US Open:Mit Steinchen und Biss

Tennis: US Open

Als hätte sie das Finale gewonnen: Nach fast drei Stunden sinkt Maria Scharapowa nach ihrem Erstrundensieg glücklich auf die Knie.

(Foto: Julio Cortez/dpa)

Maria Scharapowa überrascht sportlich bei den US Open: Bei ihrem ersten Spiel in einem Grand-Slam-Turnier seit 19 Monaten schaltet sie die Turnierfavoritin Simona Halep aus.

Von Jürgen Schmieder, New York

Als die Partie vorbei war, nach fast drei Stunden, da kniete Maria Scharapowa auf dem Boden im Arthur Ashe Stadium. Sie lachte und weinte zugleich. Das ist bemerkenswert für eine Spielerin, der ansonsten eine fast buddhistische Selbstbeherrschung nachgesagt wird, und doch war diese außergewöhnliche Reaktion verständlich: Scharapowa hatte am Eröffnungsabend der US Open die favorisierte Simona Halep in einem hochklassigen und dramatischen Duell 6:4, 4:6, 6:3 besiegt, die mehr als 23 000 Zuschauer jubelten der Russin nach ihrer ersten Grand-Slam-Partie seit 19 Monaten begeistert zu. "Man fragt sich manchmal, wofür man das alles macht und warum man sich quält", sagte die 30-Jährige noch auf dem Platz: "Es ist für Momente wie diesen hier."

Es ist wichtig zu wissen, dass Scharapowa diesen Moment im Grunde nicht hätte erleben dürfen. Sie hatte nach Ablauf ihrer Dopingsperre im April (sie war wegen der Einnahme des verbotenen Mittels Meldonium bei den Australian Open 2016 fünfzehn Monate lang suspendiert gewesen) nicht genügend Weltranglistenpunkte für die Aufnahme ins Hauptfeld des Turniers oder gar die Setzliste erspielt. Die Verantwortlichen des US-Tennisverbandes hatten ihr eine Wildcard gegeben mit der Begründung, dass frühere Champions wie Martina Hingis (Schweiz), Kim Clijsters (Belgien) oder Juan Martín del Potro (Argentinien) ebenfalls solche Freikarten erhalten hatten. Nur: Scharapowa war nicht schwanger oder verletzt gewesen. Sie hatte gedopt.

Wer sich auf der Tennisanlage in Flushing Meadows ein bisschen umhört, bei Spielern und Trainern und Betreuern, der hört immer wieder, dass sich zahlreiche Sponsoren und TV-Sender die Teilnahme von Scharapowa gewünscht hatten. Der Eröffnungsabend bei den US Open ist zwar stets ein gewaltiges Spektakel - in diesem Jahr marschierten Promis wie Rapper Pharrell Williams, Designerin Vera Wang oder Gesamtkunstwerk Mike Tyson über den blauen Teppich, die Countrysängerin Shania Twain präsentierte einige Hits. Der sportliche Wert indes ist meistens fragwürdig, es spielen gewöhnlich Favoriten gegen erbarmungswürdige Opfer.

Das war diesmal ganz anders. Da gab es diese irre Partie zweier Gegnerinnen auf Augenhöhe, es war eines der besten Spiele in diesem Jahr, das Volk wurde bestens unterhalten. Scharapowa zeigte, dass sie während ihrer Absenz ihre ohnehin aggressive Spielweise noch ein bisschen aggressiver gemacht hat, dass sie schwierige Situationen geduldig meistert und die sportliche Qualität zur Teilnahme und womöglich auch zum Turniersieg besitzt. Und welche Geschichte lieben die Amerikaner mehr als die einer gefallenen Heldin, die geläutert zurückkehrt und nach dem ersten Erfolg auf dem Boden kauert und weint?

"Hinter diesem Kleid, hinter all den Swarovski-Steinchen, da steckt ein Mädchen mit ordentlich Biss und Durchhaltevermögen", sagte Scharapowa, als sie sich wieder in die emotionale Eiskönigin verwandelt hatte. Sie wollte weder über ihre Dopingsperre reden noch über die kontrovers diskutierte Wildcard für dieses Turnier. Im Weltbild von Maria Scharapowa und vielen Zuschauern, das zeigte der Jubel nach ihrem Sieg, ist das Doping-Kapitel längst vergessen. Sie sagte lieber: "Ich gehe nirgendwohin." Das ist durchaus als Drohung zu verstehen.

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