US-Nationalteam:Elegante Drehung

Deutschland - USA

Torschütze aus der zweiten Liga: Bobby Wood (links) wird von Alfredo Morales beglückwünscht.

(Foto: Maja Hitij/dpa)

Beim 2:1 über Weltmeister Deutschland staunt selbst der Berufsoptimist Jürgen Klinsmann über den Fortschritt der US-Spieler bei ihrem Europa-Kurztrip.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Zuerst sprach Jürgen Klinsmann Deutsch. Im schwäbisch gefärbten Tonfall war er um Verharmlosung bemüht. Schon kurz nach dem Schlusspfiff hatte er Bundestrainer Joachim Löw mit einem Schulterzucken eine Geste der Entschuldigung bedeutet. Nun sagte der Trainer der US-Nationalmannschaft: "Das war ein unterhaltsames Spielchen." Es klang, als habe man miteinander Karten gespielt. Dabei war Bedeutsameres geschehen: Die USA, 27. der Weltrangliste, hatten in Köln gegen Deutschland verdient mit 2:1 gewonnen. Klinsmann sagte mit seinem kalifornischsten Lächeln: "Wenn man auswärts beim Weltmeister gewinnt, kann man sich nicht beklagen."

Danach wechselte Klinsmann ins Englische. Nun beantwortete er die Fragen der amerikanischen Journalisten. Sein Sprachzentrum schaltete von Demut auf Begeisterung. "Tremendous" (unglaublich) sei die Leistung seiner Mannschaft gewesen, "pretty exciting" (ziemlich aufregend) habe man das Spiel gestaltet, "thrilled" (begeistert) sei er vom Fortschritt junger Spieler wie des Siegtorschützen Bobby Wood von 1860 München. Klinsmann war von schwäbischer Freundlichkeit ins amerikanische Pathos gewechselt.

Klinsmann wusste natürlich, dass seine vor dem bedeutsamen "Gold-Cup" stehende US-Mannschaft in einem anderen Fitness- und Mentalzustand war als die vor dem Sommerurlaub befindlichen deutschen Weltmeister. Und dennoch: Nach dem 4:3-Sieg am Freitag gegen die Niederlande in Amsterdam, als man einen 1:3-Rückstand drehte und mit zwei Treffern in den letzten vier Minuten noch gewann, sicherten sich die Amerikaner nun auch in Köln gegen Deutschland mit einem späten Tor in der 87. Minute einen Sieg nach einem Rückstand. Die USA haben durch späte Siegtreffer binnen fünf Tagen zuerst beim WM-Dritten und beim Weltmeister gewonnen. Das machte Klinsmann stolz. Man sah es an seinem Lächeln.

Der Siegtorschütze in beiden Spielen war ausgerechnet ein junger Fußballer, der bei 1860 München für nicht gut genug befunden und im vergangenen Winter ausgeliehen wurde. Vor zweieinhalb Wochen ist Wood mit dem FC Erzgebirge Aue aus der zweiten Liga abgestiegen. Der 22-jährige Stürmer war von Februar bis Mai ins Erzgebirge ausgeliehen, konnte den Abstieg trotz dreier Tore in neun Saisonspielen (und einer anfänglichen achtwöchigen Pause wegen eines Innenbandrisses) nicht verhindern. Dem US-Trainer Klinsmann gilt Wood dennoch als hoffnungsvolles Talent. Beim Siegtreffer in Köln narrte Wood den deutschen Innenverteidiger Shkodran Mustafi in der 87. Minute durch eine elegante Bewegung, bei der er den Ball in der Drehung mitnahm und freie Bahn zum platzierten Schuss hatte.

Klinsmanns Meinung teilen bei 1860 in München offenbar nicht alle. Wood ist auf Sportdirektor Gerhard Poschner so schlecht zu sprechen, dass seine Rückkehr trotz eines Vertrags bis 2016 höchst unwahrscheinlich ist. Ein Verkauf nach Kaiserslautern oder Braunschweig wird im Augenblick als Lösung favorisiert. Derweil muss die DFB-Elf damit klarkommen, dass sie in Köln von einem Stürmer aus der zweiten Liga bezwungen wurde.

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