US Open:"Denke nicht an Serena - genieße diesen Tag!"

US Open: Jede Schüchternheit abgelegt: Roberta Vinci lässt sich vom Publikum feiern.

Jede Schüchternheit abgelegt: Roberta Vinci lässt sich vom Publikum feiern.

(Foto: AP)
  • Die Weltranglistenerste Serena Williams ist im Halfinale der US Open ausgeschieden.
  • Sie verliert gegen die Italienerin Roberta Vinci 6:2, 4:6, 4:6.
  • Damit verpasst Williams den "Grand Slam".
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Von Jürgen Schmieder, New York

Roberta Vinci musste sich nach dieser Partie erst einmal entschuldigen: bei ihrer Gegnerin, bei den Zuschauern im Arthur-Ashe-Stadion - ach was, bei allen Amerikanern. "Es tut mir so leid. Sorry, aber heute ist mein Tag!"

Sie hatte gerade im Halbfinale Serena Williams mit 2:6, 6:4, 6:4 besiegt, was so nicht geplant war bei diesen US Open. Dieser Freitag sollte Williams' Tag werden, so wie es überhaupt Williams' Turnier hätte sein sollen im Verständnis der US-Tennisfans. Williams hätte auch das vierte Grand-Slam-Turnier in diesem Jahr gewinnen und damit den Rekord von Steffi Graf (22 Titel seit der Zulassung von Profis) einstellen sollen.

Diese Dramaturgie war vorgesehen, auch die im Einzel ungesetzten Doppelspezialistin Vinci (sie hat bereits alle Grand-Slam-Turniere im Doppel gewonnen) war durch die Quote in den amerikanischen Wettbüros (1:300) darüber informiert worden. "Als ich heute morgen aufgewacht bin, da habe ich nicht gedacht, dass ich gewinnen kann", sagte sie danach: "Aber dann habe ich mir gedacht: Denke nicht an Serena - genieße diesen Tag!"

Williams musste gar nicht sagen, wie enttäuscht sie ist - jeder konnte es sehen

Vinci zeigte nach nervösem Beginn eine couragierte Partie, sie reagierte nicht nur auf die aggressiven Aktionen der Amerikanerin und schubste die Bälle zurück übers Netz. Sie prägte viele Ballwechsel selbst, bewegte ihre Gegnerin durch geschicktes Winkelspiel, quälte sie mit Slice-Bällen und zeigte immer wieder gefühlvolle Stoppbälle.

Vor allem aber ließ sich Vinci nicht von den 22 000 Zuschauern beeindrucken, für die Vinci nichts mehr sein sollte als eine von sieben Hürden für Williams auf dem Weg zum historischen Triumph. Sie ließ sich auch nicht einschüchtern von den martialischen Rufen und Gesten einschüchtern, die Williams gerne nach leichten Fehlern ihrer Gegnerinnen einstreut. Vinci spielte unbeeindruckt weiter - nur nach einem formidablen Volleystopp im dritten Satz legte sie ihre Hand ans Ohr, um den Zuschauern anzudeuten, dass die bei solch einem prächtigen Punkt durchaus auch mal klatschen könnten.

Das taten sie dann auch, vor allem nach dem Match. "Ich habe mir während der ganze Partie immer nur gedacht: Spiele den Ball ins Feld und renne! Nicht denken, einfach rennen", sagte Vince danach. Sie rannte, und dann hatte sie diese Partie gewonnen, obwohl sie insgesamt weniger Punkte (85) für sich entschieden hatte als Williams (93).

"Sie hat gespielt, als hätte sie den Verstand verloren"

"Ich will nicht darüber reden, wie enttäuschend das für mich ist", sagte Williams danach: "Sollten Sie eine andere Frage haben, dann können Sie die gerne stellen." Nach Siegen war sie meist lange vor den Journalisten gesessen und hatte geduldig Fragen beantwortet, nun blieb sie keine vier Minuten.

"Roberta hat die Partie ihres Lebens geliefert, sie hat gespielt, als hätte sie den Verstand verloren. Ich habe ein paar leichte Fehler gemacht, aber sie wollte heute einfach nicht verlieren - wie ich übrigens auch nicht." Dann sagte sie: "Letzte Frage!" Und als ihr die nicht passte, stand sie auf und verließ den Raum. Sie musste gar nicht sagen, wie enttäuscht sie ist - jeder konnte es sehen.

"Ich will nicht über meine Gegnerin im Finale sprechen - bitte nicht", sagte Vinci, 32. Das liegt daran, dass sie auf die ein Jahr ältere Landsfrau Flavia Pennetta (Italien) trifft, die zuvor Simona Halep (Rumänien) überraschend glatt mit 6:1, 6:3 besiegt hatte.

"Es ist unglaublich: Vor 20 Tagen hat mich mein Physiotherapeut gefragt, ob ich denn nicht mal das Finale eines Grand-Slam-Turniers erreichen könnte. Ich habe ihm geantwortet, dass das wahrscheinlich nicht passieren wird. Aber man weiß nie, was passieren wird", sagte Pennetta und wollte auch keine Fragen zu Serena Williams beantworten: "Die kämpfen da draußen immer noch!"

Sie wusste: Man weiß nie, was passieren wird. Das kann auch mal eine Niederlage von Serena Williams bei einem Grand-Slam-Turnier sein.

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