Unentschieden gegen USA:Varela rettet Portugal vor dem vorzeitigen WM-Aus

Unentschieden gegen USA: Silvestre Varela trifft wenige Sekunden vor dem Abpfiff zum 2:2, US-Keeper Tim Howard hat keine Abwehrchance.

Silvestre Varela trifft wenige Sekunden vor dem Abpfiff zum 2:2, US-Keeper Tim Howard hat keine Abwehrchance.

(Foto: Martin Mejia/AP)

In der fünften Minute der Nachspielzeit trifft Portugals Varela zum 2:2-Ausgleich gegen die USA und wahrt seinem Land eine kleine Chance aufs Achtelfinale. Das Vollgasspiel im feuchtwarmen Manaus bedeutet: Im Spiel um den Gruppensieg begegnen sich Deutschland und die Amerikaner auf Augenhöhe.

Von Boris Herrmann, Manaus

Zunächst einmal hat jedes Fußballspiel natürlich verdient, für sich selbst zu stehen. In diesem Fall darf man sich aber aus deutscher Sicht mal eine Ausnahme genehmigen. Angesichts der angespannten Tabellenlage in der Vorrundengruppe G wird man nach diesem 2:2 zwischen den USA und Portugal vor allem die Frage stellen, was sich daraus eigentlich für die WM-Kampagne des DFB ableiten lässt.

Vielleicht dies: Dass sich die deutsche Hintermannschaft wenig darauf einbilden muss, Cristiano Ronaldo abgemeldet zu haben. Das hat die amerikanische Hintermannschaft von Trainer Jürgen Klinsmann nämlich auch sehr lange geschafft. Außer ein einziges Mal, in der fünften Minute der Nachspielzeit, als Ronaldo eine feine Flanke auf Silvestre Varela schlug, der Portugal mit seinem Kopfballtor zumindest einen Punkt rettete - und vor dem vorzeitigen WM-Aus bewahrte.

Bauchabstauber zur 2:1-Führung

Ferner dies: Das deutsche Mittelfeld sollte beim letzten Gruppenspiel in Recife nach Möglichkeit Jermaine Jones abmelden. Der gebürtige Frankfurter, der inzwischen bei Beşiktaş Istanbul spielt, hat für seine Wahlheimat in der Nacht zum Montag ein formidables Weitschusstor erzielt. Er hat seinem Team, das lange einem frühen Rückstand hinterhergelaufen war, damit jenes amerikanische Momentum beschert, das der Kollege Clint Dempsey per Bauchabstauber in eine zwischenzeitliche Führung verwandelte.

Die ehemaligen Geschäftspartner Klinsmann und Löw begegnen sich damit am Donnerstag in Recife auf Augenhöhe zu einem Endspiel um den Gruppensieg. Beiden reicht ein Unentschieden, um ins Achtelfinale einzuziehen. Für Portugal ist der Punkt deutlich zu wenig.

Auch ohne die deutsche Perspektive war es ein in jeder Hinsicht bewegendes Spiel. Wobei in der Dschungelstadt Manaus vor allem ein Karneval in Stars und Stripes stattfand, während sich Europa schlafen legte. Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder die Amerikaner haben endgültig ihre Liebe zum Soccer entdeckt. Oder es waren die guten Aussichten auf ein nationales Erfolgserlebnis, die all die bunt bemalten Nordamerikaner nach Südamerika lockten.

Dabei hatten vor allem die Portugiesen und ihr großer Häuptling Ronaldo nach der demütigenden Niederlage gegen Deutschland einiges gutzumachen. Der Weltfußballer führte sich aber gleich mal mit einem kreisligahaften Fehlpass ins Seitenaus ein. Das ließ schon viel Unheil erahnen. Zwei, drei weltfußballerhafte Übersteiger später sah Ronaldos Welt aber schon wieder ein bisschen freundlicher aus. Und nach fünf Minuten sah man ihn zum ersten Mal lachen. Nicht wegen des Slapstick-artigen Querschlägers des US-Innenverteidigers Geoff Cameron, den man sich nicht einmal in der Kreisliga erlauben darf. Sondern weil Portugals Nani diese unfreiwillige Vorlage sogleich zum 1:0 nutzen konnte.

Vollgasfußball im feuchtwarmen Manaus

Der amerikanischen Dschungelparty konnte die kleine Abkühlung aber nichts anhaben. Und die Spieler trugen ihren Teil dazu bei. Vor einer Woche hatten sich an selber Stelle Italiener und die Engländer ein Spiel im erhöhten Zeitlupentempo geliefert. Das steht jetzt erst Recht in einem anderen Licht. Portugal und die USA zeigten, dass man im feuchtwarmen Manaus durchaus Vollgasfußball spielen kann, wenn man gut vorbereitet ist. Vor allem Klinsmann und seine berühmten Fitness-Gurus hatten offenbar ganze Arbeit geleistet. Mit ihrem aufwendigen Pressing schnürten sie die Portugiesen nach dem Rückstand weit in der eigenen Hälfte ein. Es fehlte bloß an einem zählbaren Abschluss. Schüsse von Clint Dempsey, Michael Bradley und Fabian Johnson verfehlten das Tor nur knapp. Trainer Klinsmann blieb natürlich trotzdem positiv. Er klatschte dabei jedes Mal so aufmunternd in die Hände, dass seine Spieler gleich voller Freude die nächste Chance vergaben.

Cristiano Ronaldo musste dagegen lange warten, bis er zum zweiten Mal lachen konnte. Bei seinem ersten Torschussversuch verlor er seine Kapitänsbinde. Und wegen der ruppigen Spielweise der USA verlor er auch ein ums andere Mal seine Contenance. Es war ohnehin in jeder Sekunde zu spüren, worum es hier ging. Um die Jagd auf Deutschland. Im Mittelfeld bekamen sich der Amerikaner Kyle Beckerman und der Portugiese Raúl Meireles im wahrsten Wortsinne in die Haare. Ihren Frisuren nach zu urteilen, könnten beide problemlos zusammen eine Heavy-Metal-Band gründen. Bevor das erste Album erscheint, musste Beckerman allerdings erst einmal froh sein, dass er für seine Trommeleinlage keine rote Karte sah.

Schiedsrichter gewährt eine Trinkpause

Fünf Minuten vor der Halbzeitpause gewährte der argentinischen Schiedsrichter Pitana den schwitzenden Akteuren eine Trinkpause. Die Zeit am Wasserloch brachte die Amerikaner ein wenig aus dem Tritt und die Portugiesen zurück ins Spiel. Nani hätte nach einem Fehlgriff von US-Keeper Tim Howard beinahe sein zweites Tor erzielt, den Nachschuss des eingewechselten Éder parierte Howard dagegen glänzend.

Auf der anderen Seite parierte Ricardo Costa nach 55 Minuten fast noch besser gegen den freistehenden Bradley. Costas Tat war auch deshalb so bemerkenswert, weil er ein Feldspieler ist und seine Hände nicht benutzen darf. Jetzt war der ehemalige Stürmer Klinsmann allmählich doch kurz davor, sich selbst einzuwechseln. Die verlockende Idee erübrigte sich, als Jones den Ball nach 64 Minuten in die Maschen drosch und Dempsey zehn Minuten vor dem Ende auf 2:1 erhöhte. Klinsmann hätte jetzt eher einen Buchwald gebraucht, um die drei Punkte zu retten. Der hätte vielleicht den Last-Minute-Ausgleich von Varela noch verhindern können.

Joachim Löw kann es nur Recht sein. Seinem Team genügt jetzt ein Unentschieden in Recife für den Gruppensieg. Was die Deutschen aber in jedem Fall wissen müssen: So schnell gibt sich eine Klinsmannschaft nicht geschlagen.

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