US-Fahrer bei der Ski-WM:Überdosis Adrenalin

Ladies' Downhill

Sind enttäuscht: Die Fans von Lindsey Vonn hatten sich bei der Abfahrt mehr erhofft.

(Foto: AFP)
  • Die amerikanischen Skifahrer wirken verkrampft bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land.
  • Auch Lindsey Vonn enttäuscht das Publikum in der Abfahrt. Nun liegt der ganze Druck auf ihrer Teamkollegin Mikaela Shiffrin.
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Von Johannes Knuth, Vail/Beaver Creek

Zwei Stunden vor dem Rennen waren die Parkplätze in und rund um Beaver Creek voll. Die Busse, die die Zuschauer in den sechs Kilometer entfernten und 300 Meter höher gelegenen Zielraum brachten, quollen über. Ein paar hundert Zuschauer machten sich dann einfach zur Fuß auf, eine Stunde lang, das war im Grunde unglaublich. Der gemeine Amerikaner legt nicht einmal in der Ebene 300 Meter am Stück zurück. Aber am Freitag stand auch kein gewöhnliches Rennen auf dem Programm dieser 43. Ski-Weltmeisterschaft in Vail und Beaver Creek. Am Freitag sollte Lindsey Vonn Gold in der Abfahrt gewinnen, Gold für die USA.

Das Red-Tail-Stadium, das den Zielraum einrahmt, empfing die Besucher mit Sonne und wenig Wind. Die Piste war hart. Die Szenerie wirkte fast zu idyllisch, als wäre wirklich alles auf Gold programmiert für Vonn bei dieser Abfahrt. Die Favoritinnen kamen herunter: Anna Fenninger, die Zweite wurde, Viktoria Rebensburg (Zehnte), Lara Gut (Dritte), Tina Maze, die Fenninger um zwei Hundertstelsekunden überbot und gewann. Aber sie alle waren zunächst nur Vorbands für den Hauptakt.

Vonn startete als Letzte der sogenannten Topgruppe, es hätte nur noch gefehlt, dass Tiger Woods hinter einer Werbebande hervorgesprungen wäre und seine Freundin im Ziel in Empfang genommen hätte. Aber Woods kam nicht, und Skirennfahrerin Vonn wurde nicht Weltmeisterin am Freitag in ihrem Heimatort.

"Ich wollte etwas Spezielles machen für die Zuschauer", sagte Vonn, nachdem sie Fünfte geworden war und achselzuckend den Zielraum verlassen hatte, aber manchmal liegt das Spezielle dann doch im Einfachen.

Vonn kämpft sich ungelenk durch anspruchsvolle Kurven

Vonn hat sich vor zwei Jahren zwei Mal die Kreuzbänder gerissen. Im Dezember stieg sie wieder in den Weltcup-Betrieb ein, sie gewann fünf von zehn Rennen, die sie mitgestaltete, überbot die 62 Siege der Österreicherin Annemarie Moser-Pröll, man könnte sagen: Sie war und ist die beste Skifahrerin auf diesem Erdball. Die 30-Jährige fuhr in den Wochen vor der WM fast wieder so beeindruckend wie einst, breitbeinig, sicher, schnell, wie ein Hochgeschwindigkeitszug auf Schienen.

Nur am Freitag, da war Vonn kein Intercity, sie zwängte sich ungelenk durch die anspruchsvollen Kurven im mittleren Streckenabschnitt. "Ich habe mich den ganzen Kurs durchgekämpft", sagte Vonn, "ich habe alles gegeben und mehr. Es war nur einfach nicht genug für eine Medaille."

Der Schweizer Stefan Abplanalp ist seit 2014 Chef der Speed-Gruppe um Vonn und Julia Mancuso. Abplanalp ist zudem ein temperamentvoller Mensch, in dieser Hinsicht passt er bestens zu seinen Athleten. "Amerikaner und Amerikanerinnen sind fast überemotional", sagte Abplanalp vor der WM dem Tagesanzeiger. Sie würden nicht stundenlang mit ihren Servicemännern an der technischen Abstimmung arbeiten, dafür könnten sie sich "in einen wahren Adrenalinrausch versetzen".

"Wir waren zu angespannt"

Bei der WM in diesen Tagen erhält man jedoch den Eindruck, als würden die heimischen Fahrer mit einer Überdosis Adrenalin antreten. Das Ergebnis bei der Abfahrt am Freitag, sagte Abplanalp, "war das schlechteste der ganzen Saison. Wir waren zu angespannt, zu verkrampft".

Im Super-G der Herren fuhr Travis Ganong an einem Tor vorbei, Andrew Weibrecht schied beinahe aus, Bode Miller stürzte spektakulär, wobei, von Miller ist man diese Herangehensweise gewohnt. Stacey Cook rauschte im letzten Abfahrtstraining der Frauen ins Fangnetz, verstauchte sich den Daumen. Am Freitag mussten sie ihr den Skistock an den Handschuh kleben. Vonn bekräftigte, dass sie auch mit einer Bronzefahrt wie am vergangenen Dienstag zufrieden sei: "Ich habe alles gegeben, meine Familie ist hier, die Stimmung ist unglaublich, die Sonne scheint", sagte sie.

Verband und Fernsehen sehen das freilich etwas anders, sie wollen den Skisport mithilfe dieser WM in Vail und Beaver Creek ja mit aller Macht im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern. Das verunsichert offenbar selbst die traditionell nervenstarken US-Fahrer. "Du musst die Balance zwischen Anspannung und Entspannung finden. Das ist nicht einfach", sagte Tina Maze, die neue Weltmeisterin, als sie zum Abschneiden der US-Fahrer befragt wurde.

Die größte Hoffnung ist nun eine andere

Die Vonn-Festspiele sind fürs Erste beendet. Die 30-Jährige will zwar am Riesenslalom und der Kombination teilnehmen, ohne große Praxis. "Ich werde definitiv 100 Prozent geben, vielleicht schaffe ich ein Wunder", sagte sie. Die größten Hoffnungen verknüpfen die Gastgeber von sofort an mit Mikaela Shiffrin. Shiffrin ist 19 Jahre alt, wurde in Vail geboren und soll jetzt am besten Gold im Slalom und Riesenslalom gewinnen.

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