Union Berlin kündigt Sponsor:Die Stasi spielt mit

Bei Union Berlin riefen sie einst: "Stasi raus!" Nun gab es ausgerechnet beim Hauptsponsor eine Stasi-Enthüllung. Der Fußball-Zweitligist trennte sich.

C. Catuogno

Dass es nun die Stasi war, die das ganze Gebilde zum Einsturz gebracht hat, im Berlin des Jahres 2009, klingt abenteuerlich - und doch auf ironische Weise logisch. Hatte der Millionendeal des 1. FC Union Berlin mit seinem neuen, bislang unbekannten Hauptsponsor "International Sport Promotion" (ISP) doch von Anfang an einen seltsam konspirativen Eindruck erweckt, konspirativ bis ins Detail. Die Gesellschafter der ISP wurden - offenbar auch gegenüber dem Verein - verschwörerisch geheim gehalten (angeblich Geschäftsleute aus Afrika, Brasilien und dem arabischen Raum). Die Angaben der ISP zu ihrem Firmensitz waren schlicht Propaganda: Man veröffentlichte angebliche Akten- und Lizenznummern der Handelskammer von Dubai, musste dann aber einräumen, in Wahrheit in einem Emirat namens Adschman eingetragen zu sein. Und im Nebulösen blieb auch die Frage, wie das Geld verdient wird, das die ISP bis 2014 in den Zweitliga-Aufsteiger stecken wollte: stolze zehn Millionen Euro, die erste Rate ist schon geflossen.

Union Berlin kündigt Sponsor: Union-Kapitän Marco Gebhardt mit dem ISP-Logo auf der Brust: Wegen "falscher Angaben" hat der Hauptstadt-Klub seinem Sponsor gekündigt.

Union-Kapitän Marco Gebhardt mit dem ISP-Logo auf der Brust: Wegen "falscher Angaben" hat der Hauptstadt-Klub seinem Sponsor gekündigt.

(Foto: Foto: getty)

Da war dann von "weltweiten Netzwerken" die Rede, von einträglichem Müllhandel im Kongo, Bodenschätzen, geplanten Stadion- und TV-Projekten, von globalem "Betreuen" von Nachwuchs-Kickern und gewinnbringendem Handel mit Transferrechten. Und von den Türen wichtiger Entscheidungsträger, die man in Afrika mühelos öffnen könne, wenn man einen Klub mit dem Namen Berlin im Portfolio habe. Weil aber Nachfragen vor Ort, in Dubai, Brazzaville oder Kinshasa mehr Unbehagen als Klarheit erbrachten, stellte man sich in der Hauptstadt schon bald die Frage: Soll über den 1. FC Union Geld gewaschen werden? Eine angesichts der Widersprüche womöglich naheliegende Frage, räumten die deutschen Repräsentanten des ISP-Geflechts sogar ein, Aufsichtsrats-Chef Jürgen Czilinsky und Manager Dieter Fietz, letzterer ein ehemaliger Union-Trainer. Doch dann beteuerten die Männer stets wortreich ihre Seriosität und baten um etwas Zeit und Vertrauen. Denn man habe Großes vor mit Union.

Eine Art Ostberliner St. Pauli

Nun ist der Vertrag gekündigt, zwei Tage vor dem Marketingkick der "Eisernen" am Mittwoch gegen den FC Bayern (18.30 Uhr/DSF), wegen "falscher Angaben des Vertragspartners", wie der Klub mitteilt. "Eine weitere Zusammenarbeit", erklärt der Vereinspräsident Dirk Zingler, "war auch unter Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen nicht möglich." Der bodenständige Unternehmer Zingler galt bisher als Glücksfall für Union: Nach mehreren Beinahe-Pleiten stellte er den Köpenicker Klub auf eine solide wirtschaftliche Basis und bewahrte zugleich seine Identität: als eine Art Ostberliner St. Pauli, volksnah und rebellisch, ein Gegenstück zum um sich greifenden Kommerzfußball. Wohl auch deshalb leisteten gerade erst rund 2000 Helfer mehr als 100.000 freiwillige Arbeitsstunden, um das Stadion an der Alten Försterei zu renovieren - unentgeltlich. Auch der Präsident griff zur Schaufel.

Doch als dann die ISP im Sommer mit den Geldbündeln winkte, hat Zingler eben nicht nein sagen können, obwohl auch er das Geschäftsmodell nicht verstand. Zwei Millionen Euro jährlich sind ein fast abenteuerlich stolzer Betrag für einen Zweitliga-Aufsteiger, im Zweifel interessiere es ihn da "nicht wirklich, wo das Geld herkommt", sagte Zingler. Dass es ehrlich verdient werde, setze er natürlich voraus. Und auch jetzt war es nicht die späte Einsicht, sich auf einen Pakt mit dubios auftretenden Partnern eingelassen zu haben, die den Klub die Reißleine ziehen ließ. Dafür musste man den 1.FC Union schon an seiner empfindlichsten Stelle treffen: der Identität.

Am Wochenende hatte der Spiegel ISP-Aufsichtsrats-Chef Czilinsky als ehemaligen Stasi-Spitzel enttarnt. Da ahnte man bei Union plötzlich, woher der geheimnisvolle 51-Jährige das mit dem weltweiten "Netzwerken" so gut konnte: Vor der Wende war er Führungsoffizier des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit gewesen, zuletzt im Rang eines Hauptmanns der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Laut Spiegel kümmerte sich Czilinsky um mindestens 26 "operative Vorgänge", etwa geheime Kuriergänge und das Anwerben von Agenten. 1986 wurde er mit der "Verdienstmedaille der Grenztruppen der DDR" in Bronze ausgezeichnet. Jürgen Czilinsky, der gerade in Afrika weilt, räumte die Stasi-Tätigkeit ein, ohne Details zu bestätigen ("ist 25 Jahre her"), und trat eilig von seinem ISP-Amt zurück - aber da war schon nichts mehr zu retten. Beim Geschäftemachen mag man es manchmal nicht so genau nehmen beim FC Union - aber in Sachen Stasi versteht man definitiv keinen Spaß.

"Die Mauer muss weg!"

Denn bis heute resultieren Ruf und Selbstverständnis des Klubs aus der Vergangenheit. Die Köpenicker Anhänger galten in der DDR als besonders regimekritisch, bei Freistößen hallte es schon mal "Die Mauer muss weg!" durch die Alte Försterei. Der erklärte Erzfeind der "Eisernen" ist bis heute der DDR-Serienmeister BFC Dynamo, Lieblingsklub des Stasi-Chefs Erich Mielke (und deshalb auch des DDR-Schiedsrichterwesens). Wenn aus dieser Zeit etwas tief verankert ist im kollektiven Gedächtnis, dann die Erkenntnis, dass Aufrichtigkeit und Authentizität bisweilen ihren Preis haben. So auch jetzt wieder. Die Lizenz ist zwar nicht in Gefahr, und ob der Klub Geld an ISP zurückzahlen muss, wird noch geprüft. Doch die Einnahmen aus dem Spaßkick am Mittwoch sind für Union nun viel wichtiger als erwartet. Zum Glück steht der FC Bayern so ziemlich für das Gegenteil des windigen Wirtschaftens.

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