Union Berlin:Die altbekannte Sackgasse

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Enttäuschung nach dem Schlusspfiff: Der neue Union-Trainer Andre Hofschneider (rechts) hat mit seinen Profis noch nicht gewonnen.

(Foto: Matthias Koch/imago)

Eigentlich wollte Union Berlin aufsteigen. Aber seit dem überraschenden Rauswurf von Trainer Jens Keller hat der Klub in der zweiten Fußball-Bundesliga kein Spiel mehr gewonnen - und die Führung gibt Grund zum Rätseln.

Von Javier Cáceres

Die Sonne schien immerhin wieder am Sonntag, als sich die Mannschaft des 1. FC Union Berlin in Köpenick zum Abschlusstraining traf und anschickte, den Bus zu besteigen. Die Reise ging nach Bielefeld, wo an diesem Montag (20.30 Uhr) eines dieser Spiele ansteht, die sich nach Endspiel anfühlen, obwohl das faktisch natürlich nicht stimmt. Was stimmt: Union hinkt seinem Saisonziel Bundesliga-Aufstieg so weit hinterher, dass es getrost als verfehlt und die Saison als verkorkst angesehen werden kann. Sieben sieglose Spiele - darunter drei Heimniederlagen - hat die Mannschaft nun aneinandergereiht, vor dem Auftritt bei Arminia Bielefeld steht Union den Abstiegsrängen näher als den drei Aufstiegsplätzen, weshalb der Sport-Geschäftsführer Lutz Munack in den Presserunden schon die Frage über sich ergehen lassen muss, ob Union im Abstiegskampf stecke. Darauf antwortet Munack dann: "Nein."

Wie es so weit kommen konnte? Gute Frage. Die letzte Saison beendete Union als Vierter, und das war auch der Platz, auf dem der Klub stand, als er Anfang Dezember Trainer Jens Keller entließ. Zur Verblüffung der Öffentlichkeit und auch von Keller selbst, der immer noch in kleinen Runden beteuert, keine Ahnung zu haben, weshalb er gehen musste. Gut, da waren drei sieglose Spiele nacheinander. Aber kurz zuvor war er mit Union noch in aussichtsreichen Gesprächen über eine Vertragsverlängerung gewesen; Vertragsangebote aus der Bundesliga habe er für das Projekt Union sausen lassen.

Doch auch Union hängt die Personalie noch immer in den Kleidern, was nicht nur daran liegt, dass Kellers Nachfolger André Hofschneider gar keinen Sieg vorweisen kann. Sondern auch daran, dass Vorstandschef Dirk Zingler dafür sorgte, das Mysterium um Kellers Entlassung zu vergrößern. In einem Interview mit dem Kicker raunte Zingler, dass es für das Aus des früheren Schalke-Trainers "schwerwiegende Gründe" gegeben habe. Dort sagte er auch, dass er von Hofschneider "volle Konzentration" auf den Job verlange - möglicherweise ein Fingerzeig darauf, dass ihm nicht schmeckte, dass sich Keller über ein Bundesliga-Engagement überhaupt den Kopf zerbrach. Doch im Grunde verschwieg Zingler die "schwerwiegenden Gründe" so lautstark, dass die Unruhe rund um den Klub, der zu den 20 besten Vereinen des Landes zählen will, sich bis heute nicht gelegt hat.

"Wir sind überzeugt, diesen Weg zu gehen", sagt Felix Kroos

Bei Union beteuern sie, dass es lediglich sportliche Gründe waren. Als Geschäftsführer Munack sich in diesen Tagen in einer VIP-Loge des Stadions einer kleinen Medienrunde stellte, deutete er an, was gemeint war: Als er sagte, dass er im Gegensatz zu anderen die Spiele aus dem Herbst nicht vergessen habe, klang das so, als ob er auch nicht vergessen habe, dass Union schon in der Rückrunde der vorigen Saison eine solche Schwächeperiode hatte - und die Aufstiegschancen verspielte. In der letzten Phase der Amtszeit Keller sei man "in eine Sackgasse gefahren", sagte Munack und meinte offenkundig: in eine bekannte Sackgasse. Unions Problem ist bloß, dass die Mannschaft unter Hofschneider da nicht heraus- sondern vorerst weiter hineinfuhr.

"Die Freistellung von Jens Keller halte ich nach wie vor für total richtig", sagt Munack dennoch.

Der Grund: Hofschneider habe die Spielanlage umgestellt, Union spiele nicht mehr so "eindimensional" wie unter Keller, argumentiert Munack. Und auch wenn es in den letzten Wochen nicht zu Siegen gereicht habe, Chancen seien immer da gewesen, beim damaligen Tabellenführer Holstein Kiel egalisierte man noch einen Rückstand, zeigte also, was man gemeinhin unter Moral versteht. "Wir haben jetzt mehr Kontrolle, mehr Ballbesitz, wir gestalten das Spiel", sagt auch Kapitän Felix Kroos, der seit zwei Jahren bei Union spielt: "Es ist ein Prozess. Aber wir sind überzeugt, diesen Weg zu gehen." Auch der Klub habe Vertrauen gezeigt, andernfalls hätte er in der Winterpause die Belegschaft umgebaut. Es kam aber nur Lars Dietz aus der U23-Mannschaft von Borussia Dortmund sowie Innenverteidiger Marvin Friedrich, 22, vom FC Augsburg, der in Bielefeld wegen der Rot-Sperre von Abwehrchef Toni Leistner in die Startelf einer Mannschaft rutschen dürfte, die alles andere als stabil wirkt. Auch, weil sie sich gegen die Enttäuschung wehren muss, dass der Aufstieg in die Ferne gerückt ist, und sie sich jetzt neue Ziele setzen muss.

"Natürlich ist es jetzt Quatsch, von den ersten drei Plätzen zu reden, weil wir es nicht mehr in der eigenen Hand haben", sagt Kapitän Kroos. Ziele würden nicht immer erreicht, erklärt er, und so bleibe nichts anderes übrig, als sich "auf jedes einzelne Spiel zu konzentrieren". Denn dass die Serie an sieglosen Spielen beendet werden müsse, liege auf der Hand: "Wir wissen, dass wir ein Erfolgserlebnis brauchen", sagt Kroos.

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