Augsburg siegt gegen den VfB -:Entscheidendes Luftloch

Der VfB tritt in Augsburg passiv und verunsichert auf wie schon lange nicht mehr. Nach der Niederlage zählt er wieder zu den stark abstiegsbedrohten Klubs - und Augsburg atmet auf.

Von Kathrin Steinbichler, Augsburg

Timo Werner sah in den Katakomben der Augsburger Arena etwas verloren aus, als sich an diesem Samstagnachmittag ein Ordner seiner erbarmte. "Hier geht's lang", sagte der Mann vom Sicherheitsdienst und wies dem frisch Geduschten auch noch per Armbewegung den Weg. "Das ist der Ausgang?", versicherte sich Werner noch einmal, dann strebte der Mittelfeldspieler des VfB Stuttgart mit gesenktem Kopf eilig ins Freie. Bloß weg hier, weg vom Ort des Schreckens und der Niederlage. Bloß weg vom Gefühl des Abstiegskampfs. Das aber haftet den Stuttgartern jetzt nach dem 0:1 beim FC Augsburg so unangenehm an wie ein schlechtes Parfüm. Denn der VfB Stuttgart, hielt Augsburgs Trainer Markus Weinzierl fest, "steckt jetzt auch mit unten drin". So, wie er es vor der Partie angekündigt hatte.

Der FC Augsburg hatte ja schon vor diesem Spieltag gewusst, in welcher Situation er gerade steckt. "Abstiegskampf ist nie schön", meinte Torhüter Marwin Hitz, "und diesmal entscheidet es sich wohl erst am letzten Spieltag." Dass das nun auch für den VfB gilt, setzte Robin Dutt nach dem Schlusspfiff sichtlich zu. Ein Stuttgarter Spieler nach dem anderen verließ wortlos das Stadion, der Sportvorstand dagegen fand klare Worte für das, was er da über 93 Minuten Spielzeit gesehen hatte. "Das war eine sehr schlechte Leistung, die wir heute gebracht haben. Da war keine Kompaktheit, keine Geschlossenheit. So kannst du nicht auftreten", schimpfte Dutt. Der 51-Jährige war sichtlich schockiert.

Das FCA-Rezept: Gut stehen, bissig sein, Chancen nutzen

Schließlich hatte es in Stuttgart zwischenzeitlich so ausgesehen, als ob die Mannschaft sich mit Trainer Jürgen Kramny stabilisieren würde. Doch ausgerechnet im Schlussspurt der Saison, im wichtigen Schwaben-Derby gegen den Tabellennachbarn aus Augsburg, wirkte es, "als ob wir nicht ganz da sind", wie Kramny kritisierte. "Wir haben uns von Beginn an zu passiv gezeigt." Der FCA dagegen machte vom Anpfiff weg klar, was er sich für das Spiel vorgenommen hatte: "Wir wollten gut organisiert stehen, bissig sein in den Zweikämpfen und vorne unsere Chancen nutzen", sagte Außenverteidiger Philipp Max. "Ich denke, das ist uns gelungen." Aus einer klaren Defensivstruktur heraus bemühte Augsburg sich immer wieder zu schnellen Zuspielen auf seine Außen, die im Idealfall im vorderen Spieldrittel Alfred Finnbogason als Abnehmer für den Ball fanden. Der isländische Stürmer ist in bestechender Form, und er stellte das auch in dieser Begegnung wieder unter Beweis.

Alfred Finnbogason FC Augsburg 27 vor seinem Torschuss zum 1 0 FC Augsburg vs VfB Stuttgart 30

Eine Finte später klingelt's: Augsburgs Alfred Finnbogason lässt zwei Stuttgarter aussteigen und erzielt das 1:0-Siegtor für den FCA.

(Foto: imago)

Die erste halbe Stunde des Spiels war auf beiden Seiten noch von vielen Unsicherheiten und Fehlpässen geprägt, wenngleich Augsburg sich mehr um sein Angriffsspiel bemühte. Als der Ball dann endlich einmal wie geplant bei Finnbogason landete, blieb der 27-Jährige ganz ruhig - und traf für die Gastgeber zum umjubelten 1:0. Allerdings profitierte er dabei von einer Unaufmerksamkeit seines Gegenspielers, die VfB-Trainer Kramny auch im Nachhinein noch zum Kopfschütteln brachte. Halil Altintop hatte mit einem kurzen, schnellen Pass Caiuby bedient, der flankte von links vor den Fünfmeterraum. Dort kam zwar VfB-Innenverteidiger Georg Niedermeier als Erster an den Ball, schlug aber ein Luftloch. Finnbogason behielt die Ruhe, stoppte den Ball, schlug noch einen Haken und schob ihn dann mit links ins Tor (36.).

Sieben Spiele, sieben Siege: Augsburgs Erstliga-Serie gegen den VfB

Es war das fünfte Tor des isländischen Wintereinkaufs in seinem erst zehnten Spiel für den FCA. Überhaupt hat der Nationalstürmer in den jüngsten fünf FCA-Spielen vier Tore geschossen - eine Traumquote. Genauso wie die Serie des FCA gegen den VfB: Noch nie in seiner Bundesligageschichte hat Augsburg gegen Stuttgart einen Punkt abgegeben, dieses 1:0 war der siebte Sieg im siebten Aufeinandertreffen.

Alfred Finnbogason aber blieb ganz nüchtern nach dem Schlussjubel: "Es ist meine Aufgabe, da zu sein, wenn ich da sein muss", kommentierte er sein Siegtor. Und in dieser 36. Minute stand er genau richtig. Niedermeiers Fehlschlag nannte VfB-Trainer Kramny dagegen "einen kapitalen Stockfehler". Einen, der den VfB noch gehörig ins Grübeln bringen könnte. "Der Vorsprung, den wir mal hatten, ist zusammengeschmolzen", stellte Dutt fest. Der VfB ist jetzt mit 33 Zählern punktgleich, mit einem schlechteren Torverhältnis jetzt aber dennoch hinter Augsburg mitten drin in der Gefahrenzone derjenigen Vereine, die um den Verbleib in der Bundesliga zittern müssen.

Schema & Statistik

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Was die VfB-Verantwortlichen schon jetzt nachdenklich machte, war jedoch nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Beobachtungen aus dem Spiel. Unmittelbar nach dem Wiederanstoß etwa hatte Daniel Didavi die Chance auf den Ausgleich, doch sein Schuss aus zehn Metern ging erst an den rechten Pfosten, sprang von dort an den Rücken von Torhüter Hitz und wurde dann von Max aus der Gefahrenzone befördert (40.). Max brüllte, Hitz ballte die Fäuste, beide klatschten sich ab, die Stuttgarter ließen derweil die Schultern hängen - die Ausstrahlung und Körperspannung der Augsburger war merklich eine andere als die auf Seiten des VfB.

"Uns fehlen gerade ein paar Leistungsträger, vor allem Mentalitätsspieler, das muss die Mannschaft dann eben ausgleichen", sagte Dutt mit Hinweis auf die aktuellen Ausfälle beim VfB. Daniel Ginzcek, Kevin Großkreutz und Serey Die sind verletzt, Martin Harnik musste genauso wegen einer Grippe passen wie Lukas Rupp. Doch von einer Ausrede wollte Dutt nichts wissen: "Man hat während einer Saison immer wieder mal Ausfälle, da kann man doch nicht rumjammern." Die Mannschaft habe schlicht "eine ganz, ganz schlechte Partie gebracht heute", wetterte er. Jürgen Kramny wischte sich am Ende erst mit einer Hand über die verschwitzte Stirn, dann brachte er seinen Appell: "Es heißt jetzt ganz klar: Fighten, Kämpfen, Zusammenhalten." Timo Werner, der da schon längst aus dem Stadion war, wird das in Stuttgart bestimmt auch noch zu hören bekommen.

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