Urteil gegen Bayern-Präsidenten:Das kommt jetzt auf Hoeneß zu

79358592

Uli Hoeneß akzeptiert die Konsequenzen seines Tuns

(Foto: AFP)

Warum verzichtet Uli Hoeneß auf Revision? In welches Gefängnis muss der zurückgetretene Präsident des FC Bayern? Muss er wirklich dreieinhalb Jahre hinter Gitter? Und kann Hoeneß die Steuernachzahlungen überhaupt leisten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Bastian Brinkmann

Uli Hoeneß verzichtet auf Revision - er möchte das Urteil also nicht anfechten und akzeptiert die Gefängnisstrafe. Zudem tritt er als Präsident und Aufsichtsratschef des FC Bayern zurück. Hier die neuesten Entwicklungen im Newsblog.

Warum wollte Hoeneß' Verteidiger eigentlich Revision einlegen?

Nur Sekunden, nachdem Richter Rupert Heindl die Verhandlung beendet hatte, ging Hoeneß' Verteidiger Hanns Feigen zu den Journalisten. Feigen ist ein Staranwalt und hat schon für Prominente wie Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel möglichst viel rausgeholt, der auch Steuern hinterzogen hatte. Feigen kündigte an, vor den Bundesgerichtshof zu ziehen. Er geht davon aus, dass Hoeneß' Selbstanzeige nicht komplett danebenging, sondern dass nur eine Kleinigkeit gefehlt hatte. Vor dem Urteil hatte er deswegen auf Einstellung des Verfahrens plädiert. Hoeneß wäre dann eine Haftstrafe erspart geblieben. Alternativ hätte Feigen eine Strafe auf Bewährung akzeptiert, weil die Selbstanzeige "nicht ideal" war. Damit gilt ein Täter zwar als vorbestraft, muss aber nicht einrücken. Feigen hätte gerne in Karlsruhe klären lassen, wie knapp eine Selbstanzeige danebengehen darf, damit sie nicht mehr gilt.

Warum hat Hoeneß nun aber auf Revision verzichtet?

Rechtsanwalt Feigen spielt juristisch gesehen in der Champions League und hätte wohl gerne ein Grundsatzurteil für Selbstanzeigen geprägt. Die Erklärung von Hoeneß deutet darauf hin (hier im Wortlaut), dass der Bayern-Präsident keine Lust hatte, in die Rechtsgeschichte einzugehen. Denn Urteil sei Urteil: "Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung", schreibt er. "Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich." Eine Revision hätte zudem bedeutet, dass sich das Verfahren gegen Hoeneß viele Monate in die Länge zieht. Das geht in der Regel mit einer zusätzlichen psychischen Belastung für den Angeklagten einher.

Ist das Urteil jetzt rechtskräftig?

Nein. Nicht nur die Verteidigung, auch die Staatsanwaltschaft kann in Revision gehen. Sie hatte fünfeinhalb Jahre Haft für Hoeneß gefordert. Sie prüft derzeit die mündliche Urteilsbegründung und entscheidet dann, ob sie Revision einlegt. Die Staatsanwaltschaft hat dafür bis zum 20. März um 24 Uhr Zeit. Sie wolle sich Anfang kommender Woche entscheiden, heißt es aus Justizkreisen.

Was hätte der Verteidiger für Hoeneß bei einer Revision rausholen können?

Wenn nur der Verurteilte in Revision geht, darf die Strafe vor dem Bundesgerichtshof nicht höher ausfallen. Sie kann maximal gleich bleiben oder sinken, sagt die Strafprozessordnung. Juristen nennen das Verschlechterungsverbot oder auch Verbot der reformatio in peius. Anders sieht es aus, wenn die Staatsanwaltschaft zusätzlich oder alleine in Revision geht. Dann ist vor dem Bundesgerichtshof wieder alles offen.

Falls die Staatsanwaltschaft ebenfalls auf Revision verzichtet: Wann muss Hoeneß ins Gefängnis?

Der Haftbefehl gegen Hoeneß ist seit seinem Erlass außer Vollzug. Denn bei Hoeneß herrscht keine Gefahr, dass er seine Straftat wiederholt und noch mal Steuern hinterzieht. Er hat auch keine Chance mehr, die Tat zu vertuschen, weil die Steuerfahnder jetzt alle Kontodaten haben. Dass er flüchtet und sich irgendwo versteckt, schließt das Gericht ebenfalls aus. Der Haftbefehl hat keine Gültigkeit mehr, wenn das Urteil rechtskräftig wird, da es sich um einen Untersuchungshaftbefehl handelt. Anschließend muss das schriftliche Urteil des Gerichts abgewartet werden. Das kann Wochen dauern. Erst dann kann eine sogenannte Ladung zum Strafantritt für Hoeneß aufgesetzt werden. In diesem Schreiben steht ein bestimmter Termin, zu dem Hoeneß die Haft antreten muss. Auch das braucht wieder Zeit - in der Hoeneß auf freiem Fuß bleibt. Kommt er dann pünktlich zum Gefängnis, kann ihm das positiv ausgelegt werden, um seine Haftbedingungen zu erleichtern.

In welches Gefängnis muss er überhaupt?

Hoeneß wird in der JVA Landsberg am Lech einsitzen. Neben dem Gefängnisgebäude liegt ein Fußballplatz. Der Tagesablauf ist in fast allen bayerischen Gefängnissen gleich. 6 Uhr Wecken, offiziell heißt das "Lebendkontrolle": Der Wachtmeister schaut, ob der Häftling am Morgen noch da und am Leben ist. Dann Frühstück und "Ausrücken" zur Arbeit. Die beginnt meist schon um 7 Uhr. Arbeit ist in den Haftanstalten Pflicht. Die Häftlinge wollen auch arbeiten, sonst säßen sie stundenlang allein in ihrer Zelle. Auch zum Arbeiten tragen sie die Anstaltskleidung, meist eine blaue Hose, ein grünes Hemd, eine feste Jacke. Die Zellen sind in Landsberg wie in den anderen JVA kein Hotelzimmer, sondern ziemlich eng: meist nur zwei Meter breit und vier Meter lang. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Spind. Und eine abgeteilte Toilette. Und natürlich Gitter vor den Fenstern.

Diese Zelle ist für die nächste Zeit auch der Lebensmittelpunkt des Häftlings. Denn viel Abwechslung hat er nicht. Offiziell vorgesehen ist eine Stunde Besuch - im Monat. Manche Haftanstalten sind stolz darauf, dass sie zwei Stunden erlauben. Sonderbesuch ist nur erlaubt, wenn es unaufschiebbare Termine gibt, zum Beispiel mit dem Steuerberater. Das könnte im Fall Hoeneß durchaus vorkommen. Die Häftlinge haben einen Fernseher, aber natürlich nicht das volle Programm. Der Bezahlsender Sky für Fußballübertragungen ist nicht zu empfangen. Und es ist auch nicht wie in Fernsehfilmen, dass sich Häftlinge Kaviar aufs Zimmer bringen lassen können: Für rund 90 Euro im Monat können sie im gefängniseigenen Einkauf Zigaretten, Shampoo oder Chips kaufen. Im Knast soll nicht auffallen, wer draußen arm oder reich ist.

Wie lange Hoeneß sitzen könnte und was er zahlen muss

Muss Hoeneß wirklich für dreieinhalb Jahre hinter Gitter?

Eher nicht. Bei außergewöhnlichen Umständen kann die Haft schon nach der Hälfte der Zeit zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei Hoeneß wären das ein Jahr und neun Monate. Hoeneß könnte aber schon vorher in den offenen Vollzug verlegt werden. Dann könnte er Freigänger werden und sich ohne Aufsicht tagsüber außerhalb des Gefängnisses bewegen. Schlafen muss er im Gefängnis. In einem anderen Fall lief es so: Der Ex-Vorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowksy, saß seit seiner Verhaftung Anfang Januar 2011 in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim. Im Sommer 2012 wurde er zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Dank guter Führung durfte er seit August 2013 stundenweise ausgehen, Anfang Oktober des vergangenen Jahres wurde er in ein Freigängerhaus verlegt.

Hoeneß muss ins Gefängnis, weil seine Selbstanzeige fehlerhaft war. Sollte man dieses Instrument nicht einfach abschaffen?

Das finden auch manche Politiker und fordern eine Abschaffung oder zumindest eine Verschärfung der Selbstanzeige. Das Verfahren hat jedoch auch viele Anhänger. Denn dank der Selbstanzeige kommt der Staat an Geld, das er sonst nie gesehen hätte. Am Schweizer Steuergeheimnis prallen immer noch alle Bitten um Amtshilfe ab, auch im Fall Hoeneß. Ohne die von ihm besorgten Unterlagen hätte er nicht verurteilt werden können. Das hat das Gericht bei seinem Urteil auch zu seinen Gunsten ausgelegt. Mit der Selbstanzeige baue der Staat seinen Bürgern eine Brücke in die Steuerehrlichkeit und verdiene auch noch daran, sagen die Befürworter. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) drückte es so aus: "Lieber volle Kassen als volle Gefängnisse." Weil von den zusätzlichen Steueraufnahmen Bund und Länder profitieren, prüft gerade eine gemeinsame Kommission, ob das Instrument wie gewünscht funktioniert. Im Raum steht, die Selbstanzeige zu verschärfen.

Warum hatte Hoeneß nicht einfach eine bessere Selbstanzeige abgegeben?

Laut Richter Heindl hat Hoeneß die Selbstanzeige "nicht aus freien Stücken" abgeben. Er fühlte sich gehetzt, weil ein Stern-Journalist seine Schweizer Bank Vontobel kontaktiert und auf Stern.de einen Artikel veröffentlicht hatte, in der Teile seiner geheimen Kontonummer auftauchen. Hoeneß hatte, wie bei ausländischen Kunden von Schweizer Banken üblich, sich keine Unterlagen nach Hause schicken lassen. Auf die Schnelle konnte ihm die Bank nur die Jahresendstände liefern. "Mit dem Material hätte keiner eine Selbstanzeige fertigen können", sagte Richter Heindl. Und doch entschieden sich Hoeneß und seine Berater, diese Selbstanzeige an einem Donnerstagmorgen im Januar 2013 abzugeben. Am gleichen Tag erschien eine neue Ausgabe des Stern, in der neue Informationen über Hoeneß' Konto hätten stehen können. Was Hoeneß und seine Helfer beim nächtlichen Erstellen der Selbstanzeige nicht wussten: Die Wörter Hoeneß, Bayern oder München tauchen in der Geschichte nicht auf.

Noch eine Frage zum Prozess. Erst ging's um 3,5 Millionen, dann um 18,5 Millionen, dann um 27,2 Millionen und jetzt 28,5 Millionen. Und das alles in vier Tagen. Wie kann das sein?

Das war nur die mediale und öffentliche Wahrnehmung des Falls. Für die Verfahrensbeteiligten, für Hoeneß' Verteidiger, die Steuerfahnder und die Staatsanwalt war von Anfang an klar, dass mehr auf dem Spiel steht. Hoeneß nennt in seiner Selbstanzeige die Kontostände zum Jahresende. So sieht man, ob er auf den Schweizer Zockerkonten in einem Jahr Gewinn oder Verlust gemacht hat (mehr zu seinen Währungswetten hier). In den meisten Jahren standen dort Verluste. Nur für 2003 und 2005 wies die Selbstanzeige Gewinne aus. Und zwar richtig hohe: 51.956.660,72 Euro für das Jahr 2003 und sogar 78.389.716,00 Euro für 2005. Hoeneß' Finanzamt wagte wenige Tage nach Eingang des Papiers einen Überschlag: Aus rund 130 Millionen Euro Gewinn aus Währungsgeschäften könnten auf Hoeneß bis zu 70 Millionen Euro Steuern zukommen. Das war die erste Hausnummer. Es könnten aber, das war ebenfalls direkt klar, auch viel weniger sein. Denn die Währungsgeschäfte könnten steuerfrei sein. Das Finanzamt sah sich nicht in der Lage, mit den Daten der Selbstanzeige eine belastbare Schätzung abzugeben.

Kann sich Hoeneß die Nachzahlungen leisten?

Warum standen dann in der Anklage 3,5 Millionen Euro?

Für die Anklage hat die zuständige Steuerfahnderin im Sommer ausgerechnet, was man Hoeneß zum damaligen Zeitpunkt anlasten konnte. Das waren nur die Einkünfte aus Kapitalerträgen, also aus Aktiendividenden oder festverzinsten Finanzprodukten. Einen Teil seiner Gewinne aus Währungswetten hat Hoeneß so angelegt. Diese Kapitalerträge sind anders zu versteuern als Devisengeschäfte. Dafür fehlten aber noch Unterlagen, die Hoeneß' Verteidiger in lesbarer Form erst am 5. März 2014, wenige Tage vor Prozessbeginn, dem Finanzamt übergab. Die Anklage nannte deswegen nur für die Kapitalgeschäfte eine Zahl und erklärte dann in einem Satz, dass noch unversteuerte Gewinne aus Spekulationsgeschäften dazukommen könnten. Das hat der Staatsanwalt am ersten Prozesstag auch gesagt.

Warum hat dann Hoeneß' Verteidiger Hanns Feigen die 15 Millionen Euro in den Raum geworfen?

Gute Frage. Zuvor hatte Hoeneß verlesen, dass seine Steuerschuld wohl eine zweistellige Millionensumme sei - also deutlich mehr als 3,5 Millionen, aber noch vage. Feigen sprach dann in einem Satz von 15 Millionen, die sich mit den Kapitalsteuern zu 18,5 Millionen addieren würden. Er ergänzte sich aber schnell und sprach dann davon, dass das nur eine grobe Schätzung sei, die auch nach oben oder unten ausschlagen könnte.

Und die 27 Millionen Euro?

Das ist die belastbare Schätzung der Steuerfahnderin, die sie mit den Daten erstellen konnte, die Hoeneß kurz vor Prozessbeginn übergeben hat. Dafür ist übrigens ihr Faschingsurlaub draufgegangen. Verteidigung und Gericht haben sich ihre Rechnung angeschaut, nachvollziehen können und akzeptiert.

Warum sind es im Urteil schließlich 28,5 Millionen Euro?

In der Rechnung fehlt der Solidaritätszuschlag. Deswegen kommt man auf 28,5 Millionen Euro, die strafrechtlich relevant sind.

Wie viel muss Hoeneß an Steuern nachzahlen?

Deutlich mehr. Vor Gericht war nur die strafrechtliche Schuld relevant, deswegen reichte eine belastbare Schätzung. Das Finanzamt rechnet aber nun auf den Cent genau aus, was Hoeneß dem Staat schuldet. Dann muss er 0,5 Prozent Zinsen monatlich zahlen. Für die Steuerschulden aus 2005 etwa laufen die seit April 2006, da kam Hoeneß' Steuerbescheid. Nimmt man eine tatsächliche Steuerschuld von 30 Millionen Euro an und schätzt zu Hoeneß' Gunsten, werden so rund 50 Millionen Euro daraus.

Kann Hoeneß das zahlen?

Auf dem geheimen Schweizer Konto lagen zwischenzeitlich rund 150 Millionen Euro. Das zeigt ein Kontoauszug von 2005. Danach hat Hoeneß jedoch mit den Währungswetten desaströse Verluste eingefahren, sodass er fast alles verspielt hat. Außerdem wurde vor Gericht aufgezählt, wie viel Hoeneß in seinen alten Steuererklärungen als Einkommen angeben hatte. Darin stecken Einkünfte als Bayern-Chef, aus seiner Wurstfabrik und aus Finanzgeschäften auf seinem deutschen Konto. Die Summen: 2003 waren es 6,5 Millionen Euro Einkommen. 2004: 6 Millionen. 2005: 11,5 Millionen, 2006: 10,9 Millionen, 2007: 10,1 Millionen. 2008: 13,8 Millionen.

Sie haben noch Fragen zum Hoeneß-Prozess oder Punkte, die Ihnen unklar erscheinen? Stellen Sie Ihre Fragen auf Twitter oder unten in den Kommentaren, der Autor wird antworten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: