US-Basketballer Harden im Interview:"Wir müssen bescheiden bleiben"

James Harden gilt nicht nur wegen seines Rauschebartes als einer der auffälligsten Spieler der US-Basketballer bei Olympia. Vor der ersten Partie gegen Frankreich spricht er über Ausflüge im Olympischen Dorf, das aktuelle "Dream Team" der USA - und die Kunst, aus zwölf Egos ein Team zu formen.

Jürgen Schmieder, London

Der 1,96 Meter lange James Harden sitzt lässig auf seinem Stuhl, er scheint die Zeit in London zu genießen. Er ist Mitglied des amerikanischen Basketballteams, das bei den Olympischen Spielen natürlich Gold gewinnen soll. Der 22 Jahre alte Guard hat gerade eine formidable NBA-Saison gespielt, er hat 16,8 Punkte pro Partie erzielt und ist mit den Oklahoma City Thunder ins Finale eingezogen. Dort verlor er mit seiner Mannschaft allerdings gegen die Miami Heat. Es ist nicht leicht, in dieser bemerkenswerten Auswahl an Helden aufzufallen, James Harden gelingt das schon allein aufgrund seines wuchernden Bartes.

USA v Spain - Men's Exhibition Game

Spielt sonst in Oklahoma - diesmal aber für das "Dream Team" in London: Basketballer James Harden. 

(Foto: Getty Images)

SZ.de: Mister Harden ...

James Harden: James, bitte!

SZ.de: Okay, James. Kommt Ihr Bart hier gut an?

Harden: Ja, es ist unglaublich. Die Menschen in London lieben den Bart. Wohin ich auch komme: Es scheint, als wäre das Ding hier (kratzt sich am Bart, d. Red.) die meistdiskutierte Sache derzeit.

SZ.de: Nicht ganz. Viele Menschen diskutieren über die amerikanische Basketball-Mannschaft - jeder erwartet die Goldmedaille von Ihnen. Wie hoch ist der Druck?

Harden: Wir wollen hier keinesfalls überheblich rüber kommen. Natürlich sind wir alle begabt, aber wir müssen demütig sein! Wir machen keine großen Versprechungen, wir schwingen keine großen Reden, wir arbeiten lieber hart. Unser Auftreten auf dem Platz muss unser Statement sein. Dieses Turnier wird kein Spaziergang im Park.

SZ.de: Wer sind denn Ihre stärksten Konkurrenten?

Harden: Frankreich ist ziemlich stark, gegen die spielen wir gleich am Anfang. Spanien ist gut, Argentinien. Ich sage Ihnen was: Jedes Team bringt unterschiedliche Qualitäten zu diesem Turnier - und ich glaube, dass wir genau darauf vorbereitet sind: Wir haben gute Werfer, wir haben körperlich starke Athleten, wir haben kreative Spielmacher, wir haben harte Verteidiger. Damit sollten wir in der Lage sein, auf jeden Gegner zu reagieren.

SZ.de: Wie unterscheidet sich die Vorbereitung auf dieses Turnier von der NBA?

Harden: Der größte Unterschied liegt darin, dass wir hier die meisten Spieler nur von Videos oder den Berichten unserer Scouts kennen. In der NBA sieht man die anderen Akteure, man spielt mit ihnen oder gegen sie, man beobachtet sie quasi täglich. Hier müssen wir uns auf jede Partie vorbereiten, ohne den Gegner wirklich zu kennen.

SZ.de: In ihrer Mannschaft spielen zwölf Individualisten ...

Harden: Zwölf großartige Individualisten!

SZ.de: Entschuldigung! Wie wird daraus eine großartige Mannschaft?

Harden: Das Training und die Vorbereitungsspiele waren hilfreich, um als Team zusammenzufinden. Die erfahrenen Typen wie Kobe Bryant und LeBron James, die schon ein paar Mal dabei waren, helfen uns ebenfalls. Sie sagen immer: "Bleibt locker, lasst Euch nicht von den Eindrücken überwältigen, geht cool damit um." Und sie verraten uns auch einige Geheimnisse.

SZ.de: Welche Geheimnisse?

Harden: Das müssen Sie Kobe und LeBron fragen ...

SZ.de: Viele Zuschauer erwarten vom "Dream Team" neben Gold auch eine Show. Wird das im Training einstudiert?

Harden: Nein, wir nehmen das hier wirklich ernst. Im Hotel oder im Bus gibt es mal Spielchen, da kann man auch mal einen Streich spielen oder Blödsinn machen. Aber wenn wir das Feld betreten, dann geht es ums Geschäft.

SZ.de: Gibt es Eifersüchteleien unter diesen zwölf Bekanntheiten? Schließlich will jeder glänzen.

Harden: Nein.

"Ist doch toll, so viele Eindrücke zu sammeln"

SZ.de: Die NBA-Saison war anstrengend, es gab viele Spiele, wenige Ruhepausen. Sie waren bis zum Finale dabei. Sind Sie nicht müde?

Harden: (gähnt) Nein, überhaupt nicht! (gähnt wieder) Im Ernst: Wie oft kann man die Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewinnen? Diese Gelegenheit hält das Energielevel auf einem extrem hohen Niveau. Und außerdem: Wir repräsentieren die USA, es bedeutet uns sehr viel, diese drei Buchstaben auf dem Trikot zu haben. Wir spielen für unser Heimatland.

SZ.de: Wie geht es Ihnen im Olympischen Dorf?

Harden: Wir wohnen nicht im Olympischen Dorf.

SZ.de: Aber Sie wurden dort gesehen ...

Harden (lacht): Schon klar. Wir waren dort, sind ein wenig herumgehangen, haben andere Sportler getroffen und haben ein wenig Sightseeing gemacht.

SZ.de: Viele Sportler wollen die amerikanischen Basketballer sehen, mit Ihnen reden, ein Autogramm haben. Gibt es Athleten, auf die Sie sich freuen?

Harden: Keinen speziellen. Ich will mir gerne alle Sportler anschauen, alle Nationen. Ich bin zum ersten Mal bei Olympischen Spielen. Ich will so viele andere Disziplinen wie möglich sehen, ich will meinen Horizont erweitern. Ich will das alles in mich aufsaugen.

SZ.de: Viele berühmte Sportler sind der Eröffnungsfeier ferngeblieben, um sich zu schonen. Die amerikanischen Basketballer waren da ...

Harden: Es ist doch toll, so viele Eindrücke zu sammeln - all diese anderen Sportler und Sportarten mal kennenzulernen. Mal ehrlich: Wie viele Menschen erhalten sie Gelegenheit, so etwas zu erleben?

SZ.de: Sie schafften in der vergangenen Saison den Durchbruch in der NBA, bis zum Finale lief es richtig gut ...

Harden: Ich wollte zeigen, wie gut ich spielen und was ich erreichen kann. Ich muss nur ehrgeizig bleiben, dann ergibt sich der Rest von selbst.

SZ.de: Das Finale haben Sie dann verloren, nun sind Sie gemeinsam mit ihren Teamkollegen Kevin Durant und Russell Westbrook bei der Nationalmannschaft. Haben Sie die Niederlage schon verarbeitet?

Harden: Die Olympischen Spiele sind die beste Gelegenheit dazu. Wir haben hier die Riesengelegenheit, gleich nach der Pleite gegen Miami etwas zu gewinnen. Es hat eben im NBA-Finale nicht geklappt, aber wir werden es im nächsten Jahr wieder versuchen.

SZ.de: Also nun erst einmal Gold holen und dann ...

Harden: Erst einmal das Spiel gegen Frankreich gewinnen. Wir müssen bescheiden sein! Das sagte ich bereits, oder?

SZ.de: Ja.

Harden: Dann ist ja gut.

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