US Open:Gnadenlose Bälle

Serena Williams

US Open 2014: Ball von Serena Williams im Match gegen Taylor Townsend

(Foto: AP)

Wie bestimmt man eigentlich, welchen Marktwert die Spieler bei den US Open haben? Preisgeld? Anzahl der geschriebenen Autogramme? Die Masse der Fans? Mitnichten. Die gebrauchten Bälle erzählen diese Geschichte.

Von Jürgen Schmieder, New York

So ein Tennisball führt nun wahrlich kein prächtiges Dasein. Stöhnende, grunzende und kreischende Akteure prügeln unentwegt auf einen ein, bisweilen treten sie einen sogar oder dreschen einen entnervt gegen eine Mauer. Schön ist das nicht, doch es wird noch schlimmer: Lässt so ein Ball ein wenig nach - es muss noch nicht einmal ein handfestes Burnout sein, ein vorsichtiges Ausatmen genügt schon -, dann wird er sofort durch eine jüngere, druckvollere und filzigere Kugel ersetzt. Nach spätestens neun Spielen ist das Rentenalter erreicht.

Nur, und das wissen nicht so viele Menschen: So ein Ball wird erst nach seiner Pensionierung wirklich wichtig, er ist für den Tennissport ebenso bedeutsam wie zu seiner aktiven Zeit. Er ist der einzige unbestechliche Indikator für den Marktwert eines Spielers. Preisgeld? Anzahl der geschriebenen Autogramme? Die Masse der Fans, die ein Shirt mit dem Konterfei tragen? Alles Makulatur im Gegensatz dazu, was so ein Ball anrichten kann.

Jetzt wird es interessant wie eine Night Session

Noch nicht einmal die Ansetzung der Spiele und die Verteilung auf die Plätze kann als Gradmesser dienen - wie der Dienstag bei den US Open verdeutlichte. Da hetzte ein Mitarbeiter des Senders ESPN über die Anlage, um eine Kamera auf jenem Nebenplatz installieren zu können, auf dem gerade die erst 15 Jahre alte CiCi Bellis gegen Dominiká Cibulkova gewann. Außerdem liegt die Verbannung auf einen Nebenplatz oder die Eintrittskarte ins Arthur Ashe Stadium auch an der Prominenz - oder dem Fehlen dergleichen - des Gegners.

Nein, es sind die benutzten Tennisbälle, die einem Akteur gnadenlos mitteilen, ob er beim Publikum ankommt oder eben nicht. Vor dem Court 11 werden die gebrauchten Kugeln feilgeboten, gewöhnlich kosten sie zehn US-Dollar das Stück. Es gibt jedoch auch teuere Exemplare - und nun wird es mindestens so interessant wie eine Night Session. Ein Ball der Partie zwischen Ana Ivanovic und Alison Risse etwa wird für 39,99 Dollar angeboten, der aus dem Spiel zwischen Maria Scharapowa und Maria Kirilenko kostet bereits 59,99 Dollar. Wer Bälle aus allen Partien möchte, an denen Serena Williams beim Turnier 2013 beteiligt war, muss 799 Dollar hinlegen. Für die sieben Bälle von Rafael Nadal werden gar 1500 Dollar angeboten, was grundsätzlich zu einer Intervention durch die Gleichstellungsbeauftragte des amerikanischen Tennisverbandes oder zumindest zu einem Aufschrei führen sollte.

Kohlschreibers Marktwert ist im Keller

Das vergleichende Element bietet sich beim Betrachten der Einzelpreise dieser Turnierverlauf-Kugeln. Der Ball aus der Partie zwischen Nadal und Richard Gasquet kostet 149,99 Dollar, der aus dem Spiel gegen Ivan Dodig 119,99 Dollar, der vom Sieg gegen Tommy Robredo 109,99 Dollar. Und dann gibt es noch ein Spielgerät, das beim Achtelfinale gegen Philipp Kohlschreiber eingesetzt wurde. Preis: 79,99 Dollar. Da steht es schwarz auf gelb: Der Marktwert von Kohlschreiber ist im Keller - obwohl der gute Mann bislang bei den US Open gar wunderbar spielt. Was ist da los? Auf Nachfrage hebt der Verkäufer nur die Schultern: "Ist halt so."

So gesehen führt so ein Tennisball natürlich doch ein prächtiges Dasein. Er wird nicht mehr getreten oder geprügelt und darf auf ein paar gemütlich Rentenjahre auf einem Wohnzimmerkamin hoffen. Außer natürlich, er war im vergangenen Jahr bei dieser Partie zwischen Nadal und Kohlschreiber dabei - und Kohlschreiber kommt in diesen Tagen an diesem Zelt neben Court 11 vorbei. Dann könnte es nochmal ungemütlich werden für den Tennisball-Rentner.

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