US-Masters in Augusta:Revolution der Namenlosen

World Golf Championships-Cadillac Championship - Final Round

Patrick Reed, 23 Jahre alt, sieht sich selbst unter den besten fünf Golfern der Welt.

(Foto: AFP)

Erstmals seit 1994 findet das US Masters in Augusta ohne Tiger Woods statt - eine Chance für eine neue Golfer-Generation. Dabei ignorieren sie sogar die Etikette.

Von Frieder Pfeiffer

Als Anfang der Woche der Augusta National Golf Club endlich Einlass gewährte für die Zuschauer, strömten viele auf das Gelände, um erst einmal das zu sehen, was es gar nicht zu sehen gab. Sie eilten zur 17. Bahn des wohl berühmtesten Kurses diesseits des Atlantiks und starrten auf eine Stelle am linken Rand des Fairways, wo perfekt getrimmtes Gras nicht mehr erahnen ließ, was dort jahrzehntelang gewachsen war. Als majestätische Kiefer von gut 20 Metern. Als alljährlich enervierendes Hindernis für Profigolfer beim ersten Major des Jahres.

Nun war er zu alt, der Baum, den sie ehrfürchtig Eisenhower Tree nannten. Die Äste brachen, man trug ihn fort, eine der berühmtesten Institutionen des prestigeträchtigsten Golfturnieres der Welt. 2014 ist er erstmals nicht mehr da. Und es gab wohl so manchen, der im Anschluss den Weg zur Amen Corner suchte, zur Hogan Bridge oder zu den Magnolien am Rande der Grüns, um sicherzugehen, dass dieses Masters nun doch nicht plötzlich ein ganz anderes sein würde. Sie wurden beruhigt. Alles da. Alles schön.

Sportlich gesehen kann den Traditionalisten nicht jede Sorge genommen werden. Gut, der Sieger bekommt auch in diesem Jahr das Green Jacket, das grüne Sakko übergestreift. Fehlen wird dagegen Tiger Woods, kein Jahrhundert alt, aber mit ähnlichem Gewicht. Erstmals seit 1994 ist er nicht dabei. Es waren 20 Jahre, in denen der viermalige Masters-Sieger eine magnetische Wirkung entfalten konnte, die das Golf-Universum um ihn kreisen ließ.

In diesem Jahr zwickt der Rücken, das schmerzt nicht nur den Athleten. Die einzelnen Teile der Szene taumeln hilflos im großen Raum, den Woods hinterlässt. Es ist einfach, ein Journalist auf der Suche nach einer Geschichte zu sein, wenn Woods spielt. Und nun? "Wir haben nichts, das wir fassen können", meint Cameron Morfit, der renommierte Autor von Sports Illustrated.

Das hat aber nicht nur mit der Nummer eins der Welt zu tun. Die US PGA Tour, die weltweit wichtigste Profiserie, erlebt derzeit eine kleine Revolution. Die vergangenen sechs Turniere wurden von Spielern gewonnen, die zuvor noch keine PGA-Titel gesammelt hatten. Die gesamte Saison wird mitbestimmt von No-Names, manche sind nicht mal jung und aufstrebend. Von Zufallssiegern spricht man gar in den USA.

Die Chancen des sportlichen Frühlings

Nicht wenige Experten sind der Meinung, das alles sei nicht gut für die Tour. "Es ist wie beim Film. Es ist immer besser, einen starken Hauptdarsteller zu haben als ein großes Ensemble", findet Josh Sens vom Golf Magazine. Mit Mühe wird nun versucht, den zuletzt wiedererstarkten Rory McIlroy neben dem dreimaligen Masters-Champion Phil Mickelson als Protagonisten zu positionieren.

Dabei unterschätzt die Branche gerne die Chance, die in diesem sportlichen Frühling steckt. Wie lange, dachte man denn, werden Woods und Mickelson den Karren noch ziehen? Der eine ist 38 und verletzungsgeplagt, der andere reist zwar immer aussichtsreich nach Augusta, ist aber auch schon 43. Lange schickte sich kein Amerikaner an, das Erbe dauerhaft zu proklamieren.

Inzwischen tritt jedoch der eine oder andere aus dem Ehrfurchtsnebel in die Scheinwerfer - mit mal mehr und mal weniger Getöse. Patrick Reed, 23-jähriger Triple-Sieger der vergangenen Monate, ignorierte die branchenübliche Etikette geflissentlich und nannte sich einen der besten fünf Golfer der Welt. Das mochte nicht jeder. Schaden wird diese Chuzpe jedoch maximal Reeds Außenwirkung, der Golfsport braucht Typen. Stichwort Hauptdarsteller.

Natürlich werde er wieder ein rotes Poloshirt am Sonntag tragen, sagte Reed dieser Tage. Das Rot, das jeder Masters-Beobachter - einschließlich die Profikollegen - nur mit Woods' Triumphen verbindet. In dessen Abwesenheit kommt also ein Jungspund und sagt: Der Sheriff hier, das bin jetzt ich! Langweilig wird diese Masters-Ausgabe definitiv nicht, wenngleich Jordan Spieth, Russell Henley, Derek Ernst oder Harris English dieses Auftreten nicht haben. Dafür verbindet sie die sportliche Perspektive. Bis auf Henley sind sie alle erstmals beim Masters.

Und selten reisten Rookies, Neulinge, mit solch dick gefüllten Bewerbungsmappen nach Georgia. PGA-Siege sind beinahe eine Selbstverständlichkeit unter den Revolutionären. Vielleicht standen die Vorzeichen nie so gut, als neuer Hauptdarsteller der Szene gecastet zu werden. Die Organisatoren in Augusta sehen diese Chance durchaus. Sie schicken an den ersten beiden Tagen McIlroy mit Reed und Spieth in einer Gruppe auf die Runde, English und Henley mit einer anderen ehemaligen Nummer eins, Lee Westwood. Ein nicht unbedeutender Hinweis, wo zumindest auf Seiten des Veranstalters Erzählstränge vermutet werden.

Für die deutschen Starter Martin Kaymer und Bernhard Langer, die gemeinsam auf die Proberunde gingen, sind vorerst nur Nebenrollen vorgesehen, auch wenn der zweimalige Augusta-Sieger Langer im vergangenen Jahr bis kurz vor Schluss in der Spitzengruppe zu finden war und auch diesmal wieder "ganz vorne mitspielen" will. Kaymer dagegen versucht, seine Krise und das spielerisch bislang eher kühle Verhältnis zu Augusta zu überwinden.

Solche Probleme sind sicher schwieriger zu beseitigen als etwa eine beschädigte Kiefer. Die sollte nach Meinung eines US-Präsidenten bereits 1956 entfernt werden, da sie seinen Bällen zu gerne im Weg stand. Der Wunsch des aufgebrachten Dwight D. Eisenhower wurde abgelehnt. Dessen Name jedoch blieb dem Baum ein Leben lang.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: