US Open:Kerber siegt mit Präzision gegen die Nervensäge

US Open: Mit geballter Faust feiert Angelique Kerber ihren Halbfinal-Einzug bei den US Open.

Mit geballter Faust feiert Angelique Kerber ihren Halbfinal-Einzug bei den US Open.

(Foto: AP)
  • Angelique Kerber steht bei den US Open in der Runde der besten vier. Im Viertelfinale bezwingt sie Roberta Vinci 7:5 und 6:0 und trifft nun auf Caroline Wozniacki.
  • Im ersten Satz muss sich die Deutsche gegen die starke Italienerin immer wieder aus kniffligen Situationen befreien.

Von Jürgen Schmieder, New York

Dieses Bild. Niemand kann es ungesehen machen, der live dabei war vor einem Jahr. Serena Williams, nach vorne gebeugt über eine Werbebande, nach Luft japsend, am Ende, körperlich wie mental. Auf der anderen Seite des Netzes Roberta Vinci, die mit den Armen wedelt, sich auf die Brust klopft und das Publikum im Arthur Ashe Stadium auffordert, ein bisschen lauter zu brüllen. Sie hatte Williams genau da, wo sie die große Williams haben wollte. Sie hatte in diesem Augenblick gefühlt bereits gewonnen - und wenige Minuten später auch auf der Anzeigetafel.

Vinci,33, ist eine unangenehme Gegnerin, von der Natur gesegnet mit einem Gefühl für die Situation auf dem Tennisplatz und zu spielende Winkel, dazu ausgestattet mit einem präzisen Rückhand-Slice und fantastischer Fitness. Sie kann einen nerven, weil sie sich zudem im Laufe einer Partie nach beinahe jedem Punktgewinn ein bisschen mehr freut. Wer also glaubt, dass so ein Match gegen Vinci Spaß machen könnte, der sollte an dieses Bild von Serena Williams aus dem vergangenen Jahr denken.

Angelique Kerber hatte deshalb zunächst nicht besonders viel Freude an diesem Viertelfinale gegen Vinci. Die variierte das Tempo mit aggressiven Vorhandschlägen, einem äußerst sicheren Slice und zahlreichen Stoppbällen. Sie wusste, dass sich Kerber am Netz nicht besonders wohlfühlt und holte sie deshalb immer wieder nach vorne. Kerber hatte zunächst kaum Mittel gegen diese Variationen, einmal stand sie an der Grundlinie und japste nach Luft, Vinci klopfte sich auf die Brust.

Freilich besitzt auch Kerber diese wunderbare Fähigkeit, ihrer Gegnerin so richtig auf die Nerven zu gehen. Aufgrund ihrer Fitness braucht es stets einen perfekt geplanten Punkt mit fehlerlosen Schlägen, damit Kerber einen Ball nicht mehr erreicht - ansonsten spielt sie Angriffe geduldig zurück, kontert präzise und übernimmt irgendwann selbst die Kontrolle über einen Ballwechsel. Das gelang ihr auch gegen Vinci, sie befreite sich aus kniffligen Situationen - nicht nur während der einzelnen Punkte, sondern auch immer wieder im ersten Durchgang. Sie wehrte Breakbälle ab, blieb auch bei engem Spielstand ruhig und siegte am Ende mit 7:5, 6:0 und trifft nun im Halbfinale auf ihre Freundin Caroline Wozniacki (Dänemark). "Ich versuche, mich auch im mentalen Bereich zu verbessern und nicht zu viel darüber nachzudenken, was nicht läuft", sagte Kerber: "Das war der Schlüssel, dass ich den ersten Satz gewinnen konnte. So muss ich weiterspielen und darf nicht an ein Finale gegen Serena denken, sondern an jede Partie und jeden Punkt für sich."

Kerber lieferte übrigens auch ein Bild, das nur schwer zu vergessen sein wird. Es zeigt sie, wie sie neben dem Netz steht, nach Luft japsend, scheinbar völlig fertig. Dann ballt sie die Faust, läuft munter nach hinten und spielt den nächsten Punkt, als hätte sie sich zuvor eine Stunde lang ausruhen dürfen. Es ist mittlerweile ein gewohntes Bild - eines, das die Gegnerinnen mächtig ärgert.

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