer kaut auf den Fingernägeln

Weder die Zuschauer konnten Djokovic aufhalten, noch ein Ausrutscher im ersten Satz, bei dem sich der Serbe blutige Stellen an Ellbogen und Knie zuzog. Federer gelang es nicht - wie schon im Finale von Wimbledon -, den Weltranglistenersten zu bezwingen. Mit Leichtigkeit war der Schweizer durch das Turnier spaziert, er hatte keinen einzigen Satz abgegeben. Doch im Finale setzte er sich wohl zu sehr unter Druck: Zu gern hätte der 34-Jährige noch einmal ein großes Turnier gewonnen.

Als der 18-malige Grand-Slam-Sieger im dritten Satz 4:3 führte, erspielte er sich zwei Breakbälle. Doch nach ein paar unerzwungenen Fehlern zu viel war er es plötzlich, der mit 4:5 zurücklag und den Satz verlor. Von 23 Breakbällen verwertete Federer nur vier, Djokovic nutzte sechs von 13. Auch im vierten Satz. 2:5 lag der Schweizer zurück, als er plötzlich wie befreit aufspielte. Federer kam auf 4:5 heran, hatte zwei Breakbälle zum Ausgleich. Doch dann segelte ein Return von ihm ins Aus. Djokovic blieb an der Grundlinie stehen, hob die Hand und zeigte auf seine Brust.

Als sich der Serbe im Stadion feiern ließ, saß Federer leicht gebeugt auf seinem Stuhl, er kaute auf den Fingernägeln. "Ich hatte das Gefühl, es war eigentlich viel mehr drin", sagte der Weltranglistenzweite enttäuscht.

Djokovic, der die Tennissaison dominiert hat wie jahrelang kein anderer Spieler zuvor, wirkte dagegen gelöst. Der sonst so ruhige Profi scherzte sogar. Als weit nach Mitternacht die Pressekonferenz nach dem Finale begann, nickte ein Journalist im Raum ein. "Mögen Sie meine Stimme? Ich meine, beruhigt sie Sie?", fragte er. "Versetzt sie Sie in den Zen-Status?" Derjenige, der sich in diesem nächtlichen Moment in einer Art Zen-Status befand, war Djokovic selbst.

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