US-Dream-Team besiegt Frankreich:Dunkings nur wenn's sein muss

Das teure "Dream Team" als hart arbeitende Favoritentruppe? Seit ihrer Ankunft in London bemühen sich LeBron James, Kobe Bryant & Co. redlich, jeden Eindruck zu zerstreuen, dass sie arrogante Egomanen sind. Der 98:71-Auftaktsieg gegen Frankreich passt diesbezüglich gut in den Plan.

Jürgen Schmieder, London

Tyson Chandler überlegte, für den Bruchteil einer Sekunde nur, was er mit diesem hohen Zuspiel von LeBron James anfangen sollte. Chandler hatte nicht mehr Zeit, er befand sich schon in der Luft, er fing den Ball und hatte durchaus die Chance auf einen krachenden Dunking. Chandler verzichtete jedoch auf die martialische Variante, er wählte lieber einen Korbleger. Da war noch nicht einmal eine Minute gespielt in der Partie zwischen dem amerikanischen Basketball-Team und Frankreich, welche die Amerikaner mit 98:71 (52:36) gewannen.

US-Dream-Team besiegt Frankreich: Na gut, dann halt doch ein Sahnestückchen: LeBron stopft den Ball gegen Frankreich in den Korb.

Na gut, dann halt doch ein Sahnestückchen: LeBron stopft den Ball gegen Frankreich in den Korb.

(Foto: AP)

Hin und wieder erzählt bei Sportereignissen die erste Aktion die ganze Geschichte - und es ist ja eine knifflige Geschichte, die die US-Basketballer bei Olympia vollbringen möchten: Sie wollen gewinnen, natürlich, weil Gewinnen immer eine prima Sache ist und weil nicht einmal englische Buchmacher noch Wetten auf dieses Turnier annehmen. Sie wollen aber vor allem mit Würde siegen, denn oftmals im Sport bleibt nicht der Sieg in Erinnerung, sondern die Art und Weise, wie man gesiegt hat.

Trainer Mike Krzyzewski hat seine Spieler deshalb während der Vorbereitung nicht nur zum Besuch bei amerikanischen Soldaten geschickt, sondern auch zur Eröffnungsfeier, wo sie natürlich die Sätze IOC-Präsident Jacques Rogge gehört haben dürften: "Ihr habt nun die Chance, wahre Olympioniken zu werden. Diese Ehre wird nicht dadurch bestimmt, ob Ihr gewinnt - sondern dadurch, wie ihr Euch benehmt. Der Charakter zählt deutlich mehr als Medaillen."

Die zwölf NBA-Profis bemühen sich seit ihrer Ankunft redlich, jeden Eindruck zu zerstreuen, dass sie arrogante Egomanen sind, die eine gigantische Show abziehen möchten und Gegner nicht ernst nehmen. James Harden etwa sagte im Gespräch mit der SZ insgesamt fünf Mal: "Wir müssen bescheiden bleiben!" Kein Spieler wagte eine allzu selbstbewusste Aussage, vielmehr lobten sie die Qualität der anderen Mannschaften und zeigten sich beeindruckt von der Atmosphäre im Olympischen Dorf. "Ich sauge alle Eindrücke alles in mich auf. Wie viele Menschen erhalten sie Gelegenheit, so etwas zu erleben?", sagte Harden, der Mann aus Oklahoma.

Natürlich sollen sie die Goldmedaille gewinnen - nein, sie müssen die Goldmedaille gewinnen, sonst könnte es Probleme mit der Einreise geben, wie Kobe Bryant festgestellt hatte: "Alles andere würden die Leute daheim nicht akzeptieren. Ich glaube, sie würden uns sonst nicht mehr ins Land lassen." Die Vorrundengegner Frankreich, Tunesien, Nigeria, Argentinien und Litauen: Sie müssen bezwungen werden.

Frankreich leistet Widerstand

Die Amerikaner taten sich nach dem Korbleger von Chandler zu Beginn und zwei schönen Einzelaktionen von Kevin Durant zunächst einmal schwer, sie wussten nicht so recht, was sie mit diesem quirligen und herausragend verteidigenden Gegner anstellen sollten. Die Franzosen hatten ja nicht nur den dreimaligen NBA-Meister Tony Parker auf dem Feld, sondern fünf weitere NBA-Spieler; nur Center Joakim Noah fehlt bei Olympia aufgrund einer Knöchelverletzung.

Am Ende der amerikanischen Spielzüge gab es zunächst entweder wilde Würfe von jenseits der Drei-Punkte-Line, die allesamt vom Ring ins Feld zurücksprangen - oder es gab groteske Fehler wie Offensivfouls, Schrittfehler oder Ballschaufeln. Am Ende des ersten Viertels führten die Amerikaner mit nur einem Punkt, das aber auch nur, weil die Franzosen eine ähnlich schreckliche Wurfquote aufwiesen.

Die US-Akteure durften an diesem Nachmittag nicht Basketball spielen, sie mussten Basketball arbeiten. Sie mussten verteidigen, sie mussten ausblocken, sie mussten sich Rebounds sichern - und weil sie das taten, wuchs der Vorsprung immer weiter an. Sie machten keine Fehler mehr, spielten besser zusammen und trafen auch besser. Zur Pause waren es schon 16 Punkte Vorsprung, am Ende dann 27.

"Es war ein hartes Stück Arbeit", sagte LeBron James nach dem Spiel, "wir mussten erst unseren Rhythmus finden, nun sind wir im Turnier angekommen." Letztlich durfte jeder Akteur mindestens einen Korb erzielen, erfolgreichster Schütze war Kevin Durant mit 22 Punkten, Tyson Chandler pflückte zahlreich Rebounds, während LeBron James Dunks und viele schöne Pässe verteilte. "Wir haben getan, was wir tun mussten", sagte James danach.

Es war ein souveräner Sieg, keine atemberaubende Show - das ist genau die Geschichte, die die amerikanischen Basketballer erzählen wollen bei diesen Spielen in London. Ein bisschen Spektakel durfte es dann aber doch sein: Als die Amerikaner in der zweiten Halbzeit deutlich führten, zeigten vor allem James und Durant sehenswerte Aktionen. Und auch Chandler versenkte noch einmal einen hohen Pass von James. Diesmal entschied er sich für einen Dunking.

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