Umweltaktivist Jewgenij Witischko:Olympischer Gefangener

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Drei Jahre Strafkolonie wegen Sachbeschädigung: Der Aktivist Jewgenij Witischko hatte Umweltsünden rund um die Olympischen Spiele angeprangert, nun muss er für drei Jahre in Lagerhaft. Internationale Menschenrechtsorganisationen sind empört, Witischko reagiert mit Ironie.

Von Johannes Aumüller, Sotschi

Nun gibt es nicht mehr nur die olympischen Ringe oder das olympische Feuer, sondern auch einen olympischen politischen Gefangenen. So sehen sie das bei der Umweltschutzorganisation "Ökologische Wacht im Nordkaukasus". Am Mittwochnachmittag hat das Berufungsgericht in Krasnodar eine dreijährige Haftstrafe gegen ihr Mitglied Jewgenij Witischko bestätigt; damit muss der 40-jährige Geologe womöglich noch während der Olympischen Spiele in Lagerhaft.

Internationale Menschenrechtsorganisationen sind empört über den Richterspruch. Human Rights Watch erklärte, das Urteil sei "politisch motiviert", und forderte das Internationale Olympische Komitee (IOC) umgehend auf, die russische Regierung zur Freilassung von Witischko zu drängen.

Die Ökowacht war in den vergangenen Monaten die lokale Organisation, die am nachhaltigsten die Umweltsünden rund um die Olympischen Spiele anprangerte. Verschiedentlich war Druck auf ihre Mitglieder ausgeübt worden, unter anderem in Form von mehrtägigen Arresten. Der Fall von Witischko begann bereits im November 2011, als er mit seinem Ökowacht-Mitstreiter Suren Gasarjan gegen einen Zaun protestierte, der sehr weitläufig um die Villa des Regionsgouverneurs Alexander Tkatschow aufgestellt worden war.

"Sanja ist ein Dieb!"

Ihrer Meinung nach ging er mitten durch ein Naturschutzgebiet und war illegal errichtet worden. "Öffentlicher Wald" und "Sanja ist ein Dieb" schrieben sie auf den Zaun. Beide erhielten eine dreijährige Bewährungsstrafe wegen Sachbeschädigung. Gasarjan floh nach Estland, Witischko blieb. Leute, die ihn gut kennen, berichten, dass er sich sogar scheiden ließ, damit die Frau und die Kinder nicht bedroht werden.

Danach wurde mehrfach behauptet, er habe gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Im Dezember wandelte ein Gericht die Bewährungsstrafe um und verurteilte Witischko zu drei Jahren Strafkolonie. Kurz vor Beginn der Spiele war der Aktivist zudem in seiner Heimatstadt Tuapse (gut 100 Kilometer nördlich vom Zentrum von Sotschi gelegen) zu einem 15-tägigen Arrest verurteilt worden, weil er angeblich an einer Bushaltestelle lauthals Schimpfwörter benutzt habe; zwei Zeugen hätten dies bestätigt.

Wegen dieser Strafe war es Witischko auch gar nicht möglich, bei der Berufungsverhandlung in Krasnodar, der Hauptstadt der gleichnamigen Region, zu der auch Sotschi gehört, anwesend zu sein. Er war mit seinem Anwalt Alexander Popkow per Videokonferenz zugeschaltet.

Die Verteidigung bezeichnete den ganzen Prozess als absurd und legte unter anderem mehrere Tausend Unterstützungsunterschriften pro Witischko vor. "Ich bin oft gefragt worden, wieso ich so oft lächle. Solche Situationen kann man nicht ernst nehmen. Man braucht ein wenig Ironie", sagte Witischko. "Das, was in unserem Land, in Sotschi passiert, darf nicht sein, aber es passiert. Wir dürfen die Wahrheit darüber, wie sich diese Region nach Olympia weiterentwickeln wird, nicht sagen."

Der weitere Ablauf ist nun noch unklar. Theoretisch sind noch Berufungsinstanzen möglich. Anwalt Popkow erklärte, dass darüber aber noch nicht entschieden worden sei. Der 15-tägige Arrest wegen des Schimpfens an der Bushaltestelle endet am 18. Februar. Es ist möglich, dass Witischko dann schon gleich den Gang in die Strafkolonie antreten muss. Konkrete Bestimmungen gebe es diesbezüglich aber nicht, teilte sein Anwalt mit.

Vor den Spielen hatten mehrere Menschenrechtsorganisationen in einem Brief das Internationale Olympische Komitee gebeten, zu dem Fall Stellung zu beziehen. Die Ringe-Organisation gab sich allerdings zurückhaltend. "Wir haben (das Organisationskomitee) Sotschi 2014 gebeten, uns mit mehr Informationen zu versorgen. Dessen Informationen deuten darauf hin, dass der Fall Witischko nichts zu tun hat mit der Vorbereitung der Olympischen Spiele", hatte das IOC auf SZ-Anfrage mitgeteilt. "Wir müssen solche Ausführungen den kompetenten Behörden überlassen."

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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