Bundesliga:Das schöne Spiel ist zuweilen ein gemeiner Geselle

FC Augsburg - SC Freiburg 3:3

Caglar Söyüncü ärgert sich nach dem Abpfiff.

(Foto: dpa)
  • Der SC Freiburg spielt beim FC Augsburg 3:3 und kassiert dabei zwei Tore in der Nachspielzeit.
  • Trainer Christian Streich verteidigte vor dem Spiel seine Idee des Fußballs.
  • Gegen Augsburg zeigte sich, dass der SC sich mit dem Konzept des kultivierten Fußballs auf einem schmalen Grat bewegt.

Von Maik Rosner, Augsburg

Als Christian Streich mit etwas Abstand über die beiden Gegentore durch Augsburgs Angreifer Alfred Finnbogason in der Nachspielzeit zum 3:3 (1:1) sprach, rückte langsam wieder die Zufriedenheit über die insgesamt sieben Punkte aus der englischen Woche in den Vordergrund. "Ich habe keine Lust, der Mannschaft Vorwürfe zu machen. Stinken tut's mir schon ein bissl, aber nicht so wahnsinnig", sagte der Freiburger Fußballlehrer und erinnerte nachsichtig an die zurückliegenden drei Spiele in sechs Tagen: "Wir waren vollständig am Anschlag, da passieren Fehler."

Finnbogason hatte Augsburg nach nicht einmal einer Minute in Führung gebracht, ehe Christian Günter ausglich (20.) und Nils Petersen mit seinen Saisontoren sieben (48.) und acht (65.) das Spiel drehte. Doch weil Finnbogason nach der zehnten Torvorlage von Philipp Max auf 2:3 verkürzte (90.+1) und sogar noch sein elftes Saisontor durch einen weiteren Kopfball zum 3:3 folgen ließ (90.+3), konnten sich auch die Augsburger nach dem Abschluss der Hinrunde auf die Mannschaftsfeier am Abend freuen. "Die Beine waren schwer, wir haben viele Fehler gemacht. Am Ende müssen wir sehr glücklich sein mit diesem Punkt", sagte Finnbogason. "Ein unglaubliches Ende, aber das hat das Jahr auch verdient", befand Max. Die Freiburger müssen auf die Ferien noch bis Mittwochabend warten. Nach elf Punkten aus den vergangenen fünf Spielen hoffen sie ihren Jahresendspurt im Pokal bei Werder Bremen bestenfalls mit dem Einzug ins Viertelfinale schmücken zu können.

Freiburgs Spielidee scheitert bereits nach 56 Sekunden

Vor dem Spiel hatte Streich ein leidenschaftliches Plädoyer für jenen Stil gehalten, den er lehrt und der bei Heimspielen des Sport-Clubs zuweilen für ein besorgtes Geraune auf den Rängen sorgt, wenn seine Belegschaft den Aufbau trotz Bedrängnis spielerisch löst. Den Ball lang rauszuschlagen habe "nichts mit unserem Fußball zu tun in Freiburg", sagte Streich bestimmt. Es folgte ein Monolog über viele Minuten, in dem er in seinem alemannischen Dialekt darlegte, warum er "das Maximale von den jungen Kerlen" verlange. "Mir gehn voll an die Kante, damit mir so kicke könne wie mir kicke", sagte er, "die Leut' sehen einen ästhetischen Fußball, wenn's klappt."

Dass das schöne Spiel, das Streich so leidenschaftlich wie erfolgreich seit Jahren lehrt, zuweilen ein gemeiner Geselle sein kann, musste er nun in Augsburg feststellen. Denn gerade einmal 56 Sekunden dauerte es bis zum 1:0 der Augsburger durch Finnbogason. Vorangegangen war dem Treffer ein Fehler im Spielaufbau der Freiburger, gefolgt von einem gedankenschnellem Diagonalpass Caiubys, den Finnbogason im zweiten Versuch im Tor unterbrachte.

Beinahe hätten die Augsburger mit ihrem rasanten Umschaltspiel rasch den zweiten Ertrag erwirtschaftet. Doch nach der Hereingabe von Linksverteidiger Max und Finnbogasons Verlängerung mit der Hacke schoss Michael Gregoritsch den Ball freistehend aus fünf Metern über das leere Tor. Abgesehen vom missglückten Abschluss stand dieser Spielzug für das Ideal des Augsburger Stils von Trainer Manuel Baum, der später bilanzierte: "Mit den 24 Punkten, die wir bisher geholt haben, können wir richtig gut leben."

Petersen trifft doppelt, Kleindienst gelingen drei Vorlagen

Erst nach Augsburgs starkem Beginn wurde auch die Freiburger Fußballkultur sichtbar. Bestaunen ließ sich fortan der Vergleich zweier vergleichsweise kleiner Bundesligisten, die sich in der Nische etabliert haben und dabei möglichst die feinen Mittel bevorzugen. Günters Ausgleich nach einem gelungenen Aufbau und einem Doppelpass mit Tim Kleindienst geriet dabei zum perfekten Beispiel für Streichs Vorstellungen. "Das hat richtig toll ausgesehen", lobte sogar Baum. Kurz nach der Pause war Augsburgs Torwart Marwin Hitz erneut überwunden: Petersen vollendete Kleindiensts Verlängerung per Flugkopfball.

Dass sich Freiburg mit dem spielerischen Ansatz zuweilen auf einem schmalen Grat bewegt, zeigte jene Szene nach knapp einer Stunde, als Innenverteidiger Calgar Söyüncü den Ball im eigenen Strafraum etwas unsauber annahm und beim Passversuch Marcel Heller traf. Der von Schiedsrichter Christian Dingert verhängte Elfmeter wurde nach einem Videobeweis zurückgenommen, da Finnbogason den Ball einige Zeit vor dem Foul mit dem Arm angenommen hatte. Doch als Petersen dann einen perfekten Konter nach Kleindiensts dritter Torvorlage an diesem Nachmittag zum 1:3, seinem sechsten Tor binnen einer Woche, abschloss, durfte sich Streich wieder einmal darin bestärkt sehen, seinen jungen Kerlen den Fußball als schönes Spiel zu vermitteln. Daran änderten auch die beiden Gegentore in der Nachspielzeit nichts. "Die Körner haben nachgelassen", sagte Freiburgs Günter und empfahl: "Wir müssen auf die letzte Woche gucken und auf das, was wir da geleistet haben."

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